Mission - aus der Zeit gefallen | 2. Mein Statement

 

Teil 2: Mission - mein Statement 

Wenn Mission wirklich in Gottes Natur verankert ist, wenn es also Gottes Mission ist, an der Menschen beteiligt sind, dann besteht nicht wirklich die Notwendigkeit, Mission in Form eines Plädoyers zu verteidigen. Deswegen beziehe ich nur Position in Form eines persönlichen Statements ...

1. Als Missionar bin ich Teilhaber an Gottes Mission und seiner missionalen Bewegung in der Welt.

a. Der Begriff „Mission“, insbesondere die missio Dei, spiegelt ein theologisches Konzept, das das globale Unternehmen der Weltmission von Gott aus denkt und praktiziert. Das ist ein befreiender, ein faszinierender Gedanke. Da die Mission Gottes bei der Schöpfung beginnt, ist Mission auf kreative Gestaltung und heilvolle, Wort und Tat einschließende, Weltverantwortung ausgerichtet. Mission gibt es nicht deshalb, weil es die Sünde gibt. Es ist nicht die Reaktion auf das sündige Verhalten des Menschen und das Chaos in der Welt, die Mission konstituiert. Mission gibt es, weil es Gott gibt und weil er Liebe und Licht ausstrahlt und so Leben und Gemeinschaft ermöglicht. Mission ist nicht einseitig auf das Jenseits bezogen, als vorbereitende Maßnahme vor der Wiederkunft Jesu, sondern vollzieht sich hellwach in der Aktualität, als gestaltende Dynamik menschlicher Realitäten. Bei der heilsgeschichtlichen Interpretation der missio Dei sieht die Verkündigung des Wortes Gottes und die Gründung von Gemeinden  im Vordergrund (Gott-Kirche-Welt). In der verheißungsgeschichtlichen Lesart steht das sozialpolitische Engagement im Kontext der Weltgeschichte (Schalomisierung) im Vordergrund (Gott-Welt-Kirche). Trotz der Debatte um Zuordnung und Interpretationen, hat sich das Konzept der missio Dei als tragendes theologisches Fundament weltweit durchgesetzt.

Mission verändert die Vorzeichen der Lebensgleichung. Dies gilt für alle Nachfolger Jesu, ob sie aus dem Westen kommen oder aus dem Süden, ob sie Privilegien besitzen oder nicht, ob sie aus traditionellen Zentren des Christentums kommen oder von der Peripherie, aus der Diaspora im Abseits des Weltgeschehens, ob sie sesshaft sind oder als Migranten unterwegs. Und weil das so ist, möchte ich nicht auf den Begriff "Mission und Missionar" verzichten. Die missionale Theologie, wo Mission als Kern und als Existenzform der Gemeinde Jesu definiert wird, befreit die Mission von ihrer Exklusivität, wo bevorzugt "der klassische Missionar" als Sonderling und die besondere missionarische Aktion im Blick standen. Amt und Ehrenamt, Lebensstil, Beruf, Aktion und konkrete Sendung sind integriert in die globale Bewegung der Weltmission.

b. Mission ist eine Mentalität und nicht nur Aktion oder Auftrag. Ich "gehe nicht in die Mission", ich "treibe" auch keine Mission. Es wird auch keiner zwangsmissioniert. Der einzige, der missioniert, ist Gott selbst. Er ist selber auf Mission. Und er begeistert seine Leute für Mission. Er stattet sie aus, lädt ihnen die Last des Evangeliums auf (1Kor 9,16) und schickt sie los.

Mission (Sendung) impliziert Mentalität, Beauftragung und Bewegung.

Um das zu begreifen, "schaue ich Gott in die Augen, in sein Herz auf seine Hände und Füße" und entdecke, wie er missionarisch unterwegs ist, wie er aus Chaos Ordnung schafft, wie er das Unheil wendet, wie er trotz aller menschlichen Abtrünnigkeit die gnädige Geduld nicht verliert und wie er zum Ziel kommt. Ich lasse mich von ihm faszinieren und empfange so meine missionarische Berufung, mit offenen Augen, offenen Ohren und offenem Mund. Die Gottesbegegnung ist die Basis, das tragende Fundament, nicht mein Entschluss und meine differenzierten Abwägungen mit all den Wenn und Aber. Ich bin von dieser Begegnung so beindruckt (Jes 6,4), dass ich in diesem Moment gar keine Zeit habe, den Blick auf meine fachlichen Stärken und Schwächen zu richten, auf meinen kulturellen Hintergrund, Trends, Herausforderungen, Strategien,  Nord und Süd, Zentrum und Peripherie, Viel und Wenig, die Farbe meiner Haut, meine Erziehung und das Bildungsniveau. Begeistert zu sein von Gottes Majestät und seiner Mission, von seiner Bewegung in die Welt, macht demütig. Vor Gott sind wir alle gleich - als Menschen, die gerufen, gesandt und beauftragt werden.  

Das, was mich in der Gottesbegegnung beschäftigt, ist das Staunen und die Frage: Bin ich würdig, ausgewählt zu werden und eine Berufung zu empfangen? Mir wird meine Unzulänglichkeit vor Gott bewusst, mein Angewiesensein auf ihn (Jes 6,5f). Ich bin einer von vielen, "mit unreinen Lippen". Wenn Gott mich gereinigt hat, wenn die Beziehung steht, dann werde ich bereit. Die Frage, wen soll ich senden, wer will meine Missionarin bzw. mein Missionar sein, ist dann nur noch eine rhetorische (Jesaja 6,8). Die Antwort liegt auf der Hand: Hier bin ich, schick mich los! Im Lateinischen wird formuliert: Quem mittam? (wen soll ich senden?) ... Et dixi: Ecce ego, mitte me (ich sagte: Da bin ich, sende mich!.) Langsam erwacht Jesaja aus dem Überwältigt sein, und es gelingt ihm, wieder einen halbwegs klaren Gedanken zu fassen. Hier geht es um Mission. In diesem Moment frage ich mich noch nicht, was da alles auf mich zukommt, ob ich dem gewachsen bin, oder welche Opfer ich zu bringen habe. Ob ich Pionier, Partner oder internationaler Mitarbeiter bin, spielt hier noch keine Rolle und auch nicht meine soziale Rolle, als Mann und Frau, Einheimischer oder Arbeitsmigrant. Die Gottesbegegnung und die Faszination, die davon ausgeht, überdeckt alles. So erging es dem Propheten Jesaja in Jes. 6,1-13. Erst ganz am Ende begreift Jesaja, dass er auch mit Hindernissen und Widerstand zu rechnen hat. So ergeht es auch der Missionarin und dem Missionar. Was wirklich auf uns zukommt, kann man zwar im Vorfeld strategisch umreißen, aber, was es wirklich bedeutet, das erfahren wir erst im Kontext vor Ort. Dieser Punkt war entscheidend. Bekommt der von Gott und seinen Emotionen überwältigte und staunende Mensch die Kurve hin zur konkreten Tat? Bleibt er bei seinem Engagement, oder macht er einen Rückzieher in dem Moment, wo ihm die Tragweite des ganzen Unternehmens bewusst wird? 

