Was tun Missionare, wenn Gemeindehäuser dicht bleiben?

Eine Frage, drei Antworten: 
1. Wir gehen in Kurzarbeit. Wir können nicht mehr unterwegs sein wie bisher, deshalb wird Arbeitszeit gekürzt. Damit sitzen wir mit vielen ArbeitnehmerInnen aus der Wirtschaft in einem Boot.
2. Wir machen uns Gedanken, welche Bedeutung die Krise für unsere Arbeit hat und wann mit Lockerungen zu rechnen ist.
3. Wir stecken den Kopf nicht in den Sand, sondern lassen uns was einfallen.

Persönlich habe ich "dem Braten nie so richtig getraut". Als die Kontakt- und Versammlungsverbote für die Religionsgemeinschaften ausgesprochen wurden, als Schulen und Unis geschlossen wurden hatten die Betroffenen wohl zunächst damit kalkuliert, dass es nach ein paar Wochen schon im normalen Modus weitergehen könnte. Doch langsam aber sicher merken wir, dass wir mit dem Coronavirus leben müssen, zumindest so lange, bis es wirksame Heilmethoden, Medikamente und Impfstoffe gibt - und das kann bekanntermaßen bis Ende des Jahres oder Anfang 2022 dauern. Selbst dann wird es Zeit benötigten, um den Geist der Unsicherheit und der Vorsicht wieder vollends zu verscheuchen. 
Ob es zu einer zeitnahen Erlaubnis kommen wird, religiöse Veranstaltungen durchzuführen, bleibt abzuwarten. Persönlich rechne ich damit, dass wir frühestens im Herbst wieder durchstarten können. 
Unterdessen sortieren wir unsere Gedanken: 
  • GEMEINDE IST MEHR ALS PHYSISCHE PRÄSENZ IM GEMEINDEHAUS: Wir sagen aus theologischer Perspektive, und das völlig zu Recht, dass Gemeinde nicht nur darin bestehen kann, sich in Veranstaltungen zu treffen. Gemeinde ist mehr, und das zeigt sich gerade in der Krise. Solidarität, Kreativität und Zusammengehörigkeitsgefühl werden über die analog-physische Kollektiverfahrung hinaus gefördert.
  • DIE AKTUELLEN EINSCHRÄNKUNGEN SIND KEIN ANGRIFF AUF DIE RELIGIONSFREIHEIT: Ich kann nach wie vor sagen was ich will und sogar das Internet vollladen mit Online-Angeboten, wie es viele Gemeinden und Kirchen ja bereits tun. 
  • KEINE CHANCE VOR GERICHT: Die bisherigen Klagen vor Gericht wurden alle zurückgewiesen. Die Lektionen waren klar.
  • NÄCHSTENLIEBE IST GEBOTEN: Es ist zzt. nicht verantwortbar und aus Gründen der Nächstenliebe, die uns Christen so viel bedeutet, dass wir darauf drängen sollten, den Normalzustand so schnell wie möglich wiederherstellen zu wollen. Wir müssen die Gefährdeten schützen helfen und dürfen es nicht leichtfertig in Kauf nehmen, dass unsere Gemeinden zum Hotspot des Virus werden.
  • ZWEIERLEI MAß !?: Dass man uns Christen mit dem Verweis auf die Nächstenliebe "in Schach hält", das gleiche Prinzip aber im Bereich des Handels und der Wirtschaft relativiert, ist zumindest nicht immer nachvollziehbar, war aber zu erwarten. Auch für die analogen Gottesdienste gibt es ja durchaus kreative und umsetzbare Ideen, wie Open-Air-Veranstaltungen, oder Doppelgottesdienste etc., inklusive Abstandhalten und Hygienemaßnahmen.
  • ES GEHT DOCH: Ich beobachte hier und da, dass sich Pastoren, die sich in Kellern und Büros zurückziehen, oder auf der Bühne des Gemeindesaales einsam mit einer Handvoll Technikern ihre Gottesdienstformate produzieren, sich ziemlich wohl fühlen in ihrer Rolle. Statt Gemeindebesucher werden nun die Klicks auf die Clips gezählt. Von der "Online-Gemeinde" ist dann die Rede. Da haben viele den Stier bei den Hörnern gepackt und scheinen ganz gut klar zu kommen mit dem Krisenmodus.
  • AUFLAGEN UND ZURÜCKHALTUNG SIND GROß: Selbst wenn es hier und da kreative Ideen gibt und es gelänge, persönliche Treffen zu organisieren und analoges Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln, wären die restriktiven Hürden zu groß, weil zu wenige mitmachen würden, oder die Auflagen praktisch kaum umsetzbar sind.
  • DIE KIRCHENVERTRETER SIND SICH NICHT EINIG: Sie ziehen nicht an einem Strang und schwächen damit ihre Position in der politischen Debatte. 
