Aus Afrika in den Rest der Welt

Das ist eine richtig coole Entdeckung. Der aktuelle Exekutivdirektor von CAPRO International, einer nigerianischen Missionsgesellschaft mit Sitz in Lagos, heißt Dondo Iorlamen. Er war Anfang der 2000er Jahre Missionar in Mali und Direktor von AMI-Mali (Action Missionnaire Interafricaine). In dieser Zeit hat er Kurse an der damals neu gegründeten FATMES (Fachschule für ev. Theologie und Missiologie, Bamako) belegt und seinen Bachelor-Abschluss in Theologie erworben. Ich war einer seiner Lehrer und kann mich an sein organisatorisches Talent, seine reflektierten Beiträge und seinen hingebungsvollen Dienst erinnern. Über die Jahre sind wir sehr sporadisch in Kontakt geblieben. Ich scrolle durch die verschiedenen Internetformate von CAPRO und höre mir Statements von Dondo im O-Ton an, um von seiner Vision zu lernen und mehr über seine Arbeit zu erfahren. 

So entstand CAPRO ...
Fünf Jahre war der nigerianische Bürgerkrieg (auch Biafrakrieg genannt) vorbei. Von 1967 bis 1970 hatte er das Land zerrissen. Der Hass und die Gewalt hatten Volksgruppen gegeneinander aufgebracht. Hunger und Vertreibung und bis heute andauernde ethnische und religiöse Rivalitäten und Kämpfe um wirtschaftlichen Einfluss waren die Folge. Im Jahr 1975 machten sich junge Evangelisten aus dem Süden auf den Weg in den nördlichen, vorwiegend von Muslimen bewohnten Teil Nigerias. Sie halfen beim Wiederaufbau und organisierten Missionsteams. Der Einsatz fand in der Stadt Zaria statt. Aus diesen inlandmissionarischen Anfängen ist eine der bedeutensten afrikanischen Missionsgesellschaften entstanden. Ihr Name lautet CAPRO (von Calvary Productions, heute Calvary Ministries).

Internationale Reichweite ...
Zum heutigen Zeitpunkt beschäftigt CAPRO 700 Missionare aus 26 Ländern in 43 Länder in Afrika südlich der Sahara, Nordafrika, dem Nahen Osten, Europa, Amerika und Asien. CAPRO versteht sich als eine Missionsgesellschaft und als ein Katalysator für Missionsbewegungen in mehreren Ländern der Welt. Die Finanzierung wird von Christen und Kirchen in Nigeria, aber auch von internationalen Partnern sichergestellt. Vor Ort sucht man die Kooperation mit bereits bestehenden christlichen Gemeinden, mit denen man gemeinsam Unerreichte zu erreichen hofft.  

Mit Drums in der Welt unterwegs ...
DRUMS - dieses Akronym repräsentiert die fünf strategischen Zielsetzungen: 

  • D - Discipleship (Jüngerschaft)
  • R - Revival (Erweckung)
  • U - Unity (Einheit)
  • M - Missions (Mission)
  • S - Social Concern (soziales Engagement)
Ambitionierte Ziele ...
Die Arbeit von CAPRO soll erneuert werden, indem man bis zum Jahr 2025 die Arbeit regionalisiert. Ziel ist es, in 20 Ländern eine neue Arbeit zu starten, 56 unerreichte Volksgruppen zu erreichen, 341 Gemeinden zu gründen, 315 neue Missionare einzusetzen und 50.000 neue Unterstützer und Partner zu gewinnen.

Kann man mit diesem Auftritt Menschen für die missionarische Arbeit gewinnen?
Sagen, was auf einen zukommen kann, wenn man sich auf fremdes Terrain begibt - das ist eine wichtige Ansage. CAPRO macht auf seiner Homepage unverblümt deutlich, dass Hingabe, Leidenschaft, Opferbereitschaft und das Zurückstellen der eigenen beruflichen Karriere von allen Missionarinnen und Missionaren erwartet wird. Das ist mutig, entspricht aber der Realität. Die lokalen Christenverfolgungen mit zerstörten Kirchengebäuden und vielen Opfern sind eine Lebensschule für harte Zeiten im Missionsdienst. Ziel ist es, möglichst viele unerreichte Ethnien in Afrika und anderswo auf der Welt mit dem Evangelium zu erreichen. Die Erwartung der Wiederkunft Jesu ist dabei ein zusätzlicher Motivator.

