Malireise 2012 | Mädchenbeschneidung in Mali
Wir fahren Richtung Stadt und sehen am Straßenrand
ein riesiges, buntes Reklameschild, das unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Es ist ein Werbeplakat gegen die Mädchenbeschneidung in Mali. Darauf ist zu lesen: Der Körper eines Mädchen ist heilig. Lasst die Mädchen vollständig!
Es ist ein Hammer – zumindest aus westlicher
Sicht. 94 % aller malischen Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 49
Jahren sind beschnitten. Das, was aus westlicher Perspektive als eine grausame Verletzung
der weiblichen Würde angesehen wird, wird von den betroffenen Frauen oft ganz selbstverständlich
als ein Bestandteil ihrer Kultur angesehen.
Die Beschneidung von Mädchen ist besonders in
Nord- und Westafrika auch heute noch stark verbreitet. Mädchen werden vom
Kleinkind- bis ins Erwachsenenalter beschnitten. In Mali wird dieser Eingriff
von traditionellen Hebammen oder sog. numumusow (Frauen von Schmieden) durchgeführt.
Küchenmesser, Glasscherben oder Rasierklingen dienen dabei als chirurgische Instrumente. Immer häufiger kommt es auch vor, dass die Beschneidung in offiziellen Krankenstationen
vorgenommen wird.
Bei dem Eingriff erleben die betroffenen Mädchen
unsägliche Schmerzen. Dabei wird entweder die Klitoris ganz oder teilweise
entfernt. Auch die Schamlippen werden teilweise abgeschnitten. Zurück bleibt
ein verstümmeltes Geschlechtsorgan. Die Heilung dauert oft sehr lange. Beschnittene
Frauen, die Kinder zur Welt bringen, haben oft große Probleme, ihre Kinder zu
gebären.
Man fragt sich: warum halten die afrikanischen
Frauen mehrheitlich an dieser Praxis fest? Die Ursachen sind eher in der Kultur
und weniger in der religiösen Tradition zu finden. Im Islam gibt es unterschiedliche
Auffassungen zur Beschneidung von Frauen. Der Grund liegt eher im
soziologischen Bereich. Beschnittene Frauen sind in der Gesellschaft eher
anerkannt und haben weniger Schwierigkeiten, einen Mann zu finden. Werden
Männer nach ihrer Meinung zur Problematik befragt, ergeben sich ganz
unterschiedliche Positionen. Die einen sind neutral, die anderen befürworten
die Mädchenbeschneidung. Als Grund wird oftmals angegeben, dass beschnittene
Frauen weniger sexuelle Bedürfnisse hätten, daher leichter zu befriedigen seien
und ihr Verhalten „besser kontrolliert“ werden könne.
Säkulare aber auch kirchliche Frauenverbände (wie
z.B. Arbeitskreis der Frauen innerhalb der Ev. Allianz in Mali) und die
staatliche Gesetzgebung versuchen seit Jahren gegen die scheinbar übermächtige
Tradition anzukommen. Bisher vergebens. Doch allmählich wächst das
Selbstbewusstsein der Frauen und damit der Widerstand gegen die schmerzhafte
und erniedrigende Praxis der Mädchenbeschneidung.
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