Mission - aus der Zeit gefallen | 6. Die kritischen Gegenargumente

 

Teil 6: Mission - die kritischen Gegenargumente

Wie lauten die Argumente derer, die die Begriffe Mission und Missionar abschaffen oder ersetzen wollen?

1. Die Begriffe finden sich nicht in der Bibel und sollten von daher auch nicht gebraucht werden.
Das scheinbar auf der Hand liegende Argument kann leicht entschärft werden. Abgesehen von dem Begriff „Mission“, halten wir selbstverständlich an Begriffen fest, die sich wörtlich nicht in der Bibel wiederfinden und trotzdem eine biblische Relevanz haben. Dreieinigkeit (Trinität) wäre ein Beispiel. Der Begriff wurde theologiegeschichtlich geprägt und entstammt einer eher philosophisch spekulativen Blase. Wir halten an ihm fest und benutzen ihn "sehr sparsam", auch wenn er z.B. im islamischen Milieu als sehr problematisch angesehen und missverstanden wird. An ihm wurde dennoch festgehalten, weil sich die göttlichen Personen als Vater, Sohn und Geist in biblischen Texten wiederfinden und sich in der kirchlichen Praxis trinitarische Formeln bei Taufen und Eucharistiefeiern etabliert hatten. Das theologische Konzept der Trinität ist also biblisch; der Begriff ist es nicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff "Pastor". Es ist die lateinisierte Form des biblischen Hirten, der sich als Seelsorger um die Herde (Gemeinde) kümmert. 
Genauso verhält es sich mit dem Konzept der Mission. "Missio" als Substantiv bzw. das Verb "mittere" sind lateinische Begriffe. Da die Bibel in der hebräischen und griechischen Sprache verfasst ist, kann der Begriff in den biblischen Handschriften gar nicht vorkommen. Erst ab dem 4. Jahrhundert tauchte die verbale Form des Begriffs in den lateinischen Bibelübersetzungen auf. Die verschiedenen lateinischen Handschriften von Teiltexten wurden von Hieronymus gesammelt, revidiert und komplettiert. So entstand, ganz unabhängig und noch lange vor den Kreuzzügen und dem kolonialistischen Zeitalter, eine komplette Übersetzung des AT und NT in lateinischer Sprache, die ab dem 8./9. Jahrhundert Vulgata (dt. volkstümlich) genannt wurde. Es war bis in die Zeit der Reformation die dominierende Bibelübersetzung in Europa.
Die hebräischen und griechischen Verben wie „senden, entsenden“, wurden in der o.g. Vulgata im Lateinischen wortgetreu mit "mittere" wiedergegeben. Natürlich hat sich das Verständnis von Mission im Laufe der Theologie- und Missionsgeschichte verändert, die Begrifflichkeit jedoch ist biblisch verortet und damit relevant.

Beispiele:

Verwendung als Verb:
Joh 20,21: Sicut misit me Pater, et ego mitto vos (so wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch)
Es handelt sich  hier um eine für die Missionsbewegung zentrale Bibelstelle, wo die von Gott ausgehende und Menschen involvierende Sendung explizit angesprochen wird. Wer wollte hier behaupten, dass "Mission" als Konzept und Aktion in der Bibel nicht vorkommt?
Apg 13,4 : Et ipsi quidem missi a Spiritu sancto (Nachdem sie nun ausgesandt waren vom Heiligen Geist…)
Verwendung als Substantiv:
Das Amt des Apostels (Apostolat) hingegen wurde nicht mit Missionar (lat. missionarius), sondern mit apostolatus/apostolus/ apostolis übersetzt. Hier blieb man der griechischen Wortwurzel treu. Z.B.: Apg 1,25: Tu Domine, qui corda nosti omnium, ostende, quem elegeris ex his duobus unum. Accipere locum ministerii hujus, et apostolatus (Du, o Herr! der du die Herzen aller kennst, zeige an, welchen von diesen beiden du erwählet hast, die Stelle dieses Dienstes und Apostelamtes zu empfangen,…) ; Apg 1,26: et cecidit sors super Mathiam, et annumeratus est cum undecim Apostolis (…und es fiel das Los auf Matthias, und er ward den elf Aposteln beigezählt.) Jesus hat mit der "Sendung seiner Jünger in die Mission" sicherlich nicht das gleiche gemeint, wie das was als globales Konzept im 16. Jahrhundert daraus geworden ist. Doch das Phäomen der teilnehmenden Sendung an einer göttlichen bzw. kirchlichen Bewegung bliebt das gleiche.

Viel wichtiger als die biblizistische Begründung der Mission, ist der Geist des biblischen Narrativs. Von der Schöpfung bis zur Vollendung atmet die Bibel den Geist der Sendung, des Hinausgehens, der dynamischen Veränderung, der ganzheitlichen Wirkung, des hinauskatapultierten Gotteswortes. Wir benötigen gar nicht den Begriff "Mission" um missionarisch zu werden. Weil wir von Gottes heilvoller Bewegung und dem Evangelium begeistert sind, deshalb werden wir missionarisch. Wir benötigen jedoch den Begriff, um zu beschreiben, was uns motiviert und was wir tun. "Mission" liegt in der Sache selbst, in Gott selbst und in seiner Offenbarung und in seinem Wort. Hans-Werner Gensichen, Missionstheologe, schrieb: "Schriftgründe für die Mission müssen nicht mehr mühsam aus einzelnen biblischen Belegstellen oder Präzedenzfällen zusammengesucht werden, weil die Schriften des Neuen Testaments als solche bereits als missionarisches Zeugnis entstanden sind". Die in die Sendung eingebettete Verkündigung des Evangeliums ist vom Evangelium selbst nicht zu trennen. Wer Evangelium sagt und versteht, der wird automatisch auf Sendung eingestellt sein. Das Konzept, die Idee der Mission ist intrinsisch im Evangelium präsent. Das Evangelium öffnet Augen und macht Beine.

2. Die Begriffe gehören einer christlichen Blase an und werden von Außenstehenden nicht verstanden.
Dieses Argument atmet die legitime Suche nach Relevanz und Verständlichkeit im gesellschaftlichen Diskurs. Thomas Schech, Leiter der Allianz Mission,  konstatiert: „Der Begriff selbst – also Mission – ist nicht mehr hilfreich, um das Anliegen zu transportieren, das wir in unserer christlichen Blase mit dem Begriff positiv verbinden.“ Und weiter: „Missionar als Berufsbezeichnung wird bald der Vergangenheit angehören“.
Die Feststellung, dass die Terminologie „nicht mehr hilfreich“ sei, weil sie nur noch in „der christlichen Blase“ positiv besetzt ist, stimmt so nicht. In vielen kirchlichen Kreisen, also innerhalb der Blase, werden sowohl Begriff als auch Konzept der Mission längst kritisch und als überholt betrachtet.
Der Begriff Mission wird jedoch auch außerhalb der „christlichen Blase“ weiterhin verwendet, im anglophonen Raum mehr als im germanophonen. Der einzige Unterschied: er wird dort anders gefüllt. Die Leiterin der Antarktisexpedition z.B. wird offiziell als Missionsleiterin tituliert. Wieso sollte der Begriff unter Christen eliminiert werden? Besteht nicht eher die Notwendigkeit einer nachvollziehbaren zeitgemäßen Erklärung des Begriffs?
Organisationen, auch christliche, benutzen heute ganz selbstverständlich den Fachjargon des modernen Managements. Auch hier kann nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass die benutzten Anglizismen wie coach, missionstatement, consultant, change-agent usw. verstanden und positiv besetzt werden. Ein wenig Fachjargon ist in jeder Branche üblich, und wir setzen selbstverständlich voraus, dass sich ein Außenstehender kundig macht und seinen „Bildungsgrad“ und Horizont erweitert. Zeitgenossen, die ehrlich interessiert sind, werden feststellen, dass die Begriffe „Mission“ und „Missionar“ einen Wandel erfahren haben und sich einer einseitigen Klischeebildung entziehen. Der Verzicht auf den Begriff "Mission" ist in meinen Augen auch ein Armutszeugnis, ein Zeichen der Ohnmacht, weil es an Kreativität fehlt, den Begriff selbstbewusst zu nutzen und zu erklären. 

