Koloniale Geister besiegen - der Artikel


Der folgende Text ist als Artikel in der Ausgabe der MOVE - dem Magazin der Allianz Mission im Januar 2024 erschienen.

Der Slogan von der Dekolonialisierung missionarischer Rhetorik, Theologie und Missionspraxis erlebt eine Renaissance. Im Rahmen der postcolonial studies werden seit den 1980er Jahren eurozentristische Weltbilder und Narrative „entmachtet“. Das neue Selbstbewusstsein des Globalen Südens und die People of Colour-Bewegungen zwingen die „alten weißen Gesellschaften“ des Westens, sich mit ihrer kolonial belasteten Vergangenheit auseinanderzusetzen. Meine Beobachtung: Wenn es im interkulturellen Dialog zwischen Nord und Süd kritisch wird, bricht in der Rhetorik die Wunde des Kolonialismus immer wieder auf.

Weltmission ist nicht per se Kolonialismus
Der weltmissionarische Anspruch des christlichen Glaubens liegt in seiner Natur begründet. Der Glaube an die Einzigartigkeit Jesu Christi birgt einen Absolutheitsanspruch. Ihn zu leugnen wäre fatal. Das missionarische Mandat birgt einerseits die Gefahr, „das Eigenrecht anderer Religionen und Kulturen zu verletzen“ (B. Maier). Andererseits, so der gambische Theologe Lamin Sanneh, wurden „in der kolonialen Ära einheimische afrikanischen Kulturen von Missionaren vor der kulturellen Eruption beschützt“.

Rassismus und zivilisatorische Überlegenheit
Viele Missionare im 19. Jahrhundert vertraten das nationale Interesse und die Werte ihrer Heimatländer. Vom westlichen Bewusstsein der Überlegenheit (imperiales Mindset) wurde die rassische Minderwertigkeit der Völker des Südens und das Recht und die Pflicht abgeleitet, diese Völker zu missionieren und zu zivilisieren. Rassismus ist eine Gefahr für jeden Menschen. Er entsteht da, wo ich Zeitgenossen per se wegen ihrer kollektiven Zugehörigkeit, der Hautfarbe oder Herkunft einer von mir geschaffenen Kategorie zuordne, um sie zu diskreditieren oder zu manipulieren.

Weltmission und kolonialistische Verstrickungen
Missionarinnen und Missionare können, was ihre Rolle in der Zeit des Kolonialismus angeht, folgenden Kategorien zugeordnet werden:
· direkte Förderer des Kolonialismus (als strategische Vorhut und Diplomaten),
· indirekte Förderer des Kolonialismus (Verbreitung westlicher Zivilisation)
· Profiteure des Kolonialismus (Opportunisten, die von der kolonialistischen Öffnung profitierten)
· Kritiker des Kolonialismus (offene Kritik und Einsatz für die einheimische Bevölkerung)

Je mehr sich Missionare als Kultur- und Landeskenner erwiesen, umso mehr wurden sie instrumentalisiert. Langsam etablierte sich die Auffassung, dass die Kolonialherrschaft der Heimatländer besser sei als die lokalen Strukturen.
Die ersten Missionare der Allianz-Mission in China waren Profiteure des Kolonialismus. Die damaligen Missionare waren zu unbedeutend, als dass sie die politischen Entwicklungen aktiv hätten beeinflussen können. Die geistliche Euphorie war zu groß und verdeckte den Blick für kolonialistische Verstrickungen. China war im 19. Jahrhundert eine große Wirtschaftsmacht und diktierte die Regeln. Der Opiumkrieg (1839-1842) brachte die Wende. Großbritannien zwang China in die Knie und diktierte von nun an das Geschehen. Damit wurde auch der Weg für westliche Missionare ins Innere Chinas frei. China-Inland-Mission und Allianz-Mission haben davon profitiert. Der "kolonialistische Background" kann nicht geleugnet und durch den sicherlich aufopferungsvollen Dienst der Missionarinnen und Missionare gegengerechnet werden.

Selbstkritik ist Teil der Missionsgeschichte
Neben dem imperialen Megatrend gab es in der Missionsgeschichte immer schon Missionare, die sich mit den negativen Folgen des Kolonialismus und dem damit verbundenen Rassismus kritisch auseinandergesetzt haben. Sie waren jedoch in der Minderheit. Missionare zweifelten in der Regel nicht an der Legitimität des Kolonialismus, setzten sich jedoch zunehmend dafür ein, die manipulativen, gewaltsamen und diskriminierenden Spitzen zu eliminieren. (siehe auch: Wir sind fähig zur Selbstkritik)

Koloniale Mentalität überwinden und Versöhnung leben

Die „Missionarinnen und Missionare“, die von außen kommen, engagieren sich heute meist partnerschaftlich und füllen Lücken. Sie erobern nicht. Sie begleiten. Sie ordnen sich ein. Versöhnungs-, Entwicklungs- und Partnerschaftsarbeit stehen längst auf der Agenda. Obwohl der historische Kolonialismus zu überwunden zu sein scheint, besteht auch heute noch die Gefahr des Neokolonialismus, der sich unbewusst im Denken und den Strategien verbirgt. Es gibt auch heute noch militärischen, wirtschaftlichen und ideologischen Kolonialismus, der von zivilen und staatlichen Akteuren betrieben wird. Neben die ideologisch gefärbte Kritik seit den 1960er Jahren ist eine sachlich differenzierte Kritik getreten, die die christliche Missionsbewegung durchaus positiv rezipiert, ohne die negativen Elemente zu verschweigen. Missionare haben enorme Beiträge zur kulturanthropologischen und religionswissenschaftlichen Forschung geleistet, obwohl sie den Denksystemen und Handlungsmechanismen ihrer Zivilisationen verhaftet blieben. Die christliche Missionsbewegung hat Plattformen der Begegnung geschaffen, von denen nicht nur die Kirchen profitieren. So werden globale Perspektiven die eurozentrische Weltsicht langsam ersetzen.

Nur wer sich dem Schatten der Vergangenheit stellt, wird in Zukunft positive Akzente der Versöhnung und des interkulturellen Miteinanders setzen können.

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