Bambara | der Weg von der Sprache zur Wirklichkeit

Sprachen lernen macht Spaß. Und es erweitert den Horizont in vielerlei Hinsicht. Neue Kulturen erkunden und sich mit den Menschen aus anderen Ländern verständigen können, das ist ein riesiges Privileg. Auch deshalb lohnt es sich, Missionar zu sein.
Heute haben wir eine hilfreiche Entdeckung gemacht. Sie hat uns gezeigt, dass die Sprache nicht nur ein einfaches Instrument zur Kommunikation darstellt, sondern dass sie auch anthropologische Einsichten vermittelt. Sprache spiegelt die kulturelle Wirklichkeit – so nennen das die Linguisten.

Fast täglich gebrauchen wir in Mali den Begriff aus dem Bambara balima (sgl.). Die balimaw (pl.) sind die Geschwister, die sowohl der eigentlichen Kleinfamilie aber auch dem größeren Verwandtenkreis entstammen können. So werden in Mali auch die Vettern und Cousinen als Geschwister bezeichnet. Und im christlichen Bereich bezeichnen wir uns in der Gemeinde als balimaw Krisita la – als „Geschwister in Christus“. 
Das Wort gibt es in einer männlichen Variante (balimakè: Bruder) und in einer weiblichen (balimamuso: Schwester). Die beiden Varianten dienen mit dem personalen Zusatz ne (mein) im Bambara (also n’balimakè oder n’balimamuso) auch als Äquivalente zum Französischen frère (Bruder) und soeur (Schwester). In der alltäglichen Ansprache, falls man eine Person weder mit Vor- noch mit Nachnamen kennt, dann kann man sie auch mit n’balimakè oder n’balimamuso anreden. Dies würde im Französischen Monsieur (Herr) bzw. Madame (Frau) entsprechen. 
Das Bambara ist eine anschauliche Sprache, wo die Beziehung eine große Rolle spielt. Junge und Mädchen, Bruder und Schwester, Mann und Frau werden mit dem Begriff balima in ihrer Beziehung zum mütterlichen Ursprung beschrieben. Wenn man sagt: Er ist mein Bruder, dann wird damit immer ausgesagt: Wir stammen beide von der gleichen Mutter ab (ba kelen, même mère).

Wenn man das Wort seziert und in seine Silben zerlegt, dann treten unterschiedliche, sich einander ergänzende Bedeutungsebenen hervor.
  • ba bedeutet Mutter im Gegensatz zu fa (Vater)
  • -li ist ein Suffix und bezeichnet die Qualität und den Wert einer Sache/Person
  • -ma ist ebenfalls ein Suffix, das die Zugehörigkeit oder den Besitz anzeigt.
Ideelle Bedeutungsebene: Ein balima ist also eine Person, die die Werte und die Qualität des Mütterlichen widerspiegelt. Die Übersetzung von balima im übertragenen Sinn würde lauten: das den Werten und Qualitäten der Mutter entsprechende Männliche bzw. Weibliche.

Physische Bedeutungsebene: Ein balima ist eine Person, die aus der Mutter d.h. aus ihrer Gebärmutter (Uterus, uterin) hervorgegangen ist. Die wörtliche Übersetzung von balima im physischen Sinn würde lauten: das aus der Gebärmutter hervorkommende Männliche bzw. Weibliche.

Selbst ein Mann, der sich als balimakè bezeichnet, sagt damit aus, dass er seine physische Herkunft und Existenz dem mütterlichen Ideal und ihrer kreativen Qualität zu verdanken hat. Das Wort fa für Vater (auch Ahn) weißt eher auf die geistige Zugehörigkeit zur Ahnenreihe und damit auf die moralische Kapazität und die Kontinuität hin.
Die Entdeckung des mütterlichen Ideals im Begriff balima führt in der malischen Gesellschaft dazu, dass Mütter in allen Ehren gehalten werden und ihnen in Gottesdiensten und im gesellschaftlichen Leben ein Ehrenplatz zugestanden wird. In Mali ist es nicht nur wichtig verheiratet zu sein, sondern auch Kinder zu gebären. Dies führt zu sozialer Anerkennung und spiegelt letztlich das, wozu Frauen - nicht nur, aber vor allem - von Gott geschaffen wurden. 
Die malische Gesellschaft ist von ihrer Mentalität her jedoch vorwiegend patriarchalisch geprägt. Mit anderen Worten: den Müttern verdanken wir unsere Werte und Qualitäten - wie Fürsorge und Schutz bieten, Leben bewahren – doch die Männer haben letztlich das Sagen. Sie sind die kompetenten Vertreter der Ahnenreihe und verantwortlich für die Aufrechterhaltung und Weitergabe der Traditionen.

Sprache spiegelt die Wirklichkeit. Jetzt kommt es darauf an, dass das praktische Leben, die linguistische Entdeckung auch wirklich darstellt. Entweder, die Männer lernen es noch mehr als bisher, sich von den mütterlichen Qualitäten  prägen zu lassen oder auch, den Frauen einen noch gewichtigeren Platz in der Gemeinde und Gesellschaft einzuräumen.

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