Das mysterium fascinosum, die Begeisterung für die missionarische Vision Gottes hat Vorrang vor dem mysterium tremendum, der Unsicherheit, dem Wandel und dem Zittern vor den Herausforderungen des Lebens.

c. Mission als Konzept repräsentiert die dynamische Weite und Weltoffenheit des trinitarischen Gottes und seiner Gemeinde.
Gottes liebevoller Zuwendung zur Welt und dem Vorbild Jesu bin ich verpflichtet, nicht der Politik meines Heimatlandes und noch nicht einmal den Vorgaben meiner Kirche. Es ist das gesamtbiblische Evangelium, was mich überzeugt und begeistert. Jesus hat das Reich Gottes vorgelebt und erklärt. Sein Ansatz war ein ganzheitlicher. Der Ruf in die Nachfolge und die Bildung der Jüngergemeinschaft sind nicht das letzte Ziel. Die Gemeinschaft der Gläubigen ist ein privilegiertes Instrument in der Hand Gottes, um an der Aufrichtung der Herrschaft Gottes mitzuwirken. Das Leben spielt sich ab in vernetzten Lebenssphären (z. B. Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur), in Migrationsbewegungen und in digitalen Räumen. Die Mission muss sich in den sich verändernden Lebenssphären entfalten. Das religiöse Leben ist durch Pluralisierung und Differenzierung geprägt, aber auch von Säkularisierung und unterschiedlich gearteten Fundamentalismen bedroht. Der Einsatz für Menschenwürde, die Erhaltung der Umwelt, die Begleitung politischer Veränderungsprozesse und der Einsatz für Gerechtigkeit findet heute mehr Beachtung in der weltweiten Missionsbewegung als früher. Theologen sprechen von der Reich-Gottes-Mission (kingdom mission). Die Kritiker fürchten, dass der im "Missionsbefehl" Jesu formulierte Auftrag zum "Jünger machen durch hingehen, taufen und lehren" (great commission mission) vernachlässigt wird. Sie befürchten darüber hinaus, dass gesellschaftliche Transformation nicht die Frucht der Mission, sondern ein gleichwertiger Bestandteil der Mission sei. Da die Mission Gottes in der Welt von Anfang an nicht nur Verkündigung des Wortes umfasste, sondern auch das Mandat zur sozialkulturellen Gestaltung, halte ich den ganzheitlichen Zugang für tragend, wo Gerechtigkeit im sozialen Kontext und die Gerechtigkeit aus Gnaden, die zum Glauben führt, gleichermaßen bedeutsam sind und zum Wesen der Mission gehören. Mein persönlicher Slogan lautet daher: "Mit Gott unterwegs - Christus verkündigen, Gemeinden bauen, Gesellschaft gestalten".

Persönlichkeitsstrukturen verändern sich. Dies führt dazu, dass es immer mehr "Missionare auf Zeit" gibt und sich Optionen und Betätigungsfelder verändern. Das Erstarken der Kirchen im sog. Globalen Süden führt zu mehr Selbstbewusstsein, was die theologische Ausrichtung und die missionarische Dynamik angeht. Mit der Migration "schwappt" verstärkt ein pentekostal-charismatisches Christentum in den Westen, das uns herausfordert und bereichert. All diese Entwicklungen und das erwähnte Engagement lassen sich, theologisch betrachtet, mit dem Konzept der weltoffenen missio Dei abbilden.

d. Gottes Handeln ist geprägt von einer Mentalität der liebevollen Zuwendung, einer klaren Botschaft, vom Bemühen, heilvolle Beziehungen zu Menschen aufzubauen und nachhaltige lebenstaugliche Strukturen zu schaffen. Diese Mentalität verbietet es uns, als Eroberer und westliche Besserwisser aufzutreten, sondern als Partner und Begleiter von Menschen.
Wir kopieren nicht die Strukturen und Theologien unserer Herkunftskulturen und drängen sie anderen auf. Die Zeiten sind vorbei, weil es längst etablierte Strukturen, Strategien und theologische Überzeugungen gibt, wo vor Jahren Pionierarbeit geleistet wurde. Im Dialog mit unseren Partnern lernen wir gemeinsam, und zwar nicht nur voneinander, sondern miteinander. Die Mentalität der liebevollen Zuwendung muss auch unsere Strategien durchströmen. "Mission" bedeutet Weite, Erweiterung der Komfortzone, Abenteuer, kulturelle Bereicherung und geistlicher Tiefgang in der Nachfolge Jesu. Mission vollzieht sich ganz natürlich in der Gottesbeziehung, die von liebevoller Zuwendung getragen wird. Ich bin einer von Vielen. Ich darf unterwegs sein, mitarbeiten, teilnehmen, empfangene Gnade teilen, aber ich muss mein Tun in seiner letzten Tiefe nicht mehr rechtfertigen. Ich nehme an einem globalen Unternehmen teil, das ich selber nicht erfunden oder gegründet habe, dem ich mich aber aus Überzeugung angeschlossen habe. 

„Missionarin oder Missionar“ ist mehr als eine Berufsbezeichnung und mehr als eine mit altmodischer Intoleranz behaftete menschliche Spezies. Missionarinnen und Missionare sind mehr als Angestellte, die von einer kirchlichen Organisation an einen bestimmten Ort entsandt wurden.

2. Der Begriff "Missionar" spiegelt ein Selbst- und Amtsverständnis.

a. Amtsverständnis bedeutet, dass der Missionar sich des besonderen Dienstes bewusst ist, der ihm von Gott und der Gemeinde anvertraut wurde (objektive, externe Dimension). Dieser besondere Dienstauftrag unterscheidet den Missionar von Christen, die auf der Grundlage des "Allgemeinen Priestertums" einen  missionarischen Lebensstil praktizieren. Alle gemeinsam bilden wir die (kirchliche) Bewegung der Mission Gottes in dieser Welt ab. Missionsgesellschaften fungieren als Drehscheiben dieser Bewegung.

b. Selbstverständnis meint die Selbsteinschätzung der eigenen Wahrnehmungen (Selbstbild), aber auch die Bewertung der in einem bestimmten Kontext vollzogenen Handlungen (subjektive, interne Dimension). Dies bedeutet, dass das Amt des Missionars nicht verhandelbar ist, wohl aber die Funktion und das Selbstverständnis, das sich auf die Wahrnehmung sich verändernder Kontexte im missionarischen Unterwegssein stützt. 