Als einer der Leiter auf den geistlichen Notstand und die Uneinigkeit der Kirchen in Kenia aufmerksam machte, meldete sich ein junger Mann im Chat und schrieb: "Ich kann es kaum erwarten, von CAPRO nach Kenia entsandt zu werden."

Multidirektionale Missionsgeschichte ...

CAPRO ist ein Beispiel für die neue Missionsbewegung, die auf Initiativen aus den Ländern des Globalen Südens beruht. Die Missionsgesellschaft wird von Afrikanern geleitet. Lediglich im Beirat habe ich einen Amerikaner entdeckt. Nigeria wurde im 19. Jahrhundert vorwiegend von Engländern und Amerikanern missionarisch erreicht. Es entstand eine große Zahl von Gemeinden und Denominationen. In den nigerianischen Gemeinden lebt ein missionales Bewusstsein und die Bereitschaft, eigene Verantwortung in der Weltmission zu übernehmen. In Nigeria setzt man ganz klassisch auf die Expertise von Spezialorganisationen, um den besonderen Herausforderungen im globalen Setting zu begegnen. Dabei versteht sich CAPRO auch als ökumenisches Werkzeug der Mobilisierung und als Plattform gemeinsamen missionarischen Engagements. Es gibt jedoch auch andere Beispiele wie die Deeper Life Bible Church aus Nigeria, einer internationalen pentekostalen Kirche, die als Denomination in vielen subsaharischen Ländern und auch in Großbritannien u.a. westlichen Ländern präsent und missionarisch aktiv ist.

CAPRO hat sich westliche Organisationsformen zum Vorbild genommen. Die Organisationsform ist eine Kopie westlicher Organisationen mit Komitees, Vision, Missionstatement und strategischen Zielen. CAPRO ist interkonfessionell aufgestellt und legt sehr viel wert auf das "Ziehen am gemeinsamen Strang". Einheit, das hat man aus der Missionsgeschichte im eigenen Land gelernt, war nicht immer die große Stärke evangelischer Missionsprojekte. Es wäre fatal, defizitäre Strategien einfach zu kopieren.

CAPRO sensibilisert die Ortsgemeinden im In- und Ausland für die missionarische Arbeit. Dies geschieht auf zwei Ebenen. Einmal geht es darum, den lokalen Kontext, das eigene Land mit dem Evangelium und ganzheitlich ausgerichteten Projekten zu erreichen. Zum anderen versucht CAPRO, Missionare für die internationale Arbeit zu gewinnen. Offenbar ist es auch im Globalen Süden mehrheitlich so, dass Kirchen für die Mission im nationalen Kontext und Missionsorganisationen für die Koordination der Mission im internationalen Kontext zuständig sind. In Ländern, wo es schon starke Kirchen gibt, wie z.B. in Großbritannien, versucht CAPRO durch Schulungen, einen erwecklichen Geist zu fördern und die Kirchen für ein stärkeres Engagement in der Weltmission zu gewinnen 

CAPRO fördert geistliches Wachstum und Erweckung. Die Geschichte zeigt, dass Erweckungen in Kirchen nicht automatisch dazu führen, dass sich ein neuer missionarischer Elan entwickelt. Aus diesem Grund ist es wichtig, darauf hinzuwirken, dass Mission eine notwendige Folge von Nachfolge und Erweckung ist.

CAPRO engagiert sich an pioniermissionarischer Front. Die "Unerreichten erreichen" - das ist kein veralteter Slogan aus den 1990ern, sondern eine aktuelle strategische Herausforderung, der man sich stellt. 

