Allianz Mission | wilde Anfangsjahre

Das Manuskript in Deutsch zum neuen Buch aus der Reihe STEPPENTANZ über die Geschichte der Allianz-Mission und ihrer Partnerkirche in Mali ist bald fertig. Nach dem letzten Schliff der 600 Seiten fehlt noch das Lektorat. Danach geht es in den Onlinedruck. Vorab gibt es hier einen kleinen Ausschnitt aus einem der einleitenden Kapiteln:

Die Gründung der Allianz-Mission im 19. Jahrhundert.

Das Ziel der Beschäftigung mit der Geschichte der Allianz Mission im Kontext des Buches ist es, die wesentlichen Schritte der Entstehungsgeschichte der AM und ihrer Entwicklung zu skizzieren und dabei herauszufinden, welche Mentalität(en) prägend waren und welche Lektionen für die Arbeit in Mali zu lernen sind. Die ausführliche Beschreibung und die sich daraus ergebenden persönlichen Schlussfolgerungen gibt es dann im Buch ...

... Die Gründung der Allianz-Mission im Jahre 1889 vollzieht sich im multikulturellen und multitheologischen Kontext. Die drei impulsgebenden Protagonisten kamen aus unterschiedlichen Ländern. Franson war amerikanischer Evangelist mit schwedischem Hintergrund. Taylor war englischer Arzt und Missionar und Polnick ein deutscher Geschäftsmann. Auch die geistlichen und theologischen Prägungen waren unterschiedlich. Franson gehörte einer Baptistengemeinde an und war stark von der Heiligungsbewegung und dem Evangelisten Dwigth L. Moody geprägt. In seinem Auftreten wurde er (wohl eher kritisch) als dem schwärmerischen Lager zugehörig angesehen. Taylor entstammt dem methodistischen Milieu, war später Mitglied einer Baptistengemeinde und stand im Kontakt mit der offenen Brüderbewegung. Polnick begründete gemeinsam mit anderen nach seiner Bekehrung einen überkonfessionellen „Gebets- und Evangelisationskreis“. Offizielle Kontakte zum im Jahre 1874 gegründeten Bund FeG bestanden damals noch nicht. Polnick vertrat die Deutsche China-Inland-Mission als Delegierter bei der als Vorläufer der ökumenischen Bewegung geltenden Edinburgher Weltmissionskonferenz im Jahre 1910. Dies erhöhte den Bekanntheitsgrad der Allianz-Mission. Auch das erste Missionskomitee hatte starke multiperspektivische Tendenzen - es war mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Konfessionen besetzt. Gemeinsam war allen die unkonventionelle und pioniermissionarische Dynamik.

Die Allianz-Mission ist nicht durch eine organisierte Gemeinde entstanden. Sie verdankt ihre Gründung vielmehr der Initiative und Motivation einzelner charismatischer, pioniermissionarisch begabter Personen, die dem überkonfessionellen bzw. freikirchlichen Spektrum angehörten. Die Gesetzgebung des ausgehenden 19. Jahrhunderts erlaubte die Bildung religiöser Vereine, die neben kirchlichen Strukturen existieren konnten. Historisch gesehen ist die Allianz-Mission also keine konfessionelle Missionsgesellschaft (Gemeindemission), sondern eher überkonfessionell geprägt und von Mitgliedern eines Bibelkreises gegründet worden.
Der als Ideengeber bei der Gründung der AM geltende Frederik Franson kommt in Polizeigewahrsam. Seine Veranstaltungen lösen Tumulte aus. Die AM wird an den Kirchen vorbei als Verein in einem „Wohnzimmer“ gegründet. Unkonventionelle, wilde Anfangsjahre. Keine Theologen im Vorstand. Frauen auf die Kanzel. Extremes Heilungsgebet … 

