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Es werden Posts vom Januar, 2024 angezeigt.

Koloniale Geister besiegen - 2. Von Privilegien und Verzicht

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Simon D. (AM): Alfred, wann ist Dir zum ersten Mal bewusst geworden, dass Du als Missionar aus dem Westen privilegiert bist?  Alfred: Privilegiert bin ich im positiven Sinne. So richtig bewusst geworden ist mir das im Rahmen der Reflexionen zu meiner Doktorarbeit mit dem Titel "Freiheit zum Verzicht", Ende der 1990er Jahre. Ich bin als Missionar aus Deutschland ein privilegierter Outsider und jemand, der die Freiheit hat, verantwortlich mit Privilegien umzugehen und, wenn erforderlich, auf sie zu verzichten. Ich bin Mitglied einer Organisation, die mich umsorgt, die sich um die Finanzierung der Schulbildung meiner Kinder kümmert und mich in medizinischen Notfällen herausholt.  Simon D. (AM): Kannst Du konkrete Beispiele nennen, wo Ihr als Familie auf Privilegien verzichtet habt? Alfred: Lass mich überlegen. Ich erinnere mich an die Zeit der Schwangerschaft unserer beiden jüngsten Kinder. Wir haben darauf verzichtet, zur Entbindung nach Deutschland zu fliegen, sonder

Koloniale Geister besiegen - 3. Von Kunstschätzen und Gesten der Wiedergutmachung

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Simon D. (AM): Kolonialismus taucht heute oft in den Nachrichten auf, wenn es um geraubte Kunstschätze, verschleppte und versklavte Vorfahren oder zerstörte indigene Kulturen geht. Aber konkret für diejenigen, die das nicht so genau einordnen können: Über welche Zeit und welche Länder reden wir? Alfred: Seit Beginn des europäischen Kolonialismus im 16. Jahrhundert ist es zu Raubzügen gekommen, wo wertvolle Gegenstände, darunter Kultgegenstände,  geraubt und außer Landes gebracht wurden, z.B. aus Mexiko und anderen südamerikanischen Staaten. Dabei haben Westler die Profanisierung heiliger Stätten in Kauf genommen. Im afrikanischen Kontext sind die Bronzestatuen aus Benin zum Symbol  kolonialistischer Strafexpeditionen geworden. Das war gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in der Hochzeit des imperialen Kolonialismus. Im Naturhistorischen Museum in Nürnberg z.B. lagern ca. 3.000 Südsee-Exponate - Masken, Boote, Köpfe und Figuren. Sie wurden von deutschen Kolonialtruppen im Ra

Koloniale Geister besiegen - 4. Auswirkungen des Kolonialismus in Mali

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Simon D. (AM): Ihr seid vor 36 Jahren als Missionare nach Mali gegangen und seid bis heute von Deutschland aus für Mali aktiv. Wo habt ihr die Auswirkungen des französischen Kolonialismus in Mali erlebt? Alfred: Ganz neutral formuliert funktioniert die malische Verwaltung nach den Prinzipien der in der Zeit der französischen Besatzung eingeführten Mechanismen. Als wir nach Mali kamen, dienten die alten Kolonialgebäude der Franzosen als Verwaltungsgebäude des unabhängigen Malis. Der malische Präsident residiert im alten französischen Gouverneurspalast in Koulouba, einem Hügel nahe der Hauptstadt Bamako. Konkret hat z.B. die in Satzung gegossenen Rechtsprechung einen höheren Stellenwert als die traditionelle Gesetzgebung oder Schlichtungsbeschlüsse in den Regionen in Bezug auf Familienrecht oder Grundstücksangelegenheiten. Das Schulsystem ist eine Errungenschaft der Kolonialzeit. Das ganze Wirtschaftssystem funktioniert in den Kategorien der ehemaligen Kolonialherren. Die

Koloniale Geister besiegen - 5. Missionare der Allianz-Mission als Profiteure des Kolonialismus in China

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Simon D. (AM): In Deinem Artikel ordnest Du die ersten Missionarinnen und Missionare der Allianz-Mission in China als Profiteure des Kolonialismus ein. Könnte man das so lesen: "Wir waren es nicht, wir müssen uns nicht entschuldigen"? Alfred: Missionare waren zum großen Teil Profiteure, zu dieser These stehe ich. Afrika, weite Teile Asiens und Amerika sind kolonialisiert worden, ja, und Missionare waren Zeitzeugen, Mitwisser, teilweise Kollaborateure und Profiteure der Ereignisse, aber die Haltung und Rolle der Missionare waren sehr unterschiedlich. Es hat auch Gegner des Kolonialsystems gegeben und Fürsprecher für Menschenrechte und für die Selbstbestimmung der einheimischen Völker. Diese Differenzierung ist mir wichtig.  Man muss die Dinge und schuldhafte Verstrickungen in der Geschichte konkret ansprechen, mit den Menschen, die betroffen sind und wenn es sich sinnvollerweise ergibt. Dann macht Entschuldigung Sinn, mehr jedenfalls, als wenn eine Erklärung mit