Fazit:

Afrikanisches Selbstbewusstsein und missionarische Selbstverständlichkeit: Ich bin beeindruckt vom Selbstbewusstsein, das hier zum Ausdruck kommt und von dem Mut, sich Opfer zuzumuten. Auch der feste Blick auf den wiederkommenden Herrn ist beeindruckend, ein Aspekt, der in Deutschland weitgehend verloren gegangen ist. Ein wichtiger Slogan von CAPRO lautet: From Africa to the World. Join the Move of God today! (Von Afrika in die Welt. Schließe dich der Bewegung Gottes heute an!) Vor langer Zeit hieß das ganz anders, und der Westen war der Taktgeber. Heute ist Afrika ein global player in der Weltmission. So muss es sein. All die Jahrzehnte westlichen Engagements sollen nicht umsonst gewesen sein und die Arbeit an der FATMES auch nicht. Es ist spannend zu sehen, wo ehemalige Studierende ihr Zelt aufschlagen und die Pflöcke einschlagen. - Gott bewegt sich und die Welt. Die Richtungen, in die wir uns bewegen, sind heute variantenreicher als noch vor ein paar Jahrzehnten. Es ist aber immer noch die gleiche Mission, der wir uns verschreiben - Gottes Mission. Mein Eindruck ist, dass westliche Missionsgesellschaften gegenüber ihren Partnern im Süden demütiger und kooperativer auftreten als in der Vergangenheit und entgegenkommender gegenüber den jungen Interessenten, wegen der sich wandelnden Persönlichkeitsstrukturen und Erwartungen. Südliche Missionsorganisationen treten robuster auf und mit mehr Vorgaben, was die benötigten Profile angeht.

Mission von den Rändern: Die aktuell gehandelte Kategorisierung "mission from the margins" (Mission von den Rändern) spiegelt eine undifferenzierte Perspektive auf die Geschichte der Mission in den letzten Jahren. Ich verstehe missions from the margins im Kontext dieser Zeilen so, dass die entscheidenden Impulse für die Mission heute von Bewegungen kommen, die einst außerhalb der etablierten christlichen Zentren standen. Es ist eine herabwürdigende, postkoloniale Perspektive, und damit bleibt sie dem kolonialen Denken verhaftet. Im 19. und 20. Jahrhundert entsandten englische Kirchen Missionare nach Nigeria, Indien, Amerika usw. Heute wird die Missionsbewegung durch multidirektionale Initiativen verstärkt. So kommt es, dass nigerianische Organisationen Missionare in genau die Länder entsenden, die einst von westlichen Organisationen bedacht wurden bzw. von der die moderne Missionsbewegung ausging. Wer heute vom Rand spricht, der muss definieren, wo das Zentrum liegt. Tatsache ist, dass die Ränder, also die klassischen Empfängerländer christlicher Mission, längst keine Ränder mehr sind, sondern selber zu Zentren geworden sind. Rein demographisch betrachtet, gehört Europa heute zu den Rändern des globalen Christentums.


In Nigeria leben heute ca. 85 Millionen Christen, mehr als Deutschland Einwohner hat. 1975, im Jahr der Gründung von CAPRO,  hatte Nigeria ca. 68 Millionen Einwohner und 27 Millionen Christen. 

Rand - Zentrum, diese Kategorie ist aus der Zeit gefallen. Es ist eine globale Christenheit, die am Werk ist. Die weltweiten Kooperationen sprengen die kolonial konnotierten Blickwinkel. CAPRO ist ein Beispiel - die nigerianische Missionsinitiative ist multinational aufgestellt und agiert global. Zu den die Arbeit unterstützenden Partnern zählen sowohl einheimische Gemeinden (ehemalige Ränder) als auch westliche Partner (ehemalige Zentren). Einer der Partner von CAPRO ist SIL (Wycliff-Bibelübersetzer). Sie spielt als vorwiegend westlicher Partner wegen ihrer spezifischen Aufgabenstellung nach wie vor eine zentrale Rolle in der weltmissionarischen Arbeit. CAPRO sucht sich die Partner gezielt aus. Es sind strategische Partnerschaften, die helfen, die frontiers peoples, die vom Evangelium unerreichten Menschen, zu erreichen. Afrika hat sich längst zu einem einflussreichen Ressourcengeber für die Entwicklung des globalen Christentums entwickelt.  

