Kommunikation | warum verstehst du nicht, was ich meine?

"Ich muss gehen, komme aber gleich wieder zurück!" (auf Bambara: Ne be taa ka na!) - Diese Ansage hören wir in Mali fast täglich bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten - auf dem Markt, bei laufenden Arbeitssitzungen oder lockeren Treffen draußen beim Tee. Aber was ist damit gemeint? Für eine Person mit westlicher Prägung scheint das klar: Jemand hat zwischendurch etwas Unvorhergesehenes zu erledigen, er entschuldigt seine kurze Abwesenheit, verspricht jedoch, bald wieder da zu sein - was natürlich auch so eintrifft.-  In Mali ist das anders. Die Aussage kann, ...
... aber muss nicht wörtlich gemeint sein. Sie besagt meist: "Ich gehe jetzt, um nicht mehr wieder zu kommen!" (franz. Je pars et je ne reviens plus.) - Auf dem Markt: Ich gehe weiter (und komme nicht mehr wieder), weil mir deine Preise zu hoch sind. Beim Gespräch: Ich gehe jetzt (und komme nicht wieder), weil ich Dringenderes zu erledigen habe. Hier gilt: Du hast etwas gesagt und es anders gemeint! Die Möglichkeit, sich auf diese Weise kulturrelevant und elegant aus der Affaire zu ziehen, haben wir des Öfteren schon selber genutzt.
Manche begründen die Divergenz zwischen Wort und Tat mit der Beziehungsorientierung. Konkret: Jemand möchte den Gesprächspartner mit Worten nicht brüskieren und gibt daher etwas Positives vor. Beim Nichteintreffen der verbalen Ansage ist er nicht mehr zugegen und muss daher keinen Gesichtsverlust erleiden. Dennoch bleiben Zweifel und die Frage stellt sich: Was ist an diesem Verhalten beziehungsorientiert? Die Tatsache, dass der eine den anderen hat sitzen lassen, bleibt bestehen. Was ist an dieser Haltung aufrecht, wenn jemand A sagt und B meint? 

Ein anderes Beispiel: Wenn jemand auf Bitten des Teams den Arbeitsplan und die inhaltlichen Schwerpunkte für ein künftiges gemeinsames Buch vorlegt, so wird das meist ohne inhaltliche Kritik oder Ergänzungen durchgewunken. "Wir finden das gut!" 
Warum diese Vorgehensweise ? Malische Mitarbeiter möchten den, der in das gemeinsame Projekt investiert (zeitlich, finanziell, gedanklich) nicht durch Kritik und "unnötige Verbesserungsvorschläge" entmutigen. Sie brauchen ihn ja. Und je mehr sie ihn brauchen, um  so weniger wird kritisiert oder nachgebessert. Sie erhoffen sich durch ihr Durchwinken, dass der Initiator der Ideen dies als Lob empfindet und sich umso stärker engagiert. Gemeint ist also: "Super, was du da vorgelegt hast. Finden wir gut, wenn auch hier und da ... aber egal - jetzt mach dich an die Arbeit!" Hier gilt: Ich möchte, dass du mehr verstehst als ich gesagt habe! 
Sachorientierte, westliche Personen hätten sich ungeachtet des Engagements des Ideengebers die Freiheit genommen, Kritik oder Verbesserungsvorschläge einzubringen, oder auch zu sagen, dass das "relativ bescheiden" ist, was da als Konzept auf dem Tisch liegt. Kritik dient eben der Sache und richtet sich nicht gegen die Person (!?). 
Der beziehungsorientierte Malier denkt und handelt anders, um das Engagement des Ideengebers nicht zu verlieren. Hier gilt also: Schweigen oder positive Rückmeldungen müssen nicht uneingeschränktes Lob und Einverständnis bedeuten. Die Kritik an der Sache wäre zwar angebracht, nur sie wird nicht geäußert, um die Beziehung und den Teamgeist nicht zu belasten. 

Hast du verstanden, was ich meine oder nur gehört, was ich sagte? 

Kommunikation ist für uns Menschen im Allgemeinen und für Missionare im Besonderen eines der wichtigsten, notwendigsten und gleichzeitig problematischsten sowie Fettnapf verdächtigsten Phänomene. Es führt kein Weg an ihr vorbei. Wir praktizieren sie und machen uns über Kommunikation Gedanken. Wir entwickeln unsere Theorien, um zu klären, was da eigentlich passiert. Manchmal praktizieren wir sie auch gedankenlos, einfach so. 
Trotz aller Missverständnisse, Probleme und Unsicherheiten – wir kommunizieren. Wir reden immer weiter. Vielleicht reden wir nach einem Missverständnis anders und bewusster, aber wir lassen uns das Reden an sich nicht verbieten. Das ist gut so.

Was ist Kommunikation?


