Migration | einfach zurückschicken geht nicht

Anfang des Monats beschloss die EU auf der kleinen europäischen Insel Malta einen Plan, um die "übermächtig gewordene Flüchtlingswelle" aus nordafrikanischen Ländern zu stoppen. 
Im Jahre 2016 haben sich 180.000 bis 200.000 Flüchtlinge und Migranten über die zentrale Mittelmeerroute (über Libyen und Tunesien) auf den Weg nach Europa (Italien) gemacht - ...
vorwiegend Afrikaner. Zu den Flüchtenden gehören aber auch Syrer, die wegen der Schließung der Balkanroute den Weg über Nordafrika wählten. 5.000 der boatpeople sind dabei ums Leben gekommen. In dem noch jungen Jahr 2017 sind es lt. der Internationalen Organisation für Migration bereits 250 Menschen, die den Tod gefunden haben.

Der Kernpunkt des auf Malta verabschiedeten Plans ist also, dass die vorwiegend jugendlichen Migrationswilligen an der gefährlichen Überfahrt übers Mittelmeer gehindert bzw. wieder nach Libyen zurückgeschickt werden sollen. Dort sollen sie in von der EU mitfinanzierten Lagern zunächst betreut werden.  Erreicht werden soll dies durch eine bessere Ausbildung und Ausrüstung der libyschen Küstenwache, um so den kriminellen Machenschaften der Schlepper das Handwerk zu legen. So weit so gut.

Was ist von diesen Plänen zu halten?

  • Die Pläne haben eine klare Botschaft: Wir wollen keine afrikanischen Migranten mehr in Europa.
  • Einerseits soll kriminellen Schlepperbanden ihr menschenunwürdiges Handwerk gelegt werden, andererseits kooperiert die EU bei der Umsetzung ihrer Pläne mit einem Land, das die Menschenrechte der Flüchtlinge selber mit Füßen tritt. Die Umstände, unter denen Afrikaner in Libyen untergebracht und wie sie behandelt werden, können durchaus mit den Begriffen Folter, Willkür, Rechtslosigkeit und Mord in Verbindung gebracht werden. Von daher kritisiert Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker mit Recht: „"Wer mit einem Staat, in dem es drei Regierungen und mehr als eintausend bewaffnete Gruppen gibt, einen Flüchtlingsdeal abschließen will, inszeniert eine Farce. Denn keiner der möglichen Vertragspartner kann glaubhaft machen, staatliche Autorität auszuüben und Grundprinzipien der EU zu respektieren.“
  • Die Pläne greifen zu kurz. Sie sind ineffizient und widersprechen den eigenen, europäischen ethischen Grundsätzen. Die Flucht- bzw. Migrationsursachen werden so nicht bekämpft.
Bereits im November 2015 wurde ein EU-Sondergipfel in Malta zur Flüchtlingsproblematik abgehalten. Festzustellen ist, dass die europäischen Regierungen die schweren Menschenrechtsverletzungen ihrer afrikanischen Vertragspartner seit dieser Zeit nicht konsequent genug geahndet haben. Der sog. „Kampf gegen die Fluchtursachen“ verliert sich in diplomatischer Rhetorik und finanziellen Versprechungen, die Politiker in Afrika und den im Hintergrund agierenden Banden in die Hände spielen. Dies gilt nicht nur für Libyen, sondern auch für den Sudan und für Äthiopien.