Pionierarbeit unter den Unerreichten ist gefragt: Aktuell gibt es zu wenig Missionarinnen und Missionare in den „heißen Regionen“. In den 69 Ländern mit den wenigsten Christen, dem größten Bedarf (d.h. 95 - 97 % der unerreichten Ethnien, Armut etc.) arbeiten nur ca. 10 % der Missionarinnen und Missionare. Die Gründe für das unterbelichtete Engagement sind aus meiner Sicht u.a. folgende:
  • viele Regionen mit creative access (60% der Regionen für klassische Missionarinnen und Missionare nicht zugänglich, unsichere Gebiete in Nordafrika und Asien), 
  • westliches Sicherheitsbedürfnis, so dass unter den in Krisengebieten lebenden unerreichten Menschen mehrheitlich Afrikaner, Lateinamerikaner und Asiaten missionarisch tätig sind

Die Fragestellungen verändern sich. CAPRO in Nigeria legt fest: Wir wollen unter vom Evangelium unerreichten Menschen arbeiten. Wer macht mit? Wer ist bereit, sich senden zu lassen, Gemeinden zu schulen und gemeinsam mit lokalen Partnern eine Pionierarbeit zu starten?
Westliche Missionsgesellschaften tendieren dazu zu fragen: Hallo junge Leute, wie stellt ihr euch euren Beitrag in der Weltmission vor? Wie müssen wir als Organisation sein, damit du ein Teil von uns wirst? Man schwankt zwischen Bedürfnisorientierung seitens der internationalen Partner und dem professionnellen Horizont (Berufsbilder) der potentiellen Interessenten und ihrer "Berufungsempfindung". Man schaut sich die Ausbildungsrichtungen von Shortys an und baut darauf eine Sendungsstrategie auf. Wenn wir unsere klassischen langjährigen Partner, also Kirchen, nach Bedarfen befragen, dann werden wir vorwiegend Vorschläge hören, die den bestehenden Horizont und das eigene Standing stärken. Es gibt wohl Partner, die Missionsgesellschaften darum bitten, z.B. Fachleute für Tourismus oder Manager für Start-Ups zu entsenden. Welche Absichten stecken hinter solchen Anfragen? Geht es hier um wirtschaftliche Aspekte? Inwiefern tragen Berufsbilder wie oben genannt zum "ganzheitllichen Bau des Reiches Gottes" bei? Als ich vor ein paar Jahren die Pastoren unserer Partnerkirche in Mali fragte, wie ihre Pläne für die missionarische Arbeit aussehen und wo sie Zusammenarbeit wünschen, da antworteten sie: Il faut nous chercher des projets. (Suche nach Projektgeldern zur Finanzierung kircheninterner Vorhaben, konkret für den Kauf von Grundstücken und den Bau von Gebäuden). Es ist eine der Rollen,  die malische Kollegen gerne an Missionare verteilen. Nun bin ich kein Projektmanager und lasse mich ungern auf die Rolle des Fundraisers festnageln. Wenn die Kollegen damals gesagt hätten, wir wollen mehr Gemeinden gründen, wir suchen 10 Kandidaten. Hilf uns, Teams zu bilden und sie auszubilden und versuche Partner zu finden, die die Gründungsphasen mitfinanzieren, da wäre ich dabei gewesen. 

Meine Meinung: Als wahre Partner, die sich durch lange Zusammenarbeit Vertrauen und Respekt erworben haben, dürfen wir nicht nur auf Wünsche eingehen, sondern sind in der Verantwortung, auf die "leeren Räume" aufmerksam zu machen, die pioniermissionarischen Elan erfordern. Wir lernen miteinander und arbeiten daran, das transparent mitzuteilen, was wir denken. Missionare und Missionsgesellschaften sind in den Einsatzländern Bauhelfer, Hebammen, Gastarbeiter mit ein paar guten Ideen. Wir helfen in den kritischen Phasen des Aufbaus und der Stabilisierung. Danach lassen wir dem Leben freien Lauf und konzentrieren uns im Rahmen partnerschaftlicher Kooperationen auf neue Herausforderungen. Der angemessene Rückzug gilt für Arbeiten im In- und Ausland. Partnerschaften zwischen Kirchen und Missionsgesellschaften sind auf Zeit angelegt und kein Selbstzweck, sondern dienen vorwiegend dazu, das nichtchristliche Umfeld der Kirchen mit einem ganzheitlichen Ansatz zu erreichen und die missionale Ausrichtung durch Multiplikation und gezielte Maßnahmen zu fördern. Wenn Partner dann zusammenbleiben und ökumenische Netzwerke gestalten und Kirchen auf die Idee kommen, selber grenzüberschreitende Mission anzustoßen, dann wäre das großartig. CAPRO setzt hier glaubwürdige Zeichen.

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