3. Die Begriffe sind veraltet und sollten im Rahmen einer Neugestaltung der corporate identity durch moderne Begrifflichkeiten ersetzt werden.
Dieses Argument betrifft weniger die Ebene der theologischen Reflexion, sondern bezieht sich auf die Außenwirkung, auf das Image. Es scheinen immer noch Bilder in den Köpfen umherzukreisen, wo gutgekleidete und mit Tropenhelmen ausgestattete Missionare sich von verarmten Einheimischen, besonders Afrikanern, durch die Gegend tragen lassen und ihren Schützlingen Befehle erteilen. Dass solche Bilder immer noch das Missionsverständnis vieler Zeitgenossen prägt, das ist nicht den aktuell aktiven Missionaren, sondern mangelnder Bildungsbereitschaft zuzuschreiben. Wer "der Mission" einen negativen Beigeschmack verleihen möchte, der wird dazu genügend Beispiele finden. Es ginge aber auch anders - vorausgesetzt, man will es.  

a. „Der Begriff Mission hat seine Bedeutung nachhaltig verloren“, behauptet Hauke Burgarth. Der Begriff sei „fast zum Unwort“ geworden. Diese Feststellung mag für manche Kreise zutreffen. Unter reflektierenden „Missionarinnen und Missionaren“ und unter Theologen im globalen Kontext ist der Begriff „Mission“ nach wie vor höchst aktuell und relevant. Auch Michael Weinmann (Senfkorn-Initiative, Gotha) betont: "Mission ist ein schwieriges und auch verbranntes Wort". Da ist was dran, und man ahnt, was er meint. Trotzdem streicht er den Begriff nicht aus seinem Vokabular, denn er und seine Kolleginnen und Kollegen verstehen sich als ein "Teil der Mission Gottes". Das Bewusstsein, Teil der Mission Gottes zu sein, ist das beste, was Christinnen und Christen passieren kann, ob wir uns nun Missionare, interkulturelle Mitarbeiterinnen o.a. nennen. Mission ist nicht in erster Linie ein "Missionsprogramm". Das schwierig gewordene Wort Mission müssen wir erklären. Wir verstehen Mission heute als missionales Leben, als Konvivenz, also als einen Lebensstil, der mit anderen im Kontext gelebt wird. Wir tun nicht etwas für die Leute, indem wir sie einladen, um unseren attraktiven Programmen beizuwohnen, sondern wir tun etwas mit ihnen und gehen zu ihnen, ins Stadtviertel, zu den Nachbarn, zu den Fußball spielenden Jugendlichen .... Mission ist Gottesdienst in der Welt und Dienst am Menschen. Dieses Verständnis hat sich unter Insidern schon seit einigen Jahren etabliert. 

Es ist m.E. eine Pseudoscham, wenn man betont, Mission sei nicht so zu verstehen, dass "wir über etwas verfügen, was wir den anderen bringen müssten, weil es denen fehlt". Ich verstehe solche Aussagen in ihrer Pauschalität nicht. Natürlich können wir uns Missionierung sparen, indem wir Menschen unsere (weiße, westliche) Sicht der Dinge, und zivilisatorischen Erkenntnisse über Bildung, Wirtschaft und Politik anpreisen. Natürlich "verfügen" Christen auch nicht über das Evangelium in dem Sinne, dass sie es voll und ganz wie ein Meister durchschaut hätten, aber sie kennen die entscheidenden Inhalte und die Leben verändernde Kraft des Evangeliums und damit eine Botschaft, die andere nicht kennen. Und wer das Evangelium nicht kennt, dem fehlt was. Was sonst!? Gott gebraucht uns Menschen, unsere menschlichen Worte und unser ganzes Leben, geprägt von Zwiespältigkeit und Zerbrechlichkeit, um die Botschaft des Evangeliums zu transportieren und weiterzugeben und zwar nicht vom hohen Ross, sondern wie "ein Bettler, der dem andern zeigt, wo es was zu essen gibt". Das ist die Art von Missionierung,  die wir benötigen. Dafür muss man kein "Profi" sein, so wird unterstrichen, was auch immer damit gemeint sein mag. Spätestens in fremdkulturellen Kontexten und von Vulnerabilität gekennzeichneten Situationen merken wir, dass wir uns von "elitärem Profigehabe nichts kaufen können", von unten anfangen müssen und neu zu Lernenden werden. Andererseits ist es auf jeden Fall ein Vorteil, auf irgendeinem Gebiet "Profi" zu sein, etwas zu wissen, Erfahrungen oder methodisches Werkzeug mitzubringen. 

Mission ist beides, eine Aufgabe, die Gott uns anvertraut hat und ein Weg, der es ermöglicht, Menschen die Gabe des befreienden Evangeliums und uns selbst als Menschen zu verschenken. Paulus zieht nicht nur durch die Lande, um "missionarisch präsent zu sein", sondern er will Menschen für das Evangelium "gewinnen". Dafür lebt er, anspruchsvoll und zielorientiert, dafür nimmt er Strapazen in Kauf. Wenn wir das im westlichen Kontext nicht mehr zugeben können oder wollen, dann ist das ein Verlust. In anderen Teilen der Welt hat man keine Probleme damit. Obwohl Mission im europäischen Kontext, sowohl von ihrer Begründung als auch in ihrer praktischen Anwendung, umstritten ist, müssen wir erstens daran erinnern, dass dies nicht in allen globalen Kontexten der Fall ist und zweitens, dass Mission nach wie vor eine biblische Grundlage hat und beides beinhaltet: göttlicherseits ein Auftrag und eine Aufgabe (task), die er Menschen anvertraut und menschlicherseits eine im Kontext überreichte und vorgelebte Gabe an Menschen (gift), die Christus nicht kennen. Mission ist Doxologie im gesellschaftlichen Zusammenleben. Wir spiegeln den Glanz Gottes wider (H. Wrogemann, 2009) oder "wir feiern Gott in der Welt" (J. Reimer, 2010). Missionarische Christen fungieren als Priester. Priester stehen für die Menschen vor Gott und vor Gott für die Menschen (S. Paas, 2019. Pilgrims and Priests). Paas betont: "Der Mensch ist von Grund auf ein Beziehungswesen, und zwar in einem solchen Maße, dass auch die Menschen, mit denen ein Christ eng verbunden ist, von der Bindung des Christen an Christus "profitieren". Gott gießt sein Heil nicht in isolierte Röhren, sondern in Netzwerke und Beziehungen, und zwar reichlich [...]. Und das bedeutet, dass Gott unsere Beziehungen liebt." (ebd. 215). Die Aufgabe des Missionars besteht also vodringlich darin, sich als Mensch in bestehende gesellschaftliche Netzwerke zu begeben, in ihnen zu leben und so dem Evangelium zu einer natürlichen Ausstrahlung zu verhelfen. Das trifft sowohl auf säkularisierte und postchristliche Gesellschaften in Europa zu, als auch auf die Minderheitensituation von Christen im islamischen Kontext Afrikas oder Asiens. Die missionale Gesinnung ist elementar, denn sie erinnert daran, wie es gelingen kann, "Salz in der Suppe der Welt" zu sein - wenige Körner, die den Unterschied machen. Wir müssen nicht viele sein, um große Wirkung zu erzielen. Wir sind in die "ganze Welt" ausgesandt, doch uns ist nicht verheißen, dass wir die ganze Welt für die Sache Gottes "erobern" werden. Bescheidene Aussichten, Vulnerabilität, Minderheitenstatus, Marginalisierung und Machtlosigkeit sind keine Schande und kein Hindernis. Der Paradigmenwechsel weg von einer Postion der Stärke und Macht hin zu einer Position von Machtlosigkeit und Schwäche erfordert um so mehr ein missionales Bewusstsein, das an Gottes Mission und seine Absichten mit der Welt andockt. Je stärker uns in manchen Situationen die scheinbare Aussichtslosigkeit des missionarischen Unterwegssein vor Augen steht, um so stärker wird uns die Größe der Kulturen, geographische Räume und Zeiten durchdringenden Mission Gottes bewusst.