Selbst Kanzlerin Angela Merkel hat zugegeben: „Wir brauchen eine politische Lösung für ein stabiles Libyen.“ So ist es. Europäer haben einen beträchtlichen Beitrag dazu geleistet, Libyen zu destabilisieren. Allein aus diesem Grunde verbietet es sich, Migranten einfach in diesen politisch instabilen Verhältnissen zu belassen oder sie dorthin zurückzuschicken.
Nicht das Zurückschicken in illegale, ethisch zweifelhafte Zwischenräume und Auffanglager löst das Problem. Dafür sind Innenminister de Maizière und der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann zu Recht ritisiert worden. Es gilt: back to the roots. Und die Wurzeln von Flucht und Massenmigration liegen in den Herkunftsländern der Betroffenen. Hier gilt es konstruktive, die klassische Entwicklungshilfe überbietende Maßnahmen in die Wege zu leiten, die jungen Afrikanern Perspektiven vermitteln. Der Ausgangspunkt für solche Maßnahmen liegt bestimmt nicht in Malta, oder auf dem Rednerpult des europäischen Parlaments. Perspektiven entwickeln können nur die, die vor Ort sind, die die Situation verstehen und die die moralische Kraft besitzen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Diese Hindernisse bestehen in der Mentalität afrikanischer Eliten und der unfairen internationalen Wirtschaftspolitik. 
Aus meiner Sicht gehen einige der zaghaften Andeutungen des SPD-Politikers Thomas Oppermann, nachzulesen in der FAZ vom  5.2.17, in die richtige Richtung:  
  • Legale Wege der Einreise schaffen, durch verabredete Kontingente innerhalb eines geordneten Resettlement-Verfahrens
  • Bessere und gerechtere Verteilung der Migranten auf die EU-Mitgliedsstaaten
  • Verabschiedung eines Einwanderungsgesetzes, das den Arbeitskräftebedarf flexibel regelt (z.B. durch zeitlich begrenzten Aufenthalt und Einbeziehung von Unternehmen bevor das Abenteuer von Flucht und Migration beginnt)
Bereits im Jahre 2007, also schon vor der heißen Phase der Migrationswellen, wurde ein interessantes Projekt zwischen der EU und Mali vereinbart. In Bamako entstand ein EU-Jobcenter. Europäische Firmen konnten ihren Arbeitsplatzbedarf nach Mali melden. Vor Ort sollten dann vermittelt und "einigen Tausend" Maliern die legale Reise nach Europa ermöglicht werden. Die EU hatte außerdem Hilfe beim Spracherwerb zugesagt. Besonders in der französischen Bauwirtschaft und belgischen Landwirtschaft, so war zu lesen, soll es konkreten Bedarf geben. Die Listen sind jedoch leer geblieben. Das wohlgemeinte und in eine richtige Richtung weisende Experiment ist grandios gescheitert, so nachzulesen im Bericht der taz vom 15. Dezember 2016. Warum? Die EU durfte keine Visa erteilen, weil die Mitgliedsstaaten nicht mitspielten. Das Beispiel zeigt: Europa ist sich uneinig und mehrheitlich nicht gewillt, die Problematik kompetent und strukturell relevant anzugehen.

Das einfache Zurückschicken in nordafrikanische Transitländer und in die dortigen Flüchtlingslager jedenfalls, auch wenn sie mit europäischem Geld aufgepeppelt werden, greift viel zu kurz und ist nicht kompatibel mit den europäischen Vorstellungen von Menschenrechten. Ganz zu schweigen von den enttäuschten Hoffnungen, die zu noch mehr Frust und erneuten, gefährlichen Fluchtversuchen führen.
Die Maßnahmen der EU sind Abwehrmechanismen, tragen aber nicht zur strukturellen Lösung bei. Europäer wollen vollmundig Fluchtursachen bekämpfen. Geld alleine und Abkommen mit Transitländern reichen dazu jedoch nicht aus. 
Kreativität, politischer Wille, entwicklungspolitische Kompetenz und konkrete Kooperation mit den Beteiligten, d.h. den arbeitslosen Jugendlichen und Unternehmern in den Herkunftsländern wären nötige Voraussetzungen für nachhaltige Hilfe. Die aufgezeigten Faktoren sind jedoch im politischen Mainstream nur rudimentär vorhanden. Mit halbem Herzen kann keine ganze Sache gemacht werden. Stippvisiten von 8 Stunden reichen zwar, um einen Scheck zu überreichen, nicht aber, um die Migrationsproblematik annähernd zu verstehen bzw. einer Lösung zuzuführen. Die EU betreibt den Kampf gegen die Flüchtlingsursachen mit einem Preisschild auf dem Verhandlungstisch in abgeschirmten Konferenzsälen und damit auf dem Rücken der Betroffenen. 

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