Hartmut Weyel schreibt über die Evangelisationen Fransons und die vorherrschende Atmosphäre in der Zeit der Gründung der AM: „Für heutige Begriffe und Empfindungen ging es in den Veranstaltungen ziemlich schwärmerisch, enthusiastisch und gefühlsbetont zu. Das entsprach sowohl der Mentalität von Franson als auch der von Polnick, der ein überaus begeisterungsfähiger, radikaler und einseitiger Mensch war. Offenbar braucht Gott solche Typen, um Anfänge zu setzen, die nach normalen menschlichen Maßstäben gar nicht hätten begonnen werden dürfen. (Quelle: www.allianzmission.de/ueber-uns/geschichte/ (17.11.2020)
Die im letzten Satz des Zitats zum Ausdruck kommende subjektive Einordnung gilt es m.E. zu relativieren. Weyels Aussage suggeriert, dass der „Weg zur Weltmission“ anders hätte aussehen sollen – sich an kirchlichen Strukturen orientierend, theologisch gemäßigter, nüchterner, reflektierter, weniger enthusiastisch, geordneter, diplomatischer. Es gilt jedoch zu bedenken, dass bei entscheidenden Weichenstellungen in der biblischen Geschichte, aber auch in der Kirchen- und Missionsgeschichte, Gott, mehr als uns aus heutiger Sicht vielleicht lieb sein mag, unkonventionelle, „einseitige, radikale Typen“ gebraucht hat, „um den Wagen des Volkes Gottes aus festgefahrenen Furchen auf freies Land zu stellen“. Dabei wurden theologische Besonderheiten und prophetischer Enthusiasmus in Kauf genommen. Theologische Einseitigkeiten, die im Laufe der Zeit durchaus feinjustiert und korrigiert werden müssen, können sowohl auf dem Nährboden reflektierter Nüchternheit (z.B. Traditionen, konfessionelle Vorgaben oder kirchliche Universitätstheologie), als auch auf dem des Enthusiasmus (z.B. Erweckungs- und Heiligungsbewegungen, individuelle Begeisterung) entstehen.
Im Kontext von Gemeindebildung und missionarischen Aufbrüchen zeigen die Ereignisse an Pfingsten und in der Apostelgeschichte, dass die Abweichung von den „normalen menschlichen Maßstäben“, das Unberechenbare, das dem Aufruhr Nahestehende, das nicht Mehrheitsfähige offenbar wegweisend und prägend waren, um die Jesusbewegung nachhaltig zu gestalten und zu etablieren. Dabei waren theologische Divergenzen von Anfang an mit im Spiel (Apg 15), die mal harmonisch gelöst wurden, mal konfrontativ verliefen. In Gal 2,11ff geraten Paulus und Petrus in Antiochia heftig aneinander. Heftig ist auch die Tatsache, dass Paulus offensichtlich von konservativen Agenten aus Jerusalem in seiner Arbeit bespitzelt und kontrolliert wird. Spontane Änderungen in der Missionsstrategie, wie z.B. die, nicht nach Asien, sondern nach Europa weiterzuziehen (Apg. 16,6-12), zeugen von einem großen Maß an Freiheit, die das Team überraschte und erst recht nicht mit aussendenden Organen abgesprochen war. So zu handeln war bei Paulus kein „rebellisches Prinzip“, sondern sensibler Gehorsam gegenüber göttlichen Impulsen. Apg. 16,4 zeigt, dass Paulus sich den mit der Jerusalemer Muttergemeinde verabredeten Leitlinien durchaus verpflichtet sah.
Nachstellungen, sowohl von innen als auch von außen gesteuert, Intrigen, Anzweiflung der apostolischen Integrität, Tumulte, Verfolgungen, Tötungsversuche und Gerichtsverfahren sind in der apostolischen und frühkirchlichen Epoche an der Tagesordnung.
Motivierende, biblisch orientierte und von der Mission Gottes inspirierte Begeisterung einerseits und logisch reflektierte Vorgehensweisen in der Praxis andererseits schließen sich einander nicht aus. Für Ersteres standen Franson und Polnick. Für Letzteres stand Hudson Taylor mit seinem überlegten Vorgehen im Inneren Chinas, wo die ersten Missionare der AM ihren Dienst begannen. Die Missionsleiter der Folgezeit trugen ihrerseits zu einer gemeindebezogenen und an konservativer Exegese orientierten Vorgehensweise bei, die in der „Mitte der Gemeinden“ mehr Anerkennung fand.
Wie wäre die Gründungsgeschichte der Allianz-Mission verlaufen, hätten sich „freischaffende Künstler“ wie Polnick und Franson vom „nüchternen Urteil“ des FeG-Pastors Heinrich Neviandt und von den eher langsam tickenden Uhren einer konstituierten Gemeindestruktur abhängig gemacht? Die bewusst gewählte Überkonfessionalität und Vereinsstruktur zeugen aus meiner Sicht durchaus von einer reflektierten, nach menschlichen Maßstäben sinnvollen Vorgehensweise." ...

Auszug aus dem Kapitel: "Die Gründung der Allianz-Mission im 19. Jahrhundert" in: Meier, Alfred. 2021. Gemeinsam unterwegs. Die Geschichte der Allianz Mission und der Union Evangelisch-Protestantischer Gemeinden in Mali. (Reihe: Steppentanz Bd. 5). Bamako (erscheint im Frühjahr 2021)


Kommentare

Unser Partner

Schule in Sabalibougou

SPENDENFORMULAR

Spendenkonto

Spar- und Kreditbank Witten

IBAN: DE86452604750009110900
BIC: GENODEM1BFG

Zweck: Meier - Mali