Mission darf m.E. als Begriff weiter genutzt werden. Er muss nur den aktuellen Überzeugungen entsprechend und verständlich gefüllt werden, damit aus dem verbrannten Wort wieder eine relevante Bedeutung wird. Und - Mission muss in ihrer Anwendung dem Geist des Evangeliums entsprechen. Mission ist kein Überfallskommando, sondern ein Weg, den wir mit Menschen gehen. Mission, verstanden als Teilen der Botschaft vom umfassenden Leben in Christus, diese Bedeutung wird nie ihre Relevanz verlieren. Auf internationalen Konferenzen werden Begriffe wie „missio Dei“ und „Weltmission“ ganz selbstverständlich und ohne koloniale Unterstellungen verwendet. Neue Begriffe wie „integrale Mission“ oder „transforming mission“ wurden von afrikanischen und lateinamerikanischen Theologen mit voller Überzeugung und ganz ohne Scham eingeführt und gehören heute zum allgemeinen Sprachgebrauch derer, die sich für Weltmission interessieren. Die „missionale Theologie“ entstand im Bewusstsein, dass Mission ein unaufgebbarer Bestandteil der göttlichen und kirchlichen Natur ist. Wir sprechen von urban mission, um den Trend der wachsenden megacities theologisch zu begleiten.
Begriff und Konzept der „Mission“ sind nachhaltiger und relevanter als manch Kritiker es sich vorstellen mag. 

b. Viele „Missionsgesellschaften“ tragen das Wort Mission nicht bzw. nicht mehr in ihrem Namen. 

Sie haben es gestrichen und durch andere Begriffe oder Slogans ersetzt.
Beispiele: Die altehrwürdige Gospel Missionary Union in Kansas, die erste in Mali tätige Missionsgesellschaft, nennt sich heute Avant Ministries, während die Christian&Missionary Alliance ihren Namen beibehalten hat.
Andere Beispiele aus der AEM : Pioneers und Frontiers, ReachAcross, Sahel Life, DIGUNA – Die Gute Nachricht für Afrika, Kreuz des Südens, Licht im Osten, Movida (Leben bewegen) - alle sind Missionsgesellschaften,  obwohl sie den Begriff Mission nicht mehr in ihrem Namen tragen. Aus der Deutschen Missionsgesellschaft (DMG) wird DMG interpersonal (d.h. Damit Menschen Gott begegnen). Die Chrischona Pilgermission lässt verlautbaren, dass das „Sprachgefühl“ und die Wahrnehmungen sich verändert haben und keiner mehr weiß, was denn eigentlich die „Pilgermissionare“ tun würden. Deshalb die Namensänderung in Chrischona International. Jesus erleben. Menschen fördern. Dem Nächsten dienen.“  

c. Andere Missionsgesellschaften aus dem deutschen Kontext behalten den Begriff "Mission" bei. 

Die Rhei­ni­sche Mis­si­on begann 1829 ihre Arbeit in Süd-Westafrika. Ihre Geschichte ist geprägt von vorkolonialen, kolonialen und postkolonialen Erfahrungen in all ihren Facetten. Im Jahr 1971 fusionierte die Rheinische Mission mit der Be­thel-Mis­si­on und nennt sich seit 1996 Ver­ein­te Evan­ge­li­sche Mis­si­on (VEM). Ihr gehören heu­te u.a. 15 Kir­chen in Afri­ka, 17 in Asi­en und sechs in Deutsch­land an. Im Untertitel trägt die VEM den Namen United in Mission. 33 der Mitglieder der VEM behalten den Begriff "Mission" in ihrer Namensgebung bei. Missionshistoriker der VEM halten bewusst am Begriff "Mission" fest, weil so Positives und Negatives aus geschichtlicher Perspektive glaubhaft und angemessen aufgearbeitet werden kann. "Mission als Begriff aufzugeben hieße, die historische (und zukünftige) Identität zu verlieren", so der O-Ton der Leiterin des Missionsarchivs, wo sie täglich Dokumente und Artefakte in der Hand hält, die auch von den dunklen Seiten der Missionsgeschichte Zeugnis ablegen. Die Mitgliedskirchen in Indonesien und Namibia halten ebenso daran fest, Teil der weltweiten Mission zu sein und beziehen sich dabei bewusst auf die historischen Wurzeln, trotz aller kolonialen Schattenseiten. Mission wird heute anders gelebt. Kirchen und Missionsgesellschaften gehören einer Organisation an. Union d.h. ökumenische Einheit und gemeinsame Aktionen werden umgesetzt. Der gemeinsame Haushalt wird von allen Mitgliedern, je nach Leistungsfähigkeit, bestückt. Man entscheidet gemeinsam, wo Gelder investiert werden. Regional organisierte Seminare sorgen dafür, dass man weltweit miteinander lernt. Die Leitungsfunktionen werden international besetzt. United in Mission ist eine Dimension, die über Imagepflege, Begriffllichkeiten und klassische Partnerschaftsmodelle hinausgeht. Leiter der kirchlichen Partner aus Afrika und Asien in das Exekutivkomitee zu integrieren, das ist wahrer Kulturwandel. Man ist über die Jahre zusammengeblieben, und Mission ist immer noch des Erwähnens wert. Das ganzheitliche Missionsverständnis umfasst Evangelisation, Entwicklung, Interessensvertretung und Einsatz für Schöpfung und Gerechtigkeit (advocacy), Diakonie und Partnerschaft. Die deutschen Mitarbeiter von VEM nennen sich nicht Missionare. Dies ist konsequent, da die VEM sich nicht mehr als klassische Entsendeorganisation versteht, sondern als Ermöglicherin ökumenischen Austauschs, des Lernens und zur Erreichung missionarischer Ziele (GLEP = Global Learning in Ecumenical Perspectives). Die Mitarbeiter aus dem Süden und Osten nennen sich ganz selbstverständlich missionaries. Das Beispiel zeigt, dass Begriffe nur die halbe Miete sind und dass es auf das glaubwürdige, partnerschaftliche Verhalten ankommt, basierend auf ehrlicher Vergangenheitsbewältigung und einem verstärkten, gemeinsam modifizierten Missionsverständnis.  