Konkret:
  • Ich verstehe mich als Missionarin bzw. Missionar (meine missionale Identität und Berufung).
  • Ich werde als Missionarin bzw. Missionar ausgesandt (mein Amt).
  • Ich nehme mich als Missionarin bzw. Missionar je nach Kontext und Situation wahr als Fachkraft, als Partner, als Pionier, als Mitarbeiter, als Multiplikator usw. (mein Selbstverständnis/Selbstbild und meine Funktion).
  • Ich betätige mich als Missionarin bzw. Missionar als Gemeindegründer, Lehrerin, Mechaniker, Firmengründer, Ärztin usw. (meine Qualifikation und Tätigkeit
Bei der Frage nach meinem Beruf könnte ich also sagen: Ich bin Missionar und arbeite als Lehrer.

c. Praktisches Beispiel:

Gott hat in mir während des Theologiestudiums und uns als Paar gemeinsam bei Konferenzen und in Gesprächen das Bewusstsein für seine Mission in der Welt geweckt und uns eingeladen, mit unserem Leben an ihr teilzuhaben. Gott hat sich uns vorgestellt als der Herr der Geschichte, der die Initaitve ergreift und uns beauftragt. Weil er selbst als Gott in der Welt aktiv ist, dürfen wir ihm auf seinen Spuren folgen.
Nach dem Bewerbungsverfahren sind wir als Famillie von der Allianz-Mission und den Gemeinden als Missionarin und Missionar nach Mali ausgesandt worden. In der Sendung und Ordination haben wir das Amt (Dienstauftrag) des Missionars empfangen.
In Mali haben wir in unterschiedlichen Funktionen und Bereichen unsere fachliche Qualifikationen eingebracht:
  • in der Funktion der Pioniere und Partner haben wir uns betätigt als Evangelist, Gemeindegründer, Gründerin einer christlichen Arbeit mit Kindern, Sportmissionar, Mitgründer einer theologischen Fachschule und eines Gemeindebundes ...
  • in der Funktion der Begleiter und Partner haben wir uns betätigt als Krankenpflegerin, Fundraiser beim Aufbau einer christlichen Schule, als Pastor in wachsenden Gemeinden, als Mentor in einer theologischen Ausbildungsstätte, als Lehrerin einer Grundschulklasse und als Leiterin eines Gebetskreises für Frauen
  • in der Funktion der Multiplikatoren haben wir uns betätigt als Pastor und im Bereich der Mitarbeiterschulung und theologischen Ausbildung ...
  • in der Funktion als Fachkraft habe ich mich betätigt als Dozent der Theologie und Missionswissenschaft
  • in der Funktion als Mitarbeiter und Partner haben wir uns betätigt als Gefängnisseelsorger, als Gastprediger in Gemeinden und bei evangelistischen Einsätzen ...

3. Gottes und unsere menschliche Mission entsprechen einander.

a. Genauso wie die Konzeption der "missio Dei" es uns ermöglicht, "Mission" in Gott zu verankern, so verankern wir das Missionar Sein in Jesus Christus, der seine Jünger sendet, wie ihn der Vater gesandt hat (Joh 20,21).

Die Graphik verdeutlicht, dass Mission sowohl eine weltlich organisatorische als auch eine gesitlich organische Dimension besitzt.

Die grün und gelb hinterlegten Flächen weisen auf die gleichzeitig veritkal-ideell-geistliche und die horizontal-materiel-praktische Dimension der Missionsbewegung hin.

 
Die folgende Graphik visulaisiert die Analogie, die sich zwischen Gott und den Menschen ergibt, die an Gottes Mission beteiligt sind:

Gottes Mission: Der Ausgangspunkt ist die Mission Gottes (missio Dei). Dieses theologische Konzept erschließt sich durch empirische Beobachtung und durch verstandesmäßige Rückschlüsse aus dem missionarischen Handeln Gottes in der Offenbarungsgeschichte. In Gottes Handeln wird deutlich, dass sein Wesen missionarisch ist (natura missionalis). Gottes Liebe und seine Kreativität schaffen sich Bahn in seiner eigenen Ausdehnung in die Welt, in Schöpfung und Geschichte (deus expansio). Gott sendet seine Lichtkraft und das kreative Wort hinaus in das Universum. Es entsteht ein Lebensraum und der Mensch als Gottes Ebenbild. Damit fängt Gottes Mission an. Gott ergreift die Initiative (Idee, Impuls), ist selber missionarisch aktiv und bezieht die Menschen durch Beauftragung mit ein (Auftrag, Mandat). 

Mission des Menschen: Auf der menschlichen Seite werden Menschen von der Mission Gottes begeistert. Die Mission des Menschen bzw. der Gemeinde (missio hominis bzw. missio ecclesiae) erfolgt aus der missioniarischen Dynamik der Mission Gottes. Die Grundüberzeugung konkretisiert sich in der Beauftragung und der Sendung in die Welt, wo Missionare sich, entsprechend der Anforderungen im Kontext, missionarisch in unterschiedlichen Funktionen und in unterschiedlichen Bereichen betätigen. Ich unterscheide zwischen apostolischer und kongregationaler Mission. Die apostolische Mission konzentriert sich mit Hilfe integraler Strategien auf klassische Pionierarbeit (pioneer mission, Räume schaffen, Fundamente legen) bzw. reagiert auf Anfrage von Partnern, um spezifische gesellschaftliche Bedarfe abzudecken und strategische Lücken in bereits etablierten Strukturen zu füllen (allongside mission, Assistenz, s.u.). Die kongregationale Mission geht von der Ortsgemeinde aus und hat zunächst den lokalen Kontext im Blick bzw. wirkt unterstützend für die Missionare, die im globalen Kontext unterwegs sind.

Analogia existentia: Methodisch kann die Verbindung von Gott und Mensch mit einer analogia existentia (Analogie der Existenz) verglichen werden. Die Mission der Gemeinde Jesu entspricht sinngemäß der Mission Gottes, sie sind also analog. So wie Gott Menschen sucht (Gen 3), so machen sich Jesusnachfolger auf die Suche nach desorientierten Menschen. So wie Gott sein Wort kreativ einsetzt, um die Welt zu gestalten, so machen Christen anderen Menschen ein verbales Angebot zur Neugestaltung ihres Lebens. So wie Gott aus sich herausgeht und seine Liebe aktiviert, sein Licht leuchten lässt, so lieben Nachfolger Jesu ihre Mitmenschen und sind "Licht der Welt". Es ist keine absolute Gleichheit. Gottes Wesen ist tiefgründiger, seine Liebe ist intensiver und sein Handeln geheimnisvoller und effektiver als das Handeln der Menschen. Deshalb ist die missio hominis keine Kopie, sondern nur eine sinngemäße Entsprechung der missio Dei

Apostel und die Gemeinde Jesu haben Freiheiten, ihr missionarisches Unterwegssein in der Nachfolge Jesu kreativ, eigenständig und flexibel zu gestalten, so wie Gott es auch tut. Gott seinerseits ist missionarisch in der Welt unterwegs, ohne uns zu fragen, und manchmal haben wir das Glück seine Spuren zu entdecken und ihnen zu folgen. 