Kommunikation ist der sich in einem situativen und kulturell geprägten Kontext vollziehende Versuch, Ideen oder Sachverhalte so zu formulieren und zu vermitteln, dass der Gesprächspartner die Möglichkeit hat, zu verstehen, was der Sender der Botschaft gemeint hat und so zum veränderten Nachdenken und Handeln zu ermutigen.

Es ist ein großes Missverständnis zu meinen, dass der Andere genau das versteht, was ich meine. Denn wir können nicht davon ausgehen, dass der Gesprächspartner über den gleichen Wortschatz, den gleichen Bedeutungsvorrat und über die gleichen Dekodierungsmechanismen verfügt, oder sich in der gleichen emotionalen oder kulturellen Situation befindet wie ich selber. Das normale bei der Kommunikation ist das Missverständnis – Verständnis zu erzielen ist eher die Ausnahme. Das gilt für jegliches Kommunikationsgeschehen. Unter Ehepartnern und Freunden ist das Potential an Missverständnissen möglicherweise geringer, aber immer noch vorhanden. Kommen die Gesprächspartner aus unterschiedlichen Kulturen (Europa - Afrika) oder aus unterschiedlichen Subkulturen (Alte - Junge), dann sind Missverständnisse wider allen guten Willen vorprogrammiert.

Zurück zur Definition:

  • Kommunizieren heißt versuchen: Es gibt keine Garantie, dass Kommunikation gelingt, d.h. Botschaften so verstanden werden, wie sie gemeint sind. Weil Kommunikation lebenswichtig ist, starten wir immer wieder neue Versuche der Nachrichtenübermittlung. Wir sagen es anders, probieren andere Gesten aus und achten auf unseren Tonfall. Im Gespräch verbirgt sich die Sehnsucht nach Verständnis.
  • Kommunikation ist ein partnerschaftlicher Vorgang: Wir reden in der Begegnung von Gesprächspartnern. Sender und Empfänger der Botschaft sind Partner in einem dynamischen Prozess der Kommunikation. Partner investieren Vertrauen und sind, was Aussage und Verständnis angeht, um den gemeinsamen Erfolg bemüht. Vertrauen und Wohlwollen sind wichtige Voraussetzungen für gelingende Kommunikation. Beides kann wie selbstverständlich vorhanden sein (Freundschaft, Ehe), muss im interkulturellen Kontext aber zunächst erworben und erarbeitet werden.
  • Kommunizieren heißt ermöglichen: Bei der Nachrichtenübermittlung besteht die Verantwortung zum Erfolg auf beiden Seiten. Der Sender eröffnet durch entsprechende Formulierungen und Gesten (also verbal und nonverbal) die Möglichkeit erfolgreichen Verstehens. Der Empfänger trägt die Verantwortung diese wohlwollend zu nutzen.
  • Kommunizieren heißt verstehen: Kommunikation gelingt nicht dort, wo viel geredet, sondern wo viel verstanden wird. Verständnis ist das Ziel jeder Kommunikation. Die Bedeutung übermittelter Zeichen soll möglichst deckungsgleich erfasst werden.
  • Kommunizieren heißt etwas meinen und bewirken: In der Kommunikation unternimmt der Sender den Versuch, seine Meinung, also die Deutung einer Idee oder eines Sachverhaltes, zu vermitteln. Er hat eine Intention, eine Absicht, nämlich die, den Sender über seine Meinung in Kenntnis zu setzen und damit Wirkung zu erzielen. 
  • Kommunikation geschieht in einem kulturellen und situativen Kontext: Sender und Empfänger werden beim Senden und Empfangen von Botschaften von intendierten Meinungen (Denkvoraussetzungen, Präsuppositionen d.h.was unausgesprochen vorausgesetzt wird), von kulturellen Prägungen (offen, direkt, indirekt, beziehungsorientiert oder sachorientiert), situationsbezogenen Gegebenheiten (Stimmungen, Temperatur, Beschaffenheit des Ortes usw.) beeinflusst, aber auch von persönlichkeitsstrukturellen (individuellen) Faktoren (Wortschatz, Bildungsniveau, soziale Herkunft, Charakter, Mentalität usw.). Faktoren, die eine Kommunikation stören können, kommen nicht immer von außen, sondern liegen meist in der Denk- und Persönlichkeitsstruktur des jeweiligen Senders und Empfängers verborgen.
Wir reden, also sind wir. Kommunikation gehört zu unseren menschlichen Grundfähigkeiten und Bedürfnissen. Wir können nicht anders, als zu reden und zu kommunizieren. Ständig sind wir dabei, Signale und Botschaften zu senden, in unserer eigenen und in fremden Kulturen. Kein Wunder, dass es hier und da zur Verwirrung und zu Missverständnissen kommt. Diese auszuräumen ist die Kunst guter Kommunikation. Also reden wir weiter.

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