Die Kontaktmission versteht sich als eine weltweit vernetzte Missionsbewegung. Sie gehört mit fast 400 Mitarbeitenden aus 41 Nationen, die in 56 Ländern tätig sind, zu den mittlerweile stärksten Missionsgesellschaften in Europa. Die meisten von ihnen verstehen sich bewusst als "Missionarin/ Missionar" nennen sich aber Mitarbeiter. Mit "Mission" im Namen auch die jüngere Generation für die Arbeit im interkulturellen Kontext begeistern? Es geht, auch deshalb weil den Verantwortlichen im Gespräch mit den jungen KandidatInnen die Werte (score values) wichtiger sind als die Auseinandersetzung mit dem Begriff "Mission", so die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit. 

Die 1899 gegründete Liebenzeller Mission mit ihren 250 Missionarinnen und Missionaren trägt ihren Namen weiterhin, obwohl der im Jahre 2015 aufgedeckte antisemitische und nationalsozialistische Schatten über dem Werk großes Entsetzen und tiefe Scham ausgelöst hat. Eine umfangreiche Studie wurde angefertigt und zugänglich gemacht. Es kam zu keiner Namensänderung, sondern zu einer sachlich kritischen Aufarbeitung der eigenen Historie und zu einem Schuldeingeständnis. Die Schiffseigner haben den Namen des Frachters nicht übertüncht und ihn in ruhige Fahrwasser gelenkt, sondern haben sich dem Sturm und den Wellen gestellt. Als Zusatz haben die Liebenzeller den Slogan gewählt "Mit Gott von Mensch zu Mensch" und diesen mit Werten unterlegt. Hier klingt die von Gott ausgehende Legitimation der Mission ebenso mit, wie die individuelle strategische Ausrichtung. 

Auch in der Allianz-Mission hat es "braune Gesellen" gegeben, die Hitler für einen auserwählten Führer hielten und sich dem Zeitgeist des Nationalsozialismus gebeugt haben. Dazu gehörten Otto Weber, Paul Sprenger und Kurt Zimmermann, ehemalige Funktionsträger innerhalb der Allianz-Mission, die als politische Gesinnungsgenossen und Befürworter der Deutschen Christen aktiv wurden. Die Aufarbeitung ist längst erfolgt. Leider finden sich von dem von Otto Weber verfassten "mutigen Schuldbekenntnis" keine Spuren mehr in den Archiven der Allianz-Mission.
Die Allianz-Mission behält bis heute ihren Namen bei und fügt zusätzliche Slogans hinzu, wie z.B. die Allianz Mission – "Menschen bewegen. Welt verändern". Hier wird etwas deutlich von der missionarisch apostolischen Dynamik, die dem Konzept der Mission innewohnt. Junge Interessenten werden bei diesem Slogan aufmerksam und fühlen sich eher angesprochen als bei einem Slogan der historisch belastet ist oder zu theologisch klingt. Trotzdem bleibt die Notwendigkeit, sich erklären zu müssen, bestehen. Es bleibt z.B. die Frage nach dem Subjekt. Das corporate design suggeriert, dass es die Missionsgesellschaft und "ihre Missionarinnen und Missionare" sind, die Menschen bewegen und Welt verändern, obwohl davon auszugehen ist, dass die göttliche Initiative hier mitgedacht ist. Der veraltete Slogan „Christus für die Welt“ klang weniger dynamisch und für moderne Ohren weniger griffig, hatte dafür aber mehr theologische Tiefe. Die Allianz-Mission versteht sich als Werk innerhalb des Bundes Freier ev. Gemeinden. Letztere arbeiten mit dem auch modern klingenden Slogan "Bewegt von Gottes Liebe, bauen wir lebendige Gemeinden". Hier werden die von Gott ausgehende Bewegung und die eindeutige strategische Zielsetzung explizit zum Ausdruck gebracht.

Durch die erwähnten begriffstechnischen Maßnahmen entgeht man zunächst der scharfen Kritik, weil man sich weniger offensiv präsentiert und die trotzdem vorhandene missionarische Absicht ein wenig „kaschiert“. Es wird Außenstehenden deutlicher, was die Organisation beabsichtigt, so hofft man: Gute Nachricht verbreiten, Gottesbegegnung ermöglichen, Bildung fördern, Gemeinden gründen, Pionierarbeit leisten, Welt verändern usw.. Kirchen und deren „Außenmitarbeiter“ wollen nach wie vor missionarisch sein, es aber nicht mehr sagen!?

d. Die Berufsbezeichnung „Missionar“ gehöre abgeschafft, weil die Welt keine „weißen Retter“ mehr braucht. Richtig. Diesem „kolonialen Missverständnis“ kann m.E. jedoch nicht dadurch entgangen werden, dass man den Begriff nicht mehr benutzt. Im Zuge der revers mission movement wurde die Richtung der Missionsbewegung verändert. Plötzlich sehen es afrikanische Missionare aus Nigeria und Ghana als ihre mission (Auftrag) an, in den Westen zu ziehen, um "das Christentum im Vereinigten Königreich wieder einzuführen" (Leslie Fesnmeyer, 2014). Würden die Kritiker diese Missionare als "schwarze Retter" bezeichnen? Ähnliches ließe sich von Koreanern berichten, die in den USA missionarisch tätig sind.
Lehrer und Ärzte, die sagen, sie seien „nur“ Lehrer und Ärzte, sich aber in Wirklichkeit als Weltveränderer, Weltbeweger, Menschenbeweger, Überbringer von Guter Nachricht oder als Agenten des Reiches Gottes verstehen, werden ein Identitätsproblem bekommen. Früher oder später wird man es an ihren Nasenspitzen und in ihren Augen ablesen, dass sie nicht nur professionell, sondern auch ideologisch unterwegs sind. Kritischen Zeitgenossen und den Partnern in Asien und Afrika ist es ein leichtes, zu erkennen, dass hier lediglich der alte Wein in neue Flaschen mit einem bunteren Etikett umgefüllt wurde. Wenn eine Familie z.B. bei den Frontiers „an die Front geschickt“ wird, dann lässt sich dadurch nicht vermeiden, dass Kritiker darin einen längst veralteten Aufruf zum unnötigen Risiko und zur Konfrontation mit nichtchristlichen Kulturen ablesen. Wenn von „Weltveränderern“ gesprochen wird, dann klingt das sehr schnell nach Welt verbessern, nach Überlegenheit und Anmaßung, auch wenn es sich bei diesen Begriffen möglicherweise um Headliner oder der Kommunikation dienende Marken und Formate handelt. Wenn "Missionsgesellschaften" zu begrifflich abgerüsteten, dekolonialisierten "Agenturen der Weltverbesserung" werden, dann mag das postmodern klingen, doch den Kritikern, die uns ans Leder wollen, kann man auf diese Weise nicht entgehen. Der Begriff „Missionar“ müsste abgeschafft werden, so die Stimmen, weil er nicht nur veraltet ist, sondern ein einengendes Selbstverständnis der Menschen vermittelt, die weltweit im Auftrag Gottes unterwegs sind. Hier wird Beruf mit Berufung verwechselt. Abgesehen davon, dass sich die missionsrelevanten Berufe und Betätigungsfelder vervielfacht haben und Missionare schon immer mehr waren als "Wortverkündiger und Gemeindegründer", stellt sich die Frage: Welcher Horizont ist weiter, der eines Menschen, der sagt, ich arbeite als Lehrer an einer Schule in Bangladesch, oder der Horizont eines Menschen, der sagt, ich bin Missionarin bzw. Missionar und beteiligt an der globalen Mission Gottes?
Fazit: Begriffsmodellierungen sind kein Garant dafür, besser verstanden und als nunmehr toleranter angesehen zu werden. 