In der Mission ist die ganze Existenz betroffen, das Wesen (Sein - esse), aber auch das Tun (Handeln - actio). Das Sein wird in der Graphik durch die Mentalität Gottes repräsentiert, die im Menschen das missionarische Bewusstsein erzeugt. In der Folge entsteht eine Grundüberzeugung, die den Menschen hilft, die elementare Bedeutung der Teilhabe an Gottes Mission (participatio missio Dei) zu begreifen. Existenz meint das Hervorgetretene, das Bestehende, das Vorhandensein oder das Beständige, ganz unabhängig davon, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht. Ich existiere, auch wenn mir das nicht klar ist, weil ich gerade schlafe. Konkret heißt das: Nachfolger Jesu sind von ihrer Bestimmung her potentiell  einbezogen in die Mission Gottes, ob ihnen das bewusst ist oder nicht, ob sie dem mit ihrem Leben entsprechen oder nicht.

Die Berufung zur missionarischen Existenz ist also

  • eine Bewusstmachung der eigentlichen missionarischen Bestimmung (Erweckung des Unbewussten: ich wusste es eigentlich schon immer, dass Nachfolger Jesu auch Gesandte sind) bzw.
  • eine durch Gottes Inspiration erfolgte Bewusstmachung des Ungewussten (Ich begreife zum ersten Mal, dass Nachfolge und Christusnähe auch Sendung in die Welt bedeutet).

Existenz meint aber nicht nur das Bestehende, sondern impliziert auch das Stattfindende, das Dasein in Bewegung, das sich Ereignende, den Lebensstil. 
Analogia existentia meint also, dass mein Denken und Handeln, das was mich ausmacht und was ich bin, dem Anliegen der Mission Gottes in dieser Welt entsprechen soll.

b. Der Grund des Missionar Seins ist mir bewusst bevor der Bewerbungsprozess und das Anstellungsverhältnis beginnt. 

Gott hat uns nicht als Mitarbeitende der Allianz-Mission berufen, sondern als Missionare, die er sendet. Von Gott eingeladen zu sein, mit ihm unterwegs zu sein in seiner Welt, sie zu gestalten und zu verändern, zu erzählen und zu leben, was uns Jesus Christus bedeutet - das ist ein großartiges Privileg, eine Berufung und ein faszinierender Job. Missionarin oder Missionar ist eigentlich eine "Berufungsbezeichnung". Missionarinnen und Missionare sind Botschafter Jesu. Das Privileg bezieht sich nicht auf die Sonderstellung des Missionars als einer heroischen Gestalt geistlichen und hingebungsvollen Lebens, sondern auf das Privileg der Nachfolge und der Sendung. In die Nachfolge wird man gerufen. Zur Nachfolge tritt die Einladung Gottes, dem Evangelium Gestalt zu verleihen. Für Dietrich Bonhoeffer war die Nachfolge der Lebensraum, wo sich christliche Existenz verwirklichen sollte. Es kam ihm nicht auf die Kirche als Programm oder als ekklessiologische Wahrheit an, sondern auf die existentielle Lebensform der Kirche. Kirche ist "geschehende Wahrheit in der Nachfolge". So ist es auch mit der Mission. Sie ist mehr als eine zu organisierende oder nach außen darzustellende Programmatik. Mission ist eine fundamentale Wahrheit, eine Existenzform (missional), die sich in der Nachfolge zeigt und den Gedanken von der "billigen Gnade" Lügen straft. Die Mission konkretisiert sich in der Hingabe im wahren Leben, zu der auch die Erfüllung eines konkreten Mandats gehört. In dem Moment, wo mir bewusst wird, dass ich in Gottes missionarische Bewegung in der Welt einbezogen bin, wird mir klar, dass es sich hier um eine göttliche Kreation handelt, die mein ganzes Leben in Beschlag nimmt, ganz unabhängig von strategischen Feinjustierungen und Rollenverteilungen im globalen Gefüge. 

Den Beruf der Missionarin oder des Missionars kann man, aus theologischer Sicht, nicht erlernen oder ergreifen, sondern nur als Berufung empfangen.

4. Als Missionar bin ich ein Sonderbeauftragter Gottes und seiner Gemeinde.  

a. Missionare gibt es in allen Kulturkreisen. Auf allen Kontinenten gibt es Missionare. Über 47 % der Missionare kommen aus den Ländern des globalen Südens. Missionare sind bunt, nicht weiß oder schwarz. Die interkulturelle Begegnung in der Weltmission verändert uns. Im internationalen Raum sind wir alle People of Coulor. Zur weißen europäischen Prägung tritt die schwarze afrikanische, die meine Persönlichkeit bereichert, formt und verfärbt. In Mali nennt man mich toubabou (Weißer), aber auch den cebilen - den roten Mann. Auch Missionare sind Gäste und Migranten. Missionare stehen auf ihre Weise vor der Herausforderung der Integration. 

b. Missionar ist ein anerkannter Beruf. Für die Bundesagentur für Arbeit in Deutschland ist "Missionarin/ Missionar" ein anerkannter Beruf. Er wird wie folgt definiert: "Missionare und Missionarinnen vermitteln an ihren jeweiligen Einsatzorten die christliche Glaubenslehre und leisten praktische, soziale sowie pädagogische Unterstützung. ...". Das klingt technisch, deckt aber im Wesentlichen ab, worum es in der Praxis geht. Missionarin oder Missionar ist jedoch kein Ausbildungsberuf, für den es nach Studium oder Ausbildung ein Diplom oder einen Meisterbrief gibt. Zur missionarischen Berufung tritt die berufliche Qualifikation als Theologe, Techniker, Mediziner oder Pädagoge u.a.. Beruf und Berufung gehören zusammen. Von daher macht es Sinn, dass Missionsgesellschaften nicht allgemein nach "Missionaren (w/m/d)" Ausschau halten, sondern den Personalbedarf mit konkreten Stellenbeschreibungen unterlegen und die gewünschten Soft-und Hardscills benennen. Missionarinnen und Missionare zu entsenden macht nur dann Sinn, wenn es irgendwo da draußen einen Bedarf gibt. Optimal wäre es, wenn dieser Bedarf von lokalen Partnern, d.h Gemeinden und christlichen Organisationen definiert würde und diese Partner an der Stellenbeschreibung mitwirken und die Einladung aussprechen. Missionarinnen und Missionare sind Gäste in ihren Gastländern, eingeladen zur Mitarbeit.