  • DIE GEFÄHRDUNG BLEIBT: Selbst wenn wir die Gemeindehäuser auf kurz oder lang wieder öffnen, werden wahrscheinlich die Geschwister, die zur gefährdeten Zielgruppe gehören noch immer zurückhaltend sein. Die über 60-jährigen machen aber einen Großteil der Gottesdienstbesucher aus. 
  • DIFFERENZIERT DENKEN - VERANTWORTLICH HANDELN: Ein Schwarz-Weiss-Denken in die ein oder andere Richtung ist nicht nötig, aber auch kein blindes Hören auf die Politiker. Auf die Stimmen derer, denen Kirche sowieso nichts bedeutet, können wir gerne verzichten. Mitdenken muss erlaubt sein. Verantwortliches Handeln beruht auf Rücksichtnahme und darauf, sich und andere nicht unnötig zu gefährden.
  • SYSTEMRELEVANZ - ZURZEIT NICHT. Klassische Gottesdienste vor Ort erweisen sich gerade nicht als "systemrelevant", nicht für die Gesellschaft und auch nicht für das System Kirche selber. Wie schon angedeutet, wurden hier sehr schnell andere Formen gefunden, die Schäfchen und selbst Kirchenferne geistlich zu versorgen. Kirche jedoch, die ihre christliche Stimme erhebt, wenn auch mittlerweile als gesellschaftliche Minderheit, ist relevant für das System. Sie darf sich nicht einfach unter der verordneten und für die meisten einsehbaren Isolierung wegducken. Sie ist aufgerufen, weiter mitzudenken, für die Minderheiten, die Schwachen und für ihre eigenen Rechte. Es wird immer Menschen geben im eigenen Land und darüber hinaus, die von denjenigen die bestimmen wollen, was systemrelevant sei, hängen gelassen werden. Kirche muss prophetisch, kritisch, wachsam und solidarisch sein, eine Stimme für Menschen und Themen, die der Mainstream vergisst. Ich mag es nicht, das Wort Systemrelevanz. Gesellschaft als System - das ist mir zu anonym, zu übermächtig, zu vereinnahmend. System ist ein aus Einzelteilen zusammengesetztes sinnvolles Ganzes. Doch die Gefahr ist immer gegeben, dass die Einflussreichen unter dem Deckmantel von Kompetenz und Kapazität  bestimmen, was die großen, und damit relevanten, bedeutsamen, unverzichtbaren und sinnvollen Themen, Bereiche, Strategien und Ziele sind. In Krisen braucht es ein starkes zielgerichtetes Management, aber es braucht genauso die Stimmen von quer und von unten, die erinnern und aufmerksam machen.
Wir als Missionare, die wir das Thema Weltmission in die Gemeinden tragen, müssen uns was einfallen lassen, damit "unser Thema" nicht untergeht und Opfer der Krise wird. Im Übrigen - es ist nicht unser Thema. Weltmission ist Gottes großes Anliegen. Darin sind wir beteiligt, als Gemeinden und Missionare, gerade in einer Krisenzeit, wo unsere Partner aus den Ländern Asiens, Südamerikas und Afrikas unsere Stimme brauchen, um gehört zu werden.
Die Allianz-Mission leistet hier von der Geschäftsstelle aus hervorragende Arbeit: Krisenmanagement, Live-Stream-Gottesdienste und internetgestützte Begegnungsmöglichkeiten mit Kollegen und Mitarbeitern aus aller Welt. 
Doch letztlich bleibt dem Missionar nichts weiter übrig, als sich selber schlau zu machen, sich umzuhören und sich selber etwas kreatives einfallen zu lassen, um den Kontakt zu halten. Von einer seiner wesentlichen Aufgaben, seine persönliche Arbeit vorzustellen und für seine eigene Planstelle, Arbeitsbereiche und Projekte zu werben und Gelder zu generieren bleibt er nicht entbunden. Deshalb sitzen wir hier im Homeoffice, basteln an Videos und verfeinern Kommunikationswege und unsere Auftritte im World-Wide-Web. Das benötigt Zeit, macht aber auch Spaß.
Hier wünschen wir uns die solidarische Mitarbeit der Gemeinden vor Ort. Wir brauchen Angebote, wie wir unser Anliegen platzieren können.
Unsere Heimatgemeinde hat uns in einem Videogottesdienst die Möglichkeit gegeben, aus unserer Arbeit zu berichten. Heute erhielten wir von einem Pastor einer Partnergemeinde, die Information, dass eine Sonderspende eingesammelt werden soll. Auch hier ging die Initiative von der Gemeinde aus. Das hat uns ermutigt.  
Am Ende lernen wir noch mehr Gott zu vertrauen, auf seine Fürsorge und auf die kreativen Ideen, die er uns schenkt.

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