e. In universitären Kreisen wurde auch der Begriff "Missionswissenschaft" kritisch begutachtet. Alternativen wie "Apostolatstheologie (Hoekendijk) oder "Interkulturelle Theologie" wurden bedacht und teilweise eingeführt. Die Rückbesinnung auf die Tätigkeit der Apostel trug dazu bei, die missionarische Sendung der Kirche neu ins Bewusstsein zu rücken. ÖRK (1965): "Wir werden nicht verstehen, was die Apostel gelehrt haben, ehe wir nicht tun, was die Apostel zu tun beauftragt waren auch taten."  Die Lehre wird so eingebettet in die Sendung (Matth 28,19-20: Jünger machen indem ihr geht, lehrt und tauft). Viele Lehrstühle tragen heute den Namen "Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie". Andere reden von "Ökumenik und Religionswissenschaft". Fächer wie Religionswissenschaft, Globales Christentum, Ökumenik, Interkulturelle Theologie sind  mehr als Supplemente der Missionswissenschaft. Sie verdienen eine eigenständige Beachtung im akademischen Kanon. Der 2016 verstorbene Schweizer Theologie Walter J. Hollenweger schuf 1979 den Begriff "Interkulturelle Theologie". Sein Ziel war es, die "religiösen Erfahrungen von christlichen Gemeinden aus aller Welt und aus unterschiedlichen Konfessionen mit den Erkenntnissen der modernen Universitätstheologie" zu verbinden. Diese auf partizipativer Didaktik basierende Vorgehensweise ist wesentlich für den multiperspektivischen Ansatz. So wie man Kirchengeschichte nicht durch Theologiegeschichte ersetzen kann, so kann auch die Missionsgeschichte nicht durch Interkulturelle Theologiegeschichte ersetzt wohl aber ergänzt werden. Die von Daniel Coulibaly, dem ehemaligen Vorsitzenden der Ev. Allianz in Mali, verfasste "Histoire de l'Eglise du Mali" (dt. Geschichte der Kirche von Mali) (2007) ist nur zu einem geringen Teil "Kirchengeschichte". In Wirklichkeit wird hier die Geschichte der Missionsbewegung in Mali geschildert, die von westlichen Missionaren und malischen Evangelisten gemeinsam gestaltet wurde und die schließlich zur Gründung evangelischer Gemeinden geführt hat. Die Beibehaltung des Begriffs "Missionstheologie" innerhalb des Fachbereichs "Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie" macht Sinn, weil hier die theologische Begründung der Mission an sich im Mittelpunkt steht, die jedoch im interkulturellen Kontext bedacht werden muss. 

Die Disziplin der "Interkulturellen Theologie" ist sinnvoll, weil sie ein Beitrag zur Gleichberechtigung, Vielfalt und gegenseitigen Bereicherung ist. Interkulturelle Theologie eröffnet einen neuen Denkhorizont. Sie macht deutlich, dass jede Theologie kontextualisierte Theologie ist, die der Ergänzung, dh. der multiperspektivischen Sichtweise bedarf. Die westliche Theologie, trotz ihrer langen Tradition, ist keine suprakulturelle Theologie, sondern nur eine kulturell gefärbte Theologie unter vielen. 

Hans-Werner Gensichen teilt der Missionswissenschaft folgende Aufgaben zu: Missionswissenschaft soll die missionarische Dimension des Glaubens wach halten. Sie soll die anderen theologischen Disziplinen ermutigen, ihre Konzepte von der missio Dei aus zu entwickeln. Missionswissenschaft ist auf die anderen theologischen Disziplinen (exegetische, historische, systhematische u.a.) angewiesen und bedient sich ihrer. Sie beleuchtet und begleitet kritisch die operationale Weite der Mission (Geschichte, Praxis, entwicklungspolitische Weltverantwortung, interreligiöser Dialog, Kontextualisierung und Entstehung interkultureller Theologien). - Meine Kollegen an der FATMES in Mali benutzen den Begriff "Missiologie" ganz selbstverständlich, wenn sie an Instituten missionsrelevante Fächer unterrichten. Die Meidung des Begriffs "Mission" im akademischen Kontext trägt m.E. dazu bei, dass das Bewusstsein für den wesentlichen Stellenwert der Mission im Curriculum verlorengeht. 

Es macht keinen Sinn, "Missionsgeschichte" umzubenennen. Es ist eine Frage der Verantwortung: Die Missionsgeschichte wurde in der Moderne von Missionarinnen und Missionaren mitgestaltet, die vom jeweiligen Zeitgeist geprägt in die Welt gezogen sind und "Geschichten gemacht" haben. Es gilt, sich dieser Geschichte zu stellen. - Es gibt inzwischen Geschichten des globalen Christentums, wo die besonderen Entwicklungen regionaler Christentümer beleuchtet wird. Diese Entwicklungen sind aber in den meisten Fällen direkte oder indirekte Auswirkungen missionarischer Tätigkeit. Auch hier gilt "Mission ist die Mutter der Theologie" (Martin Kähler, David J. Bosch). Geschichte der Mission beleuchtet die ambivalente Bewegung, die in fremde Kulturen eindringt mit der Absicht, Evangelium zu verkündigen und Gesellschaften zu verändern. Zu dieser Ambivalenz müssen wir stehen und sie methodisch im Sinne einer multiperspektivischen Betrachtungsweise öffnen. D.h. wir lassen afrikanische Historiker die Missionsgeschichte ihres eigenen Kontinents aber auch die Christianisierung Europas beleuchten und einen Asiaten die Geschichte christlicher Mission in Afrika usw. 

  • Interkulturelle Theologie ist mehr als die Addition globaler Theologien. Sie bezeichnet vielmehr einen methodischen Paradigmenwechsel, ein neues Bewusstsein des Theologisierens, das von Reziprozität und Komplementarität geprägt ist.
  • Interkulturelle Missiologie lebt von der perspektivischen Vielfalt der unterschiedlichen Kulturräume und der dialogischen Begegnungen.
  • Interkulturelle Missiologie wertet die Kulturen auf. Jede Kultur ist in der Lage, Evangelium zu rezipieren, zu reflektieren und zu kontextualisieren - und berechtigt, die eigene Perspektive selbstbewusst in die globale Debatte einzubringen
  • Der interkulturelle Austausch wurde wesentlich durch die Missionsbewegung ermöglicht.

Während des Unterrichtens missionswissenschaftlicher Kurse an der FATMES in Bamako, betreibe ich mit meinen Studierenden gemeinsam interkulturelle Missiologie, ohne es explizit so zu nennen. Der reine Wissenstransfer wird ersetzt durch dialogisches Lernen im Kontext und trägt so zur interkulturellen Komplementarität bei.

Das Konzept der "missionalen Theologie" ist vorwiegend im angelsächsischen Umfeld bekannt, weniger im deutschen. In Frankreich machen sich evangelische Kreise diesen Begriff immer mehr zu eigen. Er wurde deshalb entwickelt, um im Bereich der Hermeneutik, der Exegese und nicht zuletzt in der Missionspraxis ein erneuertes Verständnis von Mission zu etablieren, das aus der "missio Dei" hervorgeht. "Missionary" oder "missionarisch" klang zu sehr nach von Kirchen und Gesellschaften initiierten Aktionen. "Missional" betont die Mentalität, die allem christlichen Reflektieren und Handeln zugrunde liegt und trägt so zur Neubelebung des missionarischen Bewusstseins und der Missionsbewegung bei. Die Einführung des missionalen Konzepts vermittelt jedoch manchmal den Eindruck, dass ein tiefergründiges Problem kaschiert wird, das der geistlichen Armut der Kirchen und der Ohnmacht, sich im säkularen Kontext als relevant zu behaupten.