c. Vom geistlichen und weltlichen Beruf. Für Christen haben Berufe, ob sakrale oder profane, ob Pastor, Lehrer, Krankenpfleger, Ingenieur, Mechaniker oder Bäcker, sowie deren weibliche Pendants, alle eine weltlich-geistliche Dimension. Es geschieht in der Berufsausübung Gottesdienst in der Welt, so Martin Luther. Missionarinnen und Missionare gründen ihr Berufsethos auf die geistliche Konstante der Berufung und die apostolisch missionale Mentalität. Hinzu kommt die praktische Dimension, die Variable der besonderen Führung und Sendung. Die Besonderheit des Missionarsberufs besteht darin, ein Sonderbeauftragter für bestimmte Aufgaben zu sein (vgl. Apg 13,1-4), ob die Person eine theologische Ausbildung hat oder als Unternehmer in einer fremden Kultur unterwegs ist. Qualifikationen und Strategien sind unterschiedlich, doch die Berufung und Sendung ist die gleiche. Die "tentmaker" gab es schon immer, die Missionare also, die einem Beruf nachgingen, um sich vor Ort den Lebensunterhalt zu sichern und dieses besondere Setting für ihre missionarische Arbeit nutzten. Paulus war einer von ihnen. Heute gibt es die professionals in mission, Leute, die im lutherischen Sinn ihren Beruf als weltlich-geistliche Tätigkeit verstehen. In dieser relativ neuen Bewegung in der Weltmission beobachten wir eine funktionale Wende vom professional missionary zum missional professional. 

Als Gesandte "sind wir auf Mission". Der Beruf des Missionars als Gesandter mit besonderem Dienstauftrag in der Weltmission wird immer noch benötigt, analog zu dem Beruf des Pastors in der Gemeinde oder des theologischen Lehrers an einer Hochschule. Alle genannten Berufsbilder existieren neben dem allgemeinen missionarischen, pastoralen und pädagogischen Engagement der Christen in Gemeinde und Gesellschaft.

d. Missionare sind verrückte Globetrotter. In der Vergangenheit waren Missionarinnen und Missionare in den meisten Fällen als Langzeitmissionare unterwegs. Manche sahen sich als Berufene auf "Lebenszeit". Diese Verrückten. Weltmission war ihr Leben. Frédéric Schwilden schrieb 2015 einen Artikel in der "Welt", wo er Tillmann Prüfers Buch über dessen Urgroßvater, den Missionar Bruno Gutmann in Tansania, vorstellte. Der Titel des Artikels lautete: Nur ein Spinner geht nach Afrika.

Selbst wenn man Missionare als idealistische Globetrotter, Träumer und Spinner bezeichnete, ich wäre stolz, einer zu sein.

Die Graphikerin und Phantasieromanautorin Caroline Ronnefeldt wurde in der Sendung "WDR 2-Sonntagsfragen" gefragt, was sie davon hält, wenn Menschen Dinge denken und tun, die einfach "unvernünftig" sind, so wie in ihren Phantasieromanen "Ja, sagt sie, "Man sollte schon die Träume verwirklichen, die man hat, ... das tun, was man sich in den Kopf gesetzt hat ... sich beraten lassen, aber dann das Merkwürdige tun ... überzeugt, entschlossen kämpfen, auch wenn andere denken, das das alles brotlose Kunst sei." 

Wenn ich als Missionar die Chance habe, Gottes Träume für die Welt zu meinen Träumen zu machen, das zu tun, wovon Kopf und Herz erfüllt sind - ich wäre ein Narr, mich nicht darauf einzulassen, auch wenn andere denken, ich hätte nur Flausen im Kopf und sei ein grasser Typ. "Über die Schattengrenze" (Quendel Bd. 3, von C. Ronnefeldt) springen und einen neuen hellen Horizont entdecken. Das wär's!

In der Gegenwart werden die Einsatzzeiten aus unterschiedlichen Gründen kürzer. Die Projektorientierung und damit die Erfüllung einer Mission für eine bestimmte Zeit steht im Vordergrund. Kann es sein, dass Langzeitmissionare, trotz Kritik und den Bemühungen um kommunikationstechnische Imagepflege, eher geneigt sind, an dem Wortfeld "Mission" festzuhalten, als Kurzzeitmissionare?

Die hoch gehandelten Termini von der Konvivenz, der transforming mission oder integrativen Partnerschaft machen nur Sinn, wenn sie eingebettet sind in ein längerfristiges Engagement. Fünf Jahre reichen da nicht aus. Transformationsprozesse brauchen ihre Zeit. Wer als Expat nicht bereit ist, die zu investieren, der sollte sie lieber den einheimischen Kollegen überlassen.

Missionare sind als Pionierinnen und Pioniere, als Multiplikatoren und partnerschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in besonderen kulturellen bzw. strategisch relevanten Kontexten unterwegs, ob im In- oder Ausland, um mit Hilfe ihrer fachlichen Qualifikation der Botschaft des Evangeliums in Wort und Tat Ausdruck zu verleihen. Das ist ihre Mission, ihr Auftrag. Dabei sind Partizipation, Integration und Kontextrelevanz wichtige Eckpfeiler. Aus soziologischer Perspektive sind Missionarinnen und Missionare zur Mitarbeit eingeladene Arbeitsmigranten. 

Die Fremde wird für den Missionar im Ausland zur neuen Homebase. Das gilt sowohl für europäische Missionare, die nach Asien gehen als auch für afrikanische Missionare, die nach Europa kommen. Das gilt aber auch für malische Missionare, die im heterogenen kulturellen Setting ihres Landes unterwegs sind. Die globalen Entwicklungen hin zu einer multidirektionalen Weltmission führen zu einer differenzierten Perspektive und zu bisher unbekannten strategischen Variationen, aber nicht automatisch dazu, dass der Missionar als Berufsbezeichnung von der Bildfläche verschwindet. 

e. In der Person des Missionars konzentriert sich die missionarische Gesamtberufung der Gemeinde Jesu.
Jeder kann in seinem Alltag, in Familie und Beruf, missionarisch als Zeuge Jesu unterwegs sein. Doch nicht jeder wird sich im interkulturellen Dienst betätigen, seine Familie ins Flugzeug setzen und in einer fremden Umgebung Sonderaufgaben im kirchlichen, pädagogischen, diakonischen Dienst, aber auch im gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Bereich wahrnehmen. Dazu werden Missionarinnen und Missionare von Gott und der Gemeinde entsandt. Wenn mir nach einem Gottesdienst junge Ehepaare sagen, dass "Mission nichts für sie sei", dass "sie das nicht so könnten" - dann haben sie meistens ein sehr verkürztes Verständnis von Mission, geben aber auch zu, dass sie sich aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer Fähigkeiten nicht in der Lage sehen, "grenzüberschreitende Aufgaben" als Vollzeitjob wahrzunehmen und diesen besondern Weg der "interkulturellen Migration" zu gehen. Also sind sie froh, dass es "andere" für sie machen. Andere sagen, dass es vor Ort, zu Hause, genug missionarische Herausforderungen gäbe, denen es sich zu stellen gilt. Mission vor der eigenen Haustüre - wenn das geschieht, dann ist das großartig. Der Status des "Sonderbeauftragten" birgt eine Gefahr. Die Kirche könnte auf die Idee kommen, dass sie mit der Entsendung eines Missionars ihre eigene weltmissionarische Verantwortung delegiert hätte. Dies ist jedoch ein Trugschluss. Der Missionar bleibt immer Teil seiner Kirche und nimmt sie mit auf dem Weg in die Weltmission. Neben dem Amt des Apostels (Missionars) existiert die apostolische Funktion, die optimalerweise in jeder Gemeinde vorhanden sein sollte (Eph 4,11-12). Im Neuen Testament entdecke ich das Phänomen des Apostolischen auf drei Ebenen, die m.E. immer noch Gütligkeit haben:

  • apostolische Berufung und Ausrichtung, die aus der Gottesbegegnung und missionalen Gesinnung entstehen (Bewusstsein der Teilhabe an Gottes Mission)
  • apostolische Funktion als Teil einer wesentlichen Aufgabe zur umfassenden Zurüstung der Gemeinde für ihren Dienst nach innen und außen.(Eph 4,11f)
  • apostolisches Amt, als eines von Gott berufenen und in Kooperation mit Gemeinden entsandten Sonderbeauftragten im Kontext der Weltmission (Apg. 13,1-3; Mt 28,18-20: Jesus sendet zwölf Jünger nicht alle; in Lukas 10,1-24 werden 72 Jünger ausgesandt, doch nur die Zwölf werden Apostel genannt)

Das Knüpfen eines internationalen, interkulturellen ökumenischen Netzwerkes von Gemeinden, wo der Missionar behilflich sein kann, das wäre ein lohnendes Ziel.
Als Sonderbeauftragte haben Missionarinnen und Missionare das Recht, von den Gemeinden wahrgenommen und unterstützt zu werden. Gemeinden reden deshalb von "unseren Missionaren". Wenn christliche Fachkräfte von staatlichen Stellen finanziert werden, ist es angemessen, den Begriff Missionarin oder Missionar nicht zu gebrauchen.
Es ist ein qualitativer Unterschied, ob "Missionarinnen und Missionare" vor ihrer Ausreise ins Ausland im Rahmen eines Gottesdienstes "nur" als Personen in ihrer Funktion als Lehrer, Pastoren, Ärzte u.a. zur Mitarbeit in einem Projekt verabschiedet werden (Abschiedsgottesdienst), oder ob sie explizit als Missionare ausgesandt, d.h. "auf Mission" geschickt werden (Aussendungsgottesdienst). So wird zum Ausdruck gebracht, dass sie als Beauftragte und Teilnehmer an Gottes Mission unterwegs sind.

5. Die Begriffe „Mission“ und „Missionar" sind aus meiner Sicht relevant, weil sie immer noch bekannt sind und mir helfen, meine Überzeugung und mein Selbst- und Amtsverständnis theologisch und im historischen Kontext zu reflektieren und zu begründen. 

a. Es ist das Vorbild Jesu, der Propheten und Apostel, das Missionarinnen und Missionaren die theologische Grundlage bietet. Es geht um die apostolische Ausrichtung, nicht um ein zivilisatorisches Mandat, um die Umsetzung strategischer Vorgaben, oder um einen Job im Ausland. Paulus hat seinen Status als Apostel nicht den Menschen, nicht der Gemeinde, sondern dem auferstanden Jesus Christus zu verdanken. Er ist frei (1Kor 9,1). Gleichzeitig ist er Knecht (Sklave, untergebener Diener) Gottes und Apostel (Gesandter) Jesu Christi (Titus 1,1: beides im gentivus possessivus, d.h. Paulus gehört Gott und als Apostel gehört er Christus). In 1Kor 9,19 sagt Paulus, dass er sich allen zum Sklaven gemacht hat (edoúloosa). Hier geht dem Verb "zum Sklaven machen" ein dativus commodi voraus. Dies bedeutet, dass Paulus als Diener zum Vorteil aller handelt, sich aber nicht als deren Eigentum betrachtet. Diese Unterscheidung ist grundlegend für das Amtsverständnis des Missionars. Freiheit, Zugehörigkeit zu Jesus, Verantwortung für Welt und Menschen - das sind die Fundamente der apostolisch missionarischen Berufung. Missionare stehen in der Spannung zwischen "Freiheit in Christus" und "allen alles werden".

Die apostolische Freiheit soll in Verantwortung für andere gelebt werden. Dies schließt erobernde Dominanz aus und begleitende Initiativen ein. Eigenmächtigkeit ist ebenso ausgeschlossen wie Vereinnahmung durch Partner. 

Zur Freiheit des Missionars gehört es, ja oder nein zu sagen zu den Erwartungen, die an ihn gerichtet werden.

b. Paulus erhielt seine missionarisch apostolische Legitimation von Gott, und trotzdem war er bereit, Menschen, d.h. den Gemeinden oder Apostelkollegen Rechenschaft abzulegen und ihnen zu dienen. Paulus wusste, dass es "falsche Apostel" gab (vgl. 2Kor 11,13; Offg. 2,2 u.a.) und "hohe Apostel" (2Kor 11,5; 12,11), die nur auf Ehre bedacht waren. Die Menschen in und außerhalb der Gemeinde verbanden mit dem Apostelamt nicht nur positive Gedanken. Trotzdem hat Paulus an dieser Bezeichnung grundsätzlich festgehalten und sie mit anderen Metaphern ergänzt, wie Gottes Mitarbeiter, Landwirt, der aussät, Architekt, der ein Haus baut, usw. (vgl. 1Kor 3, 6ff). Er hat sich den Gemeinden in seinen Briefen als "Apostel Christi" vorgestellt. Er hat das Amt verteidigt (1Kor 9,1-2) und es im Sinne Jesu mit Leben gefüllt. 

6. Wie gestalten wir die Praxis?

a. Initiativen: Zur Verantwortlichkeit von Missionsgesellschaften gehört es, lokalen Initiativen Priorität einzuräumen. Eigene Initiativen dürfen eingebracht, aber nie alleine ohne integrative Mitarbeit und Zustimmung der lokalen Partner umgesetzt werden. Aber Vorsicht ist auch hier geboten, denn Zustimmung zu Initiativen, die vom Expat kommen, ist nicht zu verwechseln mit Idendifikation. Dazu wird Zeit benötigt, und es ist besser, eine Initiative ad acta zu legen, wenn man merkt, dass die Überzeugung zur gemeinsamen Gestaltung nicht vorhanden ist. Beim Aufbau einer sportmissionarischen Arbeit in Mali, einer Idee, die vom Expat eingebracht wurde, ist dieser Prozess der kooperativen Integration bisher nicht vollends gelungen.

