Mali | auf der Suche nach einer neuen Generation

Wir sitzen beim Tee und wälzen die großen Probleme, die allen Maliern zur Zeit zu schaffen machen. Die Sicherheitslage im Land bekommt niemand in den Griff. Wir spekulieren über Ursachen, suchen Verantwortliche, Schuldige. Immer wieder fällt mir bei solchen Small-Talks unter freiem Himmel auf, dass dann, wenn in der Gegenwart keine Lösungsansätze sichtbar scheinen, irgendjemand die große Geschichtskeule schwingt. Vom Maliba ist dann die Rede - vom mittelalterlichen Großreich, als im Kernland des Mande die ersten demokratischen Entwürfe aus der Taufe gehoben wurden. Die Charta von Mande ist der große Stolz vieler Malier, denn hier haben die Keitas seinerzeit Mitsprache im Kollektiv, Solidarität, Recht auf Schutz der Individualrechte und des Eigentums auf den Sockel gehoben, lange bevor Europäer demokratiemündig wurden. Einst reiste Mansa Musa im 14. Jahrhundert mit viel Gold im Gepäck quer durch Westafrika bis nach Ägypten, verteilte dort Goldklumpen und sorgte für einen gewaltigen Crash an der Kairoer Börse. Auch davon träumen Malier, vom Reichtum, der einfach ausgegraben werden kann und alle Problem löst.
Maliba. Es ist nicht nur Sinnbild der einstigen Größe Malis. Es ist auch zu einem Alibi geworden, zu einer Worthülse, mit der Politiker ihre Wähler einlullen. Die Flucht vor der Unlösbarkeit aktueller Fragen mündet in die Reise in die Vergangenheit, in die stolze Vergangenheit. Doch die ist längst vorbei. Die Umstände damals sind mit denen heute nicht zu vergleichen.
Eine andere Taktik ist die, dass die Schuld bei anderen gesucht wird. Mal sind es die Araber, aber meistens die Europäer, die in der Zeit der Sklaverei und des Kolonialismus alles auf den Kopf gestellt haben, den Afrikanern ihren Stolz und die kulturellen Eigenarten zur konstruktiven Daseinsbewältigung geraubt haben. An dieser Analyse ist viel dran, aber auch das ist Flucht.
In den Diskursen meiner Zeitgenossen fällt mir auf, dass sehr wenig, fast gar nicht, auf die Nachkriegsgeneration Bezug genommen wird, die großen Frauen und Männer, die ihr intellektuelles Vermögen und ihre strategische Finesse im Kampf für die Unabhängigkeit Malis im Jahre 1960 und in den Jahren davor eingesetzt haben. Die Generation, die um die Schuldigen wusste, aber trotzdem nach eigenen Ideen gesucht hat, die den Mut hatte, der Grande Nation die Stirn zu bieten. Modibo Keita, der erste Präsident des unabhängigen Malis, hat am 20. Januar 1961, ein knappes halbes Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung am 22. September 1960, den Franzosen die Pistole auf die Brust gesetzt. Er hat sie gezwungen, binnen kurzer Zeit ihre Kolonialarmee abzuziehen. Und so geschah es. Wir schaffen das ab jetzt alleine. Es waren Lehrer, Gewerkschaftler, die an französischen Kolonialschulen ausgebildet wurden, die den Mumm besaßen, das Schicksal ihrer Nation selber in die Hand zu nehmen. Modibo setzte auf das sozialistische Pferd. Das Experiment ging schief. 1968 wurde er Opfer eines Staatsstreiches. Doch was bleibt, ist der Mut, der Stolz auf das autonome Denken und die Entschlossenheit, in eine unbekannte Zukunft zu gehen. Es war ihre Vision, ein Land neu aufzubauen.
Ein alter Pastor, der als Jugendlicher die Unabhängigkeit miterlebt hat, sagte mir im Gespräch, dass jeder Malier damals stolz war, die Nationalhymne zu singen, bereit war zu kämpfen bis zum Umfallen, stolz war auf die eigene Nation und zuversichtlich, was die künftige Entwicklung anging.
Diese Visionäre fehlen heute. Mali sind die Entschlossenen abhanden gekommen. Die Politik und Mentalität wird vom Arrangement geprägt, vom Profit des Gegenwärtigen, von Hörigkeit. 
Lehrergewerkschaften legen das Land lahm. Wieder steht ein "weißes Jahr" ins Haus, in dem die Schulzeiten wegen zuviel Ausfall nicht anerkannt werden können. Die Regierung setzt ihre eigenen Gesetze nicht um. Mali ist "am Arsch", sagen die Leute auf der Straße. 
Ich wünsche mir, dass das Evangelium, das wir im Namen Jesu Christi verkündigen, eine Generation hervorbringt, die nicht die Flucht in die Vergangenheit antritt, die nicht die Schuld bei den anderen sucht, sondern die nüchtern die Probleme angeht, die hier vor Ort bewältigt werden können, wo weder der große Mansa noch die Franzosen als positive oder negative Symbole herhalten können. Und von diesen hausgemachten Problemen gibt es eine ganze Menge.
Ich wünsche mir eine Generation von jungen entschlossenen Leuten, die transformieren wollen und nicht ihre Verantwortung ständig delegieren und nur im Palaver rund um den grünen Tee stark sind. Diese Generation braucht Jesus.  Politisch gesehen brauchen wir die Mentalität des jungen, unabhängigen Malis. Wir brauchen die Entschlossenheit dieser Generation, die wirklich ihr Land geliebt hat, die Menschen und deren Fortschritt und die nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet haben oder hörig waren.

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