4. Ich nenne mich nicht "Missionarin bzw. Missionar", weil damit Heldentum, Armut und Opfer verbunden ist. Ich habe es satt, mit diesem alten Klischee in Verbindung gebracht zu werden. 
Diesmal ist es keine historische Scham, sondern eine, die soziologisch verankert ist. "Die Missionarin und der Missionar verlassen ihre Freunde, ihre Familie, ihre angestammte Kultur. Sie hängen einen gutdotierten Job an den Nagel, verlassen geordnete finanzielle Verhältnisse und müssen jetzt um Spenden betteln. Sie werden von Nichtchristen angefeindet, vielleicht sogar verfolgt und von säkularen Zeitgenossen belächelt. Die Gesundheitsversorgung und die Bildung für die Kinder sind nicht gewährleistet, die Armen. Sie haben kein Haus mehr, in dem sie ihren Lebensabend verbringen können. Ich bin kein Glaubensheld und kann nicht so sein wie Hudson Taylor, der sich finanziell ganz von Gott abhängig machte, seine Frau und Kinder verlor und trotzdem weitermachte" - Die Missionare, sie werden als Helden angesehen, als besonders geistliche Menschen. Diesem Druck des Heroischen wollen sich an Weltmission Interessierte der jüngeren Generation nicht aussetzen. - 

Die skizzierten Vorstellungen haben lange Zeit das Bild vom Missionar geprägt. Es handelt sich jedoch vorwiegend um ein Klischee, das es klarzustellen gilt. Wir sind als Missionarsfamilie oft gefragt worden "Wie lange wollt ihr den Preis noch zahlen?" Dahinter steckt die Vorstellung, dass wir ein besonderes Opfer bringen würden. Doch so haben wir das nie empfunden. Man wird nicht Missionar, um ein Held zu werden. Wir sind als Missionarinnen und Missionare weder materiell noch geistig verarmt, noch haben wir uns als Heroen angesehen. Staub, Hitze und Krankheiten haben an unserer Gesundheit gezehrt. Kulturschockerfahrungen haben unsere Persönlichkeit auf die Probe getellt und verändert. Es wäre gelogen, wenn wir nicht auch sagen würden, dass wir "ein Leben der besonderen Hingabe" leben, das andere nicht leben, oder zu leben bereit sind. Das ist nun mal eine Realität, weil wir als Missionare in fremden Kulturen in vielerlei Hinsicht besonderen Herausforderungen ausgesetzt sind. Es sind aber Opfer und Risiken, die der Sendung entsprechen, sozuzusagen "artgerecht" und von daher nichts "besonderes" sind. Auf der anderen Seite haben die interkulturellen Erfahrungen unser Leben, das der Eltern und der Kinder, bereichert. Wenn Missionarinnen und Missionare für ihre Risikobereitschaft und ihre Hingabe "bewundert" werden, dann liegt das nicht am Missionarsein an sich, oder weil sie nach Lob Ausschau halten. Es geschieht auch nicht deshalb, weil sie bessere Menschen sind, oder weil sie sich mit dem Ungewöhnlichen profilieren wollten. Es gibt auch in anderen Bereichen Menschen, die außergewöhnliche Dinge tun oder erleben, Menschen, die ihre Kinder verlieren und trotz allem nicht den Lebensmut verlieren, Eltern, die Pflegekinder aufnehmen oder Extremsportler u.a. Diese Menschen tun das nicht, um irgendwann mal als Held gefeiert zu werden. Sie gehen einfach ihrer Leidenschaft nach. Sie geben ihr Bestes und übernehmen besondere Verantwortung. Sie hören auf ihr Herz und folgen ihrer Bestimmung, erfüllen eine Mission und das konsequent. Wenn sie dann dafür gelobt werden oder eine Medaille gewinnen, dann darf man sich darüber freuen. 

Die Diawaramasken (informeller "Orden" in Mali für treue Ausübung einer Tätigkeit) und Urkunden, die mir von malischen Kollegen verliehen wurden, betrachte ich als Ausdruck der Wertschätzung und der Anerkennung für besonderes Engagement. Als einer Studierenden bei der letzten gemeinsamen Reise nach Bamako bewusst wurde, dass meine an Demenz erkrankte Frau möglicherweise nicht mehr nach Mali wird reisen können, weil die Degeneration der Kräfte es nicht mehr zuließ, da hat sie ihr ein Geschenk  überreicht. Es war eine Geste der Dankbarkeit und Wertschätzung für die langjährige Mitarbeit in der Bibliothek. Auch eine Ledertasche kann ein Orden sein. Wenn man langjährige Treue, das Engagement bis zum "geht nicht mehr" oder den Wagnisse eingehenden und Verzicht übenden Lebensstil als heldenhaft hochstilisiert, dann ist das nicht das Problem der Missionare. Es ist kein gewöhnliches Leben, was die meisten von uns führen, aber es ist doch nur ein Leben und keine Heldensaga. 

Das Heroische war seit dem 2. Weltkrieg in die Krise gekommen und in westllichen Gesellschaften verpönt. Soziologen sprechen deshalb seit den 1990er Jahren von einer "postheroischen Phase" (z.B. Dirk Baecker, Herfried Münkler). Es ist jedoch wieder modern geworden, nach den "Helden des Alltags" Ausschau zu halten. Man hat gemerkt, dass sich der Horizont stärker weitet, wenn man von Menschen lernt, die Ungewöhnliche Dinge tun - ob es sich dabei um Wissenschaftler, die eigenen Eltern oder Missionare handelt. Auch das scheint soziologisch bedingt zu sein. In Zeiten von Krisen, Chaos und Desorientierung, aber auch in Zeiten der trägen Sattheit suchen wir nach ganz normalen Menschen, die dem Gewöhnlichen das Ungewöhnliche entlocken, die den Weg aus der Enge in die Weite gefunden haben, die Oberwasser behalten und Auswege geschaffen haben und uns so zur Orientierung geworden sind. In Römer 12,1 betrachtet Paulus unser Leben als "ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei". Hingabe und Opferbereitschaft sind für ihn "vernünftiger Gottesdienst". Verzicht, Opfer, Hingabe sind etwas erstrebenswertes, nichts, wofür man sich schämen, oder von dem man Abstand nehmen müsste.

Missionare sind Dienstleister. Angestellte und Mitarbeiter erhalten ihr Gehalt von ihren Arbeitgebern. Das Gehalt der Missionare ist nicht garantiert. Die Gelder dafür werden in den meisten Fällen vom "Missionar" selbst über Spender, Freunde und sie unterstützende Gemeinden requiriert (fundraising). Die Spendenrequirierung gehört zum Job, ob man sich nun "interkultureller Partner" nennt oder "Missionar". Das bedeutet jedoch nicht, dass man der Armut preisgegeben ist. Missionare werden versorgt und sind i.d.R. sozial gut abgesichert. In den Zentralen der Missionsgesellschaften arbeiten kompetente Fundraiser und Fachleute, die Projekte und Planstellen professionell bewerben. Das Gebet in den "Glaubensmissionen" wird längst ergänzt und begleitet von modernen Managementstrategien, so ziemlich auf der Höhe der Zeit. Es kann jedoch vorkommen, dass das System des personal suppport Missionare zwingt, ihre Arbeitsgebiete zeitweise zu verlassen, um in ihren Heimatländern Spender zu mobilisieren. 