b. Integration: Die in Mali gestartete pioniermissionarische Gemeindegründungsarbeit haben wir gemeinsam mit malischen Pastoren und Evangelisten entwickelt und sie zur Leiterschaft ermutigt. Missionare haben in unserer kirchlichen Arbeit in Mali nie die Rolle eines Vorsitzenden übernommen, weder auf nationaler noch auf regionaler Ebene. Bei der Erarbeitung theologischer Dokumente haben Missionare und malische Pastoren gleichermaßen Entwürfe vorgelegt, und wir haben sie nach Debatten und kontextuellen Feinjustierungen gemeinsam verabschiedet. Manchmal läuft es, manchmal nicht. Doch es ist immer der Mühe wert, auf Partnerschaft und integrative Zusammenarbeit zu setzen statt auf Alleingänge.

c. Lokale Kompetenzen: Bei den ersten öffentlichen Evangelisationen im Zentrum Malis haben wir malische Evangelisten aus Nachbargemeinden eingeladen. Später haben diese Aufgabe Pastoren übernommen, die zu unserem Team gehörten. Wir haben sehr früh verstanden, was Lillian Hankex, Professor für Weltevangelisation an der Candler School of Theology der Emory University, so formuliert hat: "Die Geschichte der christlichen Mission hat uns gelehrt, dass die besten Evangelisten Leute sind, die zum selben Volk gehören wie sie selbst".

d. Rückzug beizeiten: M. E. sollten Missionare sich von Aufgabenbereichen fern halten bzw. sich schnellstmöglich aus ihnen zurückziehen, die gut funktionieren und sich stattdessen auf Aufgaben konzentrieren, wo es eine strategische Lücke zu füllen gilt. Aus meiner Sicht sollten Missionare nach der Gründungsphase nie zu lange pastorale Aufgaben übernehmen und sich aus Komitees verabschieden, die der Verwaltung dienen.

e. Pionierarbeit und Übergabe: Unseren Dienst, den wir starten, oder in den wir uns einklinken, ist immer ein Dienst auf Zeit und auf Übergabe und Abgabe ausgerichtet.  Missionare werden nach wie vor eingeladen, gemeinsam mit lokalen Partnern Pionierarbeit zu leisten, ganz klassisch in von Evangelium unerreichten Gebieten, aber auch, um Initiativen in Bereichen zu starten, die bisher vernachlässigt wurden. Dabei ist es ein Unterschied, ob ich mich selber zum initiativen Leiter mache, oder ob mir Einheimische diese Rolle anvertrauen. Meine Funktion als Dekan an der neu gegründeten Fachschule für Theologie und Missionswissenschaft in Bamako (FATMES) wurde mir 2001 vom malischen Trägerverein angetragen. Dazu gehört Vertrauen in die Person und in ihre Kompetenz. Ich habe das Mandat auf Zeit begleitet, einen Übergangsprozess gestaltet und die Leitungsfunktion einem einheimischen Kollegen übergeben, damit keiner auf die Idee kommt, es handele sich hier um ein Projekt der Missionare und der Allianz-Mission. 

e. Pionierarbeit unter Unerreichten: Das Problem bei der missionarischen Pionierarbeit unter unerreichten Volksgruppen besteht darin, dass der Zugang oft durch eine prekäre Sicherheitslage, durch politische Spannungen, oder eine nationalistische Religionspolitik verhindert wird. Dieses Argument darf jedoch nicht zum Alibi werden, um die Ängstlichkeit und das oft übertriebene Sicherheitsdenken westlicher und manchmal auch lokaler Akteure zu kaschieren. In unsicheren Gebieten sind es die einheimischen Pastoren und Evangelisten, oder auch christliche Kommunalpolitiker, Lehrer, Beamte, Militärs und Unternehmer, die noch als einzige einen Zugang finden. Diese Initiativen können von Missionsgesellschaften unterstützt werden, indem Missionare im Hintergrund logistische Hilfe leisten und zur Schaffung eines lokalen Netzwerkes beitragen, wo Ermutigung, Erfahrungsaustausch und Fortbildung stattfindet, sowohl analog als auch digital.

f. Missionare sind Begleiter von lokalen Initiativen. Sie sind Ermutiger dafür, dass andere selber initiativ werden. Die lokalen Kirchen werden ermutigt, die missionale Mentalität einzuatmen und selber auf Sendung zu gehen. In Mali ist im Laufe der Zeit ein eigener Partnerbund entstanden, die Union des Eglises Protestantes Evangéliques au Mali (UEPEM). Alle Gemeinden werden heute von malischen Pastoren geleitet, die ihrerseits in ihrer Umgebung, da wo es die Sicherheitslage erlaubt, missionarisch unterwegs sind und Tochtergemeinden gründen und sich dabei gegenseitig unterstützen. Theologische Lehrer in Mali werden ermutigt, ihr Unterrichtsmaterial zu Papier zu bringen, eigene Buchprojekte zu initieren, um die Gemeinde vor Ort auf diese Weise zu unterweisen. Pastoren werden ermutigt, ihre rhetorischen Begabungen in der christlichen Medienarbeit zu nutzen.

g. Missionare begleiten als alongside missionaries in den Bereichen, wo das erwünscht ist, vorwiegend als Multiplikatoren. Begleiten, ermutigen, multiplizieren - all das macht jedoch nur Sinn, wenn neben die hehre Absicht auch die auf Erfahrung basierende Qualifikation tritt. Bevor ein Missionar begleiten und multiplizieren kann, muss er zunächst eigene Grassroot-Erfahrungen machen und ein Lernender im Kontext sein. Da, wo man selber als cross-cultural missionary Erfahrungen gesammelt und den gleichen Staub wie die Einheimischen eingeatmet hat, da entsteht Respekt und die Bereitschaft,  voneinander zu lernen. Die Dissonanz tritt dann auf, wenn die alongside mission sich mit dem Trend zu immer kürzer werdenden Einsatzzeiten verbinden soll. Meine multiplikatorische Tätigkeit als Dozent der Missionswissenschaft in Bamako hat einige der Studierenden ermutigt, eigene Initiativen zu starten, als Pastoren, Lehrer und Unternehmer oder Mediziner. Da ich eigene kulturelle Erfahrungen gemacht habe, konnten sie davon profitieren.

h. Expats sind "privilegierte outsider" und mit Möglichkeiten ausgestattet, die Einheimische nicht haben. Das gilt für europäische Missionare genauso wie für einen afrikanischen Missionar, der mit einer Organisation zusammenarbeitet und in einem fremden kulturellen Kontext tätig ist. Wie sehr wünsche ich mir, dass wir es lernen, die Kategorien Außen-Innen, Ausländer-Einheimischer, Gast-Gastgeber, Geber-Empfänger usw. in der Weltmission ad acta zu legen und einfach Schwestern und Brüder werden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gottes, Missionare, die gemeinsam im Auftrag Jesu Christi unterwegs sind. Ich wünsche mir im interkulturellen Miteinander eine Atmosphäre, wo jeder mal stark oder auch schwach sein kann, dumm und klug und wo es letztlich egal ist, wer Dinge initiiert und wo "an bee ye kelen ye (bambara: wir sind alle gleich) und "Augenhöhe" nicht nur Floskeln sind. Dazu braucht es Bereitschaft auf "beiden Seiten", auf der Seite der entsandten Missionarinnen und Missionare und auf der Seite der einheimischen Partner.

i. Missionare dürfen der Gemeinde prophetisch ins Gewissen reden und so darauf achten, dass die Gemeinde in der missionalen Spur bleibt. Das ist unser Auftrag nach innen. Missionarinnen und Missionare und auch Missionsgesellschaften unterstützen die Gemeinde darin, weit zu denken und gesellschaftsrelevante Akzente zu setzen. Das ist unser Auftrag nach außen. Warum? "Organisierte Gemeinden" und "verfasste Kirchen" tendieren dazu, ihre Beweglichkeit zu verlieren, sich selbst zu verwalten, sich selbst der Nächste zu sein und dem Pastoralen mehr Priorität einzuräumen als dem Apostolischen. Das gilt übrigens für Gemeinden in Deutschland gleichermaßen wie für Gemeinden in Mali. 