Koloniale Geister besiegen - 6. Von Versöhnung und Dekolonialisierung

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  Simon D. (AM): Wie könnte aus Deiner Sicht Versöhnung aussehen?  Alfred: Versöhnung ist ein großes Wort. Versöhnung greift m.E. nur da, wo die betroffenen Personengruppen bzw. deren Nachfahren identifiziert werden und miteinander ins Gespräch kommen. Als Papst Franziskus im Jahre 2022 Kanada besuchte, hat er sich bei der indigenen Bevölkerung für die Gräueltaten der christlichen Missionare und Pädagogen entschuldigt, die Kinder im 19. Jahrhundert misshandelt haben. Er sagte: „Angesichts dieses empörenden Übels kniet die Kirche vor Gott nieder und bittet um Vergebung für die Sünden ihrer Kinder. Ich möchte dies mit Beschämung und Klarheit wiederholen: Ich bitte demütig um Vergebung für das Böse, das von so vielen Christen an den indigenen Bevölkerungen begangen wurde.“ - Das war ein konkreter Kontext mit einem nachvollziehbaren Bezug. Wir wissen von Besuchen in China, dass die Christen der ersten Generation für den Einsatz der Missionare der Allianz-Mission sehr dankbar

Koloniale Geister besiegen - 7. Vom Neokolonialisums und den Hausaufgaben

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Simon D. (AM): Alfred, Du beschreibst auch, dass es "heute noch die Gefahr des Neokolonialismus gibt, der sich unbewusst im Denken und in den Strategien verbirgt". Wo erlebst Du das z.B. in Mali? Alfred: Neokolonialistisch wird es dann, wenn ich meine westliche Denkweise für fortschrittlicher erachte und sie anderen überstülpe, oder den Leuten in Mali ständig zu vermitteln versuche, was gut für sie ist, wenn also mein Denken, meine Strategie und meine Vorstellung von Struktur die Köpfe und Herzen der Menschen "besiedelt". Das betrifft z.B. wie sich das Land politisch zu orientieren hat, wie missionarisch vorgegangen werden soll und wo Geld und Mitarbeiter eingesetzt werden sollen. Dass Armut in erster Linie als materielle Unterversorgung angesehen wird und Leute in Afrika grundsätzlich hilfsbedürftig sind, das ist neokolonialistisches Denken. Unser Auftritt als Helfer und Lieferant guter Gaben nährt sich unbewusst aus diesem Grundansatz. In Mali habe

Koloniale Geister besiegen - 8. Von der Missionsbewegung profitieren

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Simon D. (AM): Alfred, Du schreibst in Deinem Artikel: "Die christliche Missionsbewegung hat Plattformen der Begegnung geschaffen, von denen nicht nur die Kirchen profitieren". Welche sind das? Alfred: Ja, das ist richtig. Die offensiv kritische Aufarbeitung der Missionsgeschichte in Namibia z.B. hat die ehemalige Rheinische Missionsgesellschaft und heutige Vereinte ev. Mission in Wuppertal in die Lage versetzt, Politikern aus Berlin glaubwürdige Erkenntnisse zu übermitteln, die in politische Entscheidungsprozesse und in die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit geflossen sind. Im Bereich der Entwicklungs- und wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im Bildungssektor schauen sich Strategen die von Kirchen und Missionsgesellschaften initiierten Projekte an und profitieren von deren Erfahrungen.  Simon D. (AM): Was machen Missionare Deiner Meinung nach anders? Missionare sind in der Regel näher dran an den Leuten als Entwicklungshilfeexperten. Sie sprechen die Sp

Koloniale Geister besiegen - 9. Der Gefahr des Rassismus begegnen

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Simon D. (AM): Du gibst eine Definition von Rassismus, über die ich nachgedacht habe: "Er entsteht, wo ich Zeitgenossen allein aufgrund ihrer kollektiven Zugehörigkeit, der Hautfarbe oder Herkunft einer von mir geschaffenen Kategorie zuordne, um sie zu diskreditieren oder zu manipulieren". Kannst Du uns das näher erklären? Alfred: Rassismus hat nicht nur etwas mit Hautfarbe zu tun. Zu den äußerlichen Merkmalen treten ganz allgemein negative Fremdzuschreibungen, wie Herkunft, kulturelle Eigenheiten, Denkweisen, Rechtsauffassungen usw. Das alles wird hochstilisiert, als naturgegeben und wesentlich angesehen und letztlich stereotypisiert. Wenn Mitmenschen mit migrantischem Hintergrund immer wieder angehalten werden, sich zu erklären, was sie sind und was nicht, um die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft zu rechtfertigen, dann zeugt dies von einer rassistischen Grundhaltung. Am Ende steht die Ausgrenzung im Sinne von: Die können gar nicht anders. Der oder die geh

Koloniale Geister besiegen - der Artikel

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Der folgende Text ist als Artikel in der Ausgabe der MOVE - dem Magazin der Allianz Mission im Januar 2024 erschienen. Der Slogan von der Dekolonialisierung missionarischer Rhetorik, Theologie und Missionspraxis erlebt eine Renaissance. Im Rahmen der postcolonial studies werden seit den 1980er Jahren eurozentristische Weltbilder und Narrative „entmachtet“. Das neue Selbstbewusstsein des Globalen Südens und die People of Colour-Bewegungen zwingen die „alten weißen Gesellschaften“ des Westens, sich mit ihrer kolonial belasteten Vergangenheit auseinanderzusetzen. Meine Beobachtung: Wenn es im interkulturellen Dialog zwischen Nord und Süd kritisch wird, bricht in der Rhetorik die Wunde des Kolonialismus immer wieder auf. Weltmission ist nicht per se Kolonialismus Der weltmissionarische Anspruch des christlichen Glaubens liegt in seiner Natur begründet. Der Glaube an die Einzigartigkeit Jesu Christi birgt einen Absolutheitsanspruch. Ihn zu leugnen wäre fatal. Das missionarische Mandat bi

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