Der Aufenthalt in fremden Kulturen, unter ungewohnten klimatischen und politischen Bedingungen und der Wunsch, Nichtchristen das Evangelium nahe zu bringen, bringt es mit sich, dass das Leben anstrengend werden kann und mehr Durchhaltevermögen, Hingabe und Verzicht erforderlich ist. Das liegt in der Natur der Sache und kann nicht dadurch abgewendet werden, wenn man sich statt "Missioniarin" nun "Mitarbeiterin" nennt. Und - was ist daran verwerflich, wenn man in der Weltmission das Beste für Jesus gibt, verzichtet, Karriere und Geld hintenan stellt und das Abenteuer sucht?

5. Die Begriffe sind historisch belastet, insbesondere durch die von westlicher Überheblichkeit und Gewalt geprägten Missionspraxis in Lateinamerika (ab 16. Jh.) und während der Kolonialzeit (18./19. Jh.).
Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen. Bis in die heutige Zeit hinein sei es nicht in zufriedenstellendem Maße gelungen, christliche Missionsarbeit von kolonialen Konnotationen zu befreien. Das mag sein; da steht die Missionsgeschichte allerdings nicht alleine da. Die Befreiung von kolonialen Zuordnungen wird nicht gelingen, höchstens eine differenzierte Aufarbeitung. Die notwendige Aufarbeitung ist ein Prozess, der schon seit Jahrzehnten im Gange ist und mit Sicherheit auch die Generationen Millenial X-Y-Z betrifft.

Theologische Perspektive: Mission als theologisches Konzept „Missio Dei (lat.: Mission Gottes), bezeichnet in der katholischen Dogmatik besonders seit Augustinus und später bei Thomas von Aquin die innertrinitarischen Sendungsvorgänge (Gott sendet den Sohn, Vater und Sohn senden den Geist). Mitte des 16. Jahrhunderts gewann der Begriff "missio" eine globalstrategische Bedeutung. Von Ignatius von Loyola (1491-1556), dem Begründer des Jesuitenordens, wurde er anstelle des Begriffs "propaganda" verwendet. Die Portugiesen benutzten den Begriff im politischen Kontext, um die Entsendung von Menschen (Militärs, Attachés, Verwalter u.a.) nach Übersee zu bezeichnen. Der Papst griff den Begriff auf, um die Entsendung christlichen Personals zu legitimieren. So entstand im Verständnis eine Kombination von „päpstlich kirchlich autorisierter Sendung“ und „weltweiter Ausbreitung des Evangeliums“. Ein weiterer Grund mag auch darin liegen, dass das Wortfeld "apostolisch" (s.o.) inzwischen kirchlich besetzt war. Es bedurfte eines neuen Begriffs, um die "Sendung der Kirche in die Neue Welt" zu benennen. Der Wechsel vom "Apostel" zum "Missionar" war auf linguistischer Ebene ein durch den Zeitgeist bedingter Wechsel, ohne jedoch die theologische Dimension aus den Augen zu verlieren.
Zu Beginn der katholischen Missionsbewegung war für Ignatius von Loyola die Aussendung von Missionaren durch den Papst etwas, das von der Missio Dei unabhängig ist. Ziel ist es, die Kirche dort zu etablieren, wo sie noch nicht existiert (plantatio ecclesiae). Das Konzept der "missio Dei" wurde daher in "missiones ecclesiae" (Wiher) umgewandelt. Die Ausweitung der göttlichen Sendung auf die Missionstätigkeit der Kirche trug auch dazu bei, die Verbreitung der westlichen Zivilisation im Namen Gottes in der Zeit der Kolonialmission zu rechtfertigen.
Die Dichotomie zwischen der immanenten (nach innen gerichteten) und der ökonomischen (nach außen gerichteten) Trinität, zwischen Sein und Handeln und schließlich zwischen Gott und Mensch hatte zur Folge, dass man davon ausging, dass die menschliche Missionstätigkeit völlig unabhängig von Gottes Handeln ist.
Nach der Reformation erhält der Begriff "Mission" seine spezielle Bedeutung als christliche Sendung (Aussendung christlicher Sendboten) in Anlehnung an das griech. Wort Apostel. Im 16. Jh. hält das Wort Mission Einzug in die deutsche u.a. europäische Sprachen. Im heutigen säkularisierten Kontext bedeutet Mission einfach Auftrag, zielorientierte Pflichterfüllung.
Das theologische Konzept der „missio Dei“ erfuhr nach dem 2. Weltkrieg eine gründliche Revision und Erweiterung und ist seitdem international prägend. 

Die theologische Wende hin zur missio Dei war im Grunde genommen ein fundamentaler Paradigmenwechsel und Ausdruck kritischer Auseinandersetzung mit der imperialen Mentalität der bisherigen Missionsbewegung

Die Theologie wurde zum Instrument der Kolonialismuskritik. Ausgangspunkt und Autorenschaft der Weltmission ist nicht (mehr) die Kirche, ein Missionsorden oder eine Missionsgesellschaft, sondern Gott selbst. Die erneute Verankerung der Mission in der Natur des dreieinigen Gottes entzog den einseitig horizontalen missionarischen Bemühungen der Menschen ihre konstituierende Bedeutung. Die Mission der Kirchen und Missionsgesellschaften wurde theologisch geradezu „entwertet“. Die bisher dominanten Akteure des Westens mussten lernen, sich Gott als der alleinigen dominierenden Instanz unterzuordnen. Dieser Vorgang führte dazu, dass sich die „jungen Kirchen“ des Südens als Partner und eigenständige Akteure in der Weltmission begreifen konnten, die, genauso wie die westlichen Missionare, allein Gott unterstellt sind. Die 1961 während der 3. Vollversammlung des ÖRK in Neu Delhi vollzogenen "Integration von Kirche und Mission" war ein zusätzliches starkes Signal. Der Schritt war nicht nur theologisch gut vorbereitet,  sondern auch eine strukturelle Reaktion auf die kolonialistische Epoche. Die "elitäre Sonderstellung" der (westlichen) Missionsgesellschaften gegenüber den Kirchen, inklusive der "jungen Kirchen" aus dem globalen Süden, wurde gekappt. Fortan gab es im ÖRK eine Abteilung für Weltmission und Evangelisierung, und Mission wurde zur gemeinsamen Aktion der ökumensichen Gemeinschaft von gleichberechtigten Partnern.

Heute werden im christlichen Bereich zusätzliche Konzepte entwickelt. Man redet von interkultureller Begegnung, von Partnerschaft oder von Transformation. Transformation ist seit den 1980er Jahren ein etabliertes Konzept innerhalb der internationalen Missionstheologie. Das Grundkonzept "Mission " wird jedoch nicht in Frage gestellt. Mission auf "Umkehr und Bekehrung" der missionarischen Akteure zu reduzieren (so Jörg Rieger, 2004) wird der gesamten expansiven Dynamik des missionarischen Wesens und seines Handelns in der Geschichte nicht gerecht. 

