Bamako | wenn aus Garibus Schneider werden

Der Kauf bunter Stoffe und der anschließende Gang zum Schneider sind für uns bei jedem Maliaufenthalt ein must und ein großer Spaß. Wir schauen uns Modelle in Zeitungen an, surfen im Internet, lassen uns inspirieren oder bringen eigene Ideen ein. Den Schneider einen Straßenzug weiter kennen wir schon seit einigen Jahren. Er ist 2012 mit seiner Familie aus dem Senegal in die malische Hauptstadt Bamako umgezogen. Heute waren wir bei ihm, um Christianes neues Gewand abzuholen und noch einige Änderungen vornehmen zu lassen. Er versteht etwas von seinem Handwerk. Wir kommen ins Plaudern und er erzählt uns, dass er vor Kurzem einen Garibu (Koranschüler) von der Straße geholt und ihn als Lehrling in seinem Atelier eingestellt hat. Die Eltern des jungen Mannes kennt er nicht und weiß auch nicht wo sie wohnen. Garibus werden von Eltern meist in die Fremde geschickt und einem Imam oder Koranlehrer anvertraut. So werden sie faktisch zu Waisen und Straßenkindern. Betteln wird zu ihrem Element. Unser Schneider hatte durch eine Werbeanzeige im malischen Fernsehen von einer Hilfsorganisation gehört, die offenbar Kinder von der Straße holt, um ihnen Bildung und Arbeit zu verschaffen. Der Kontakt zu dieser Organisation verlief jedoch ins Leere. "Die machen alle nur große Worte. Meine Anrufe blieben unbeantwortet. Sie erhalten Gelder, aber an der Basis, auf den Straßen kommt kaum etwas an", sagt er ärgerlich. Regelmäßig tauchen die Garibus an der Türe seiner Werkstatt auf. Er gibt ihnen zu Essen und zu Trinken. Und dann kam ihm die Idee, es mit einem Straßenjungen zu versuchen. Er nahm Kontakt zum Leiter der Koranschule auf, und jetzt sitzt einer der Garibus Tag für Tag an der Nähmaschine, hantiert mit Faden und Schere und tastet sich so in der Welt der Mode vor. "Wenn ich Geld hätte, würde ich ihn zur Fortbildung in die Abendschule zu den Katholiken nebenan schicken. Die bieten nämlich Nähkurse an", erklärt er während er den Knopf an Christianes neue Hose annäht. "Glück haben ist für den Moment, Bildung ist für die Zukunft", fügt er vielsagend hinzu. "Ich möchte einen Beitrag für die Gestaltung der Gesellschaft hier in Mali leisten", sagt er. Viele seiner senegalesischen Landsleute versuchen ihr Glück in Frankreich. "Das wäre nichts für mich. Die Kultur ist mir viel zu fremd", sagt er. "Ich liebe Afrika. Hier zu leben und zu reisen ist das Größte".
Er träumt von der Vergrößerung seiner Werkstatt und von Modeschauen, wo auch die jungen ladies unter den Straßenkindern des Landes als Mannequin einen Job finden könnten. 
Unser Schneider ist Muslim, geht regelmäßig in die Moschee, nimmt seine´Religion also ernst. Uns haben der Unternehmergeist und seine soziale Ader beeindruckt. Deshalb werden wir wohl auch in Zukunft noch so manchen Meter bunten afrikanischen Stoffs zu ihm bringen, um von seinem Können zu profitieren und sein kleines Unternehmen zu unterstützen.

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