FATMES | alte Missionsstrategien neu entdeckt

Es ist spannend zu sehen, wie missionsstrategische Impulse über historische Epochen und geographische Grenzen hinweg ihre Kreise ziehen. Genau das wurde uns im aktuellen Kurs "Missionsstrategie"; den ich zzt. an der FATMES unterrichte, deutlich.
In einer Nebenstraße von unserem Appartement in Bamako befindet sich ein Ausbildungszentrum für Kinder und Jugendliche, das von katholischen Missionaren der Missionsgesellschaft für Afrika  gegründet und aktuell vom Don Bosco-Orden verwaltet wird. Jeder hier kennt es unter dem Namen "Centre Père Michel". Hier können Kinder und Jugendliche, die keinen Schulabschluss haben ein Gewerbe erlernen, als Mechaniker, Elektriker, Landwirte, NäherInn, Schlosser und Schreiner. Die Kurse finden am Vormittag in einer Art Berufsschule statt. Aber auch Fortbildungskurse am Abend für bereits Berufstätige sind Bestandteil des Angebots. Auf dem Gelände befinden sich auch ein Internat für 60 Jugendliche und ein Sportplatz. 
Die Verbindung von Beruf und geistlichem Leben, von Kirche und professioneller Ausbildung bildet einen missionsstrategischen Ansatz, der vor langer Zeit begründet wurde und noch heute seine Spuren zieht.
Das Zentrum wurde 1956 von Bruno Michel, einem "Weißen Vater" (Bezeichnung für kath. Missionare der Missionsgesellschaft für Afrika) gegründet. Er kam 1952 nach seiner theologischen Ausbildung und Nominierung zum Priester nach Mali. In Ouelessebougou lernte er Bamanan und zog mit Jugendlichen von Dorf zu Dorf, um Evangelium zu verkündigen, Gemeinde zu gründen und Jugendlichen praktische Hilfe anzubieten. Seine Vorgesetzten hielten große Stücke auf ihn und beriefen ihn nach Bamako, wo er mit der Gründung eines Ausbildungszentrums für Kinder und Jugendliche beauftragt wurde, die ihren Schulabschluss nicht geschafft hatten, aber dennoch praktisch begabt waren. 1965 verließ er sein Domizil in der Diözese und zog ins Zentrum nach Niarela um.
Bruno Michel war der Direktor des Zentrums und unterrichtete einen Großteil der Kurse selber. Der Geist des Zentrums wurde sehr stark von den Pfadfindern beeinflusst. Er hatte das Zentrum in eine Art "permanentes Pfadfinderlager" verwandelt, wo jeder seine eigene Verantwortung hatte, aber der Chef alle Fäden in der Hand hielt ! Alles wurde im Team gemacht: Studium, Hauswirtschaft (Internat), Kochen, Sport, Workshops... Bruno hatte sich vollständig mit dem Zentrum identifiziert und es über 20 Jahre lang geführt. Es war sicherlich ein Erfolg, dass in dieser Zeit insgesamt 439 junge Leute eine zertifizierte Ausbildung erhielten, die vom Staat offiziell anerkannt ist. Solche, die einen guten Abschluss vorweisen konnten, ermöglichte Michel ein Studium oder eine qualifizierte Weiterbildung in Frankreich. Die gut ausgebildeten Handwerker und Ingenieure kamen zurück nach Mali und halfen, das Land aufzubauen.
1978 wechselte Bruno Michel in den Niger, wo er eine ähnliche Arbeit startete. Im Alter von nur 54 Jahren verstarb er an einer kurzen Krankheit.
Das Ausbildungszentrum ist als "Centre Père Michel" in Mali und weit darüber hinaus bekannt. Es verfolgt bis heute einen ganzheitlichen missionsstrategischen Ansatz - Angebot von geistlicher Schulung und Gottesdiensten, praktische Ausbildung und Hilfen für den Einstieg in das Berufsleben. Einige der Absolventen entschließen sich sogar, den Beruf des Priesters zu ergreifen.
Die "Weißen Väter" übergaben das Zentrum dem Erzbistum in Bamako, wo es aber keine kompetenten Leiter gab. Nach einer Übergangszeit entschlossen sich die Verantwortlichen, es 1985 dem Salesianerorden Don Bosco zu übertragen. Johannes Don Bosco hatte diesen Orden 1859 nach den Prinzipien und der Missionsstrategie von Franz von Sales gegründet.
Hier kommt nun die Missions- und Kirchengeschichte ins Spiel. Franz von Sales lebte von 1567 bis 1622 und war zuletzt Fürstbischof von Genf und wirkte als Ordensgründer, Lehrer und Schriftsteller.
Sein Ziel war es, die calvinistische Lehre der doppelten Vorherbestimmung ad absurdum zu führen, weil er sie als eine den Menschen entmündigende und in die Depression führende Theologie empfand. Franz von Sales selber war lange Zeit von dem Gedanken bestimmt, dass Gott ihn verdammt habe. Diese Verzweiflung führte bei ihm auch zu körperlichen Beschwerden. In seiner Krise entdeckte er Gott neu, als den Gott der Liebe. Das positive Gottes-und Menschenbild prägten von nun an seine Theologie und sein Handeln. Nach seinem Studium der Theologie und Rechtswissenschaft wurde er vom Papst höchstpersönlich als Missionar nach Chablais (Nähe Genf) entsandt, um dem Calvinismus den Garaus zu machen (Rekatholisierung nach den Grundsätzen des Konzils von Trient). 1602 wurde er zum Fürstbischof von Genf ernannt und kümmerte sich in den letzten 20 Jahren seines Lebens um den Religionsunterricht und um Bildungsprogramme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Franz von Sales hatte durch sein Vorbild aufgezeigt, wie geistliches Leben und Beruf in Einklang gebracht werden können. Die soziale, praxisorientierte Tätigkeit war auch der Tatsache geschuldet, dass die Reformierten in der Schweiz den Katholiken öffentliche Auftritte und Wortverkündigung untersagt hatten.
Die Idee des Franz von Sales wurde von dem italienischen Priester Johannes Don Bosco bei seiner Ordensgründung im 19. Jahrhundert aufgegriffen und weiter entwickelt. Offiziell hieß der Orden Societas Sancti Francisci Salesii (Gesellschaft des Heiligen Franz von Sales). Die Kirche verstand er als einen Ort, wo Kinder, die im Industriezeitalter von Eltern und Schule vernachlässigt wurden und die am Rande der Gesellschaft ihr Leben fristen mussten, eine Heimat finden und für ihr Leben vorbereitet werden konnten. Die Kinder sollten die Welt verstehen lernen, in der sie lebten und in ihr einen Platz für sinnvolles Engagement finden. Dazu galt es Vertrauen aufzubauen, Geborgenheit zu vermitteln und jedem Menschen Anerkennung zu schenken.
Vergangenes ragt in die Gegenwart. So ist Geschichte. Im 16. Jahrhundert wurde der Grundstein gelegt, der im 19. Jahrhundert aufgegriffen und kontextualisiert wurde. Und heute finden sich Spuren dieser Missions- und Bildungsstrategie im Herzen der malischen Hauptstadt in Bamako. Das Centre Père Michel und die Geschichte des Salesianerordens Don Bosco zeigen, wie ein gesundes Gottesbild (Gott der Liebe) zur Menschenliebe führen und sich konkret im Engagement für die Schwachen der
Gesellschaft zeigt. 

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