7. Ich gebrauche den Begriff "Mission" selbstbewusst und mit Überzeugung.

In Vorträgen und Predigten gebrauche ich den Begriff "Mission" bewusst und erkläre ihn so, dass er auch von "branchenfremden" Zeitgenossen verstanden wird. Ein Astronaut auf "Weltraummission" würde sich nicht als "Weltraummissionar" bezeichnen. Aber, sowohl der Astronaut im Weltraum als auch der theologische Lehrer in einem afrikanischen Land, werden auf Rückfrage gerne und leidenschaftlich von ihrer Motivation erzählen, von ihren Werten und "spirituellen Fixpunkten" berichten, und den Zuhörern würde deutlich: Die vertreten eine Überzeugung, die sind inspiriert, fasziniert und auf Mission eingestellt.

Ob im kirchlichen oder im säkularen Raum gibt es Überzeugungen, die enthusiastisch vertreten und verantwortungsvoll geteilt werden - das ist Mission.

"Was wir benötigen ist eine Theologie, die der tiefen Säkularisierung in den westlichen Gesellschaften Rechnung trägt, ohne sich dabei von der missionalen Natur des christlichen Glaubens zu verabschieden" (S. Paas, 5).

Konsequenterweise sprach der Astronaut Ulrich Walter in einer Talkshow davon, dass er mit seinen Kollegen "auf Mission" war. Der Unterschied liegt darin, dass an der hehren forschungsbasierten Motivation der Weltraumfahrer nicht gezweifelt wird, wohl aber an der dialogbasierten Motivation der christlichen "Globetrotter". Der eine fliegt als Astronaut zur ISS, der andere wird von einer Missionsgesellschaft als Mechaniker nach Kambodscha geschickt - und beide "sind auf Mission". 

Der Papst hat kürzlich während seines Besuchs in Ungarn von einer "Friedensmission" gesprochen. Der Papst als Friedensmissionar? Kann er das sein, angesichts der historischen Verstrickung der "heiligen pontifices maximi (Päpste als Brückenbauer)" in Inquisition, Diskriminierung, Sklaverei und Gewalt? Franziskus traf sich u.a. mit dem früheren Leiter des Moskauer Patriarchats, einem engen Vertrauten des russischen Patriarchen Kyrill. Letzterer wird nicht müde, sich als vehementer Unterstützer Putins vorzustellen. Der Papst sagte wörtlich: "Sie können sich vorstellen, dass wir bei dem Treffen nicht über Rotkäppchen geredet haben, sondern über alles." 

Der Buchandelsversand Thalia repräsentiert Leidenschaft für Bücher. Das Unternehmen hat eine Mission, ganz offiziell. "Als Botschafter geistiger Nahrung wollen wir jeden Tag Kunden ... mit Geschichten begeistern". Sie sehen sich als Geschichten-Entdecker, Ratgeber und Orientierungshilfe. Leute, was wollen christliche Missionen mehr? Wir haben eine Geschichte, die Menschen hilft, neues Leben mit Jesus zu entdecken und Rat und Orientierung zu finden. ... Die einen entwickeln ihre Mission und benutzen diesen Begriff selbstbewusst in ihrem Portfolio. Wir, die Christen, wir überlegen den Begriff abzuschaffen, weil er verbrannt oder nicht mehr zeitgemäß ist? Wie kommt es, dass immer dann, wenn Menschen eine Aufgabe mit besonderer Brisanz oder Leidenschaft wahrnehmen, von "Mission" gesprochen wird? Es scheint wohl Sinn zu machen, ganz gleich ob man Bücher oder eine Botschaft "auf den Markt bringt". Als ich heute den Begriff "Mission" im Suchsystem aufrief, wurden 4.130.000.000 Einträge angezeigt - von der Etymologie des Begriffs, der Schreibweise, Synonymen und dem Gebrauch in den verschiedensten Branchen der Gesellschaft ist alles dabei. Dabei reicht das Spektrum von religiöser Sendung bis hin zur Erledigung eines technischen Auftrages. Bryan Stone hat recht, wenn er sagt: "Wir leben in einem Zeitalter der Bekehrung (conversion)". Es gehört gewissermaßen zu unserer sozialen Natur, Werte sowie materielle und ideelle Segnungen mit anderen zu teilen. Wenn ein Verkäufer den Wert einer Ware anpreist, dann "legt er Zeugnis ab". Manager und Marktforscher sprechen vom "evangelism marketing", wenn Produkte über digitale Medien oder durch Mund-zu-Mund-Marketing ins Bewusstsein gerückt werden. Positive Erfahrungen mit Produkten werden als "testimonials" bezeichnet. Was geschieht in der christlichen Mission anderes als das? Der Inhalt macht den Unterschied. Ein neues Smartphone überzeugend auf den Markt zu bringen, ist etwas anderes, als den Menschen Jesus Christus als den Weg zu Gott vorzustellen. Und die Reaktionen sind unterschiedlich. Während das neue Smartphone als hilfreiches Werkzeug zur Lebensgestaltung akzeptiert wird, wird die Verkündigung der christlichen Botschaft als Einmischung in "die inneren Angelegenheiten der menschlichen Seele" diffamiert.  

Das moderne Marketing greift auf das Wortfeld christlicher Mission zurück. Der veraltete Begriff "Mission" erlebt offensichtlich eine Renaissance sondergleichen. Wer ihn nicht gebraucht ist out!? Wenn wir gute Erfahrungen auf einem Gebiet gemacht haben, dann teilen wir es anderen mit. Mission ist menschlich.

Fortsetzung:
Teil 3: Mission - aus der Zeit gefallen | 3. Die Suche nach alternativen Begriffen: https://alfredmeier.blogspot.com/2023/05/mission-aus-der-zeit-gefallen-3.html

Ich mache mich aus theologischer und zeitgenössischer Perspektive auf die Suche nach alternativen Begriffen. Gibt es Mögllichkeiten, den Begriff "Missionarin/Missionar" oder "Mission" adäquat zu ersetzen?

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