Historische Perspektive: Historisch betrachtet stellt die Spanische Mission in Lateinamerika eine besondere Situation dar, wo Zwangstaufen und Eroberungen besonders ausgeprägt zu beobachten waren. Mission und Kolonialismus gingen in der Tat jahrhundertelang Hand in Hand. Es gibt aber auch asiatische und afrikanische Länder, wo die Missionare lange vor der offiziellen Kolonialherrschaft anwesend waren und eine enge Kooperation mit den Menschen vor Ort praktizierten. Die nachhaltigen Symbiosen zwischen Mission und Kolonialismus sind in der evangelischen Missionsbewegung erst nach der Berliner Konferenz 1884/85 zu beobachten. Es gab Missionare, die den Kolonialherren und den Interessen ihrer Länder zugearbeitet haben. Kolonialadministration und Missionsstrukturen sollten genauso zusammenarbeiten wie dies Staat und Kirche in den Herkunftsländern taten. Andere Missionare verteidigten die Einheimischen gegen die Kolonialisten. Doch es ist dem jeweiligen Zeitgeist geschuldet, dass die große Mehrheit der Missionare von einem zivilisatorischen Überlegenheitsgefühl geprägt war. Darüber können auch die kulturelle Kompetenz, die umfangreiche Hilfsbereitschaft und die ausgeprägte Hingabe nicht hinwegtäuschen. Am europäischen und amerikanischen Wesen sollte die Welt genesen. So dachte man. So war man erzogen und geprägt. So wurde es artikuliert.

Die historischen Altlasten müssen nach wie vor aufgearbeitet werden. Dieser Verantwortung kann man nicht entgehen, auch wenn man die Nomenklatura verändert. Das theologische Konzept der Mission, als einer von Gott selbst ausgehenden dynamischen Initiative zum Heil der Welt und unter Beteiligung seiner Gemeinde, ist m.E. zum jetzigen Zeitpunkt „alternativlos“ und nicht adäquat ersetzbar.
6. Nicht nur die Begriffe, sondern das gesamte Konzept christlicher Mission muss abgeschafft werden, da es den Geist des Rassismus, des Kulturimperialismus und der Intoleranz atmet.
Die Verfasser des Positionspapiers der Rheinischen Kirche aus dem Jahr 2018 verzichten gänzlich auf den Begriff „Mission“. Im Text geht es um den islamisch-christlichen Dialog. Man wollte im angespannten Kontext in Deutschland die muslimischen Gesprächspartner nicht düpieren. Man befürchtet, dass „Mission“ immer noch als Kampfbegriff wahrgenommen und mit aggressiver Bekehrung in Verbindung gebracht wird. Das Dialogverständnis der Rheinischen Kirche wird wie folgt zusammengefasst: „Wir wollen die anderen nicht uns gleich machen, sondern mit den anderen gemeinsam auf dem Weg sein.“
Die Hardliner unter den Missionskritikern setzen zu einem Rundumschlag an. Mission trage von Anfang an rassistische und kulturimperialistische Elemente in sich, sagen sie. Der Urheber des Dramas ist Jesus selbst. Der Aufruf Jesu aus Matthäus 28 lautet: "Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende."
Missionare hätten bis heute nicht aus ihren Fehlern gelernt. Noch immer sind sie auf Bekehrungsmission unter den Anhängern nichtchristlicher Religionen und drängen ihnen ihren Glauben auf. 
Wichtig ist hier der Hinweis auf den sog. Missionsbefehl nach Matthäus. Der Auftrag des "Jünger machens" besagt nicht, dass alle Welt es auch werden wird. Christen befanden sich oft in einer Minderheitenrolle. Christus ist alle Macht gegeben, bis ans Ende der Erde. Dies bedeutete jedoch nicht, dass die Kirche einen imperialistischen Auftrag hätte. Der Slogan von Edinburgh 1910: "The Evangelization of the World in This Generation" in Kombination mit den Mitteln der westlichen Zivilisation konnte leicht mit einem imperialen Gehabe gleichgesetzt werden. 
Die Pauschalität der o.g. Kritik ist nicht nur atheistisch unterwandert. Sie ist zudem undifferenziert und trägt der Tatsache nicht Rechnung, dass mittlerweile schon fast 50 % der Missionare aus den nichtwestlichen Ländern kommen und längst nicht alle weiß sind und denen man wohl kaum kulturimperialistische Beweggründe unterstellen mag.
Der moderne Toleranzgedanke verbietet jegliche Art von religiöser und ideologischer Mission (Missionierung). Die einzige Methode wäre die durch aktive Toleranz (Hartmut Kreß, Ethiker aus Bonn) abgedeckte dialogische Mission, die von Konvivenz und reziproken Lernprozessen geprägt ist. Es gibt Zeitgenossen, die wollen alles Missionarische auf der Begriffsebene konsequent eliminieren. Aufgrund der historischen Erfahrungen sei die Belastung so stark, "dass sie (die Worte) auch durch begriffliche Operationen ... nicht mehr zu ‚retten‘ sind." (Johanna Di Blasi, Ev. reformierte Kirche, Zürich). Die Worte seien mit "Gewalt- und Unterdrückungsgeschichten vollgesogen" und uns sei deshalb die "Deutungshoheit" entglitten. Alle Beschwichtigungen seien deshalb zum Scheitern verurteilt. Das hört sich nach Kulturkampf an, den wir Missionare anscheindend hoffnungslos verloren haben. David Bosch hat in seinem Buch "Transforming Mission" (dt. Mission im Wandel) darauf hingewiesen, dass Mission in einer Spannung steht und dass vor dem missionarischen Outreach die Mission und Evangelisierung der Kirchen selbst stehen müsse. Wir, als missionarisch Engagierte, müssen bekehrt, d.h. transformiert werden, nicht nur wegen der historischen Schuld, sondern wegen der dringend nötigen neuen Ausrichtung auf Gott, den eigentlichen Initiator der Mission. Selbst wenn wir das Wort "Mission" aus unserem Wortschatz streichen, der Kirche ihre missionarische Intention ausreden, die Büros der Missionsgesellschaften versiegeln, wenn wir es in der Praxis "einfach sein lassen", selbst dann bleibt "Mission" bestehen, weil sie eben nicht von ihrer Substanz her an Menschen und Geschichte gebunden ist, sondern in Gott selbst, in seinem Wesen und Offenbarungshandeln verankert ist. Selbst wenn wir das Wort "Tisch" aus dem Duden eliminieren und alle Tische dieser Welt zerschlagen und dem Feuer preisgäben, dann gäbe es immer noch irgendwo einen Schreiner, der sich die Vorstellung vom Tisch bewahrt hat und aufgrund seiner handwerklichen Fertigkeiten in der Lage ist, einen zu bauen und die "Idee Tisch" so dingfest zu machen. Fundamentalkritiker haben keine Chance!
Warum lassen wir uns als Christen von säkularen und postchristlichen Kritikern unter Druck setzen? Warum sollten wir um jeden Preis relevant sein in der Nutzung unserer Begrifflichkeit? 
Die missionale Struktur des christlichen Glaubens ist alternativlos und nicht verhandelbar, ganz gleich, welche Art von berechtigter und unberechtigter Kritik vorgebracht wird.

Fortsetzung:
Teil 7.  Mission - aus der Zeit gefallen | 7. Die Konsequenzen bedenken: https://alfredmeier.blogspot.com/2023/05/mission-aus-der-zeit-gefallen-7-die.html

Ich ziehe ein Fazit und mache darauf aufmerksam, dass es auch im säkularen Bereich unserer Gesellschaft missionierende Tendenzen gibt. Meine persönlichen Schlussforlgerungen habe ich thesenartig zusammengefasst.

Kommentare

  1. Anonym11:13

    Danke für diese gründliche Betrachtung! Ist mir aus dem Herzen gesprochen. An der Mission/Sendung durch Jesus ist nicht zu rütteln. Man dürfte auch nicht mehr von Politik sprechen, nur weil es korrupte, von Lobbys gekaufte, nicht dem Volkswohl verpflichtete, machtgeile, historische und lebende Versager usw. unter den Politikern gab und gibt.

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