Malireise 2012 | Christen fliehen vor der Gewalt radikaler Islamisten
Am Nachmittag haben wir die Gelegenheit mit Christen zu reden, die wegen der Rebellion im Norden Malis Haus und Hof verlassen
mussten. Wir fahren nach Niamana, ca. 15 km vom Stadtzentrum Bamako entfernt, wo sich ein kath. Zentrum befindet, in dem die Flüchtlinge untergekommen sind. Wir treffen Kinder auf dem Hof des Geländes, die sich beim
Fußballspiel austoben. Mit von der Partie sind Sven Eißele und Erhard Michel (beide Allianz Mission). Pastor Enoc Sagara begleitet uns bei unserem Besuch und
stellt uns vor. Wir nehmen unter Bäumen auf dem Hof Platz, bevor uns der Regen
dazu zwingt, unser Gespräch in einem der Räume fortzusetzen.
Zwei Pastoren und ein Projektleiter aus Ansongo,
Gao, Diré und Goundam berichten uns, wie
sie die Ereignisse im März und April, bis zum Tag ihrer Flucht erlebt haben. Viele vor
uns haben ihnen schon die gleichen Fragen gestellt, darunter auch Journalisten
und Leute vom Fernsehen. Trotzdem klingen die Antworten nicht routiniert, sondern
spiegeln ehrlich und offen das Drama, was hinter ihnen liegt. Ihre Blicken wirken nachdenklich und die Erinnerung an die Tage der Angst und der Flucht sind noch sehr präsent.
Sie sind zu Flüchtlingen geworden, weil jeder
wusste: Wenn die islamische Scharia eingeführt wird, dann haben wir keine
Chance mehr, unseren Glauben frei zu leben und Gottesdienste zu feiern. Die Christen
wurden bedroht. Hab und Gut wurde konfisziert. Gemeindehäuser und
Pastorenwohnungen und eine Bibelschule in Gao wurden ausgeraubt und geschändet.
„Alles was man irgendwie transportieren und demontieren konnte, haben die Leute
mitgenommen“, so erzählt uns Pastor C. Die Bibliothek der Bibelschule in Gao
fiel den Flammen zum Opfer. Heute dient das Gelände dieser Schule den
Islamisten als eines ihrer Hauptquartiere. „Wir sind dankbar, dass wir alle
einem möglichen Massaker entgangen und mit dem Leben davon gekommen sind“,
erzählen uns die Pastoren erleichtert.
Die Evakuation musste schnell erfolgen. „Da man
uns Autos und Motorräder weggenommen hat, mussten wir viele Kilometer zu Fuß
laufen, um die Bustickets zu besorgen. Dann sind wir mit einem Bus losgefahren
und wohlbehalten in Sévaré angekommen. Nach drei Tagen waren die Strapazen der Reise vorbei und wir kamen endlich in Bamako an“, erzählt Pastor C. Er ist mit seinen
Leuten aus Gao geflohen.
Die Islamisten hatten es auf die wenigen Bambara abgesehen,
die als Animisten gelten und seit Generationen im Norden Malis leben, des
Weiteren auf Leiter von Projekten, auf Beamte und vor allem auf Christen. „Den Islamisten
war nichts heilig“; so erzählt S. „Selbst die Malikiten (Anhänger einer islam.
Rechtsschule aus dem 8. Jh.), die den Koran anders auslegen als die
salafistischen Sunniten mussten das Schlimmste befürchten.“ Den aktuellen
Vermittlungsversuchen, die vom Hohen Islamischen Rat in Mali unternommen
werden, traut man nicht. „Die reden alle mit gespaltener Zunge“, vermutet S.
Die Evakuation der Christen aus Tombuktu ist
teilweise mit Bussen erfolgt, die in Bamako gechartert wurden. Dafür haben
Baptistengemeinden aus den USA Gelder zur Verfügung gestellt. Die Aktion ist
von einem malischen Hilfskomitee organisiert worden. Der Pastor der Gemeinde aus Tombuktu und einer der einflussreichsten Pastoren des Baptistenbundes ist inzwischem im Exil in den Staaten. Die Islamisten haben ihn auf dem Kieker - tot oder lebendig.
371 (54 Familien) Christen sind aus den Städten
des Nordens geflohen. 198 (16 Familien) davon sind im katholischen
Gästehaus in Niama untergebracht. Andere wohnen in einem Stadtteil von
Bamako. Christen aus Baptistengemeinden und Pfingstgemeinden sind gemeinsam
geflohen. Die Rebellion vereint Gemeinden. Die kath. Kirche hat nach
Vermittlung der Ev. Allianz den evangelischen Glaubensflüchtlingen ihr Zentrum
umsonst zur Verfügung gestellt. Lediglich für den Strom müssen sie Geld zahlen.
Kurz vor unserer Abfahrt versammeln sich die
Gläubigen zu einem Gottesdienst. Die Gemeinschaft, die Lieder und Gebete
helfen, das Trauma der Flucht zu verkraften. Ob sie jemals ihre Heimat
wiedersehen werden? Einige versuchen jetzt schon eine dauernde Bleibe und
Arbeit in Bamako und Umgebung zu finden.
Wir merken, dass ihnen das Erzählen ihrer
Geschichte gut tut. Die Geschwister freuen sich über die große Anteilnahme, über
unseren Besuch und die Unterstützung, die sie von vielen Gemeinden weltweit
erfahren haben.
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