Kommen und weitergehen - Sterbehilfe als missionarisches Konzept
Euthanasie als provokantes
missionsstrategisches Konzept
Als Henry
Venn, der einflussreiche Missionssekretär der anglikanischen
Missionsgesellschaft Church Missionary Society 1851 von der „Euthanasie (Sterbehilfe)
der Mission“ sprach, war das ein großer Schock für seine Zeitgenossen. Venn
verfolgte dabei zwei Ziele: Zum einen sollten ...
Missionare nicht zu lange an kircheninterne Entwicklungsprozesse und pastorale Aufgaben gebunden sein, sondern den Freiraum haben, in unerreichten Gebieten pioniermissionarische Akzente zu setzen. Dazu ist es notwendig, dass Missionare sich entbehrlich machen und in diesem Sinne aktive Sterbehilfe betreiben. Zum anderen sollte mit dem frühestmöglichen Rückzug des Missionars die Eigenständigkeit junger Kirchen gefördert und lokale Initiativen ermöglicht werden.
Missionare nicht zu lange an kircheninterne Entwicklungsprozesse und pastorale Aufgaben gebunden sein, sondern den Freiraum haben, in unerreichten Gebieten pioniermissionarische Akzente zu setzen. Dazu ist es notwendig, dass Missionare sich entbehrlich machen und in diesem Sinne aktive Sterbehilfe betreiben. Zum anderen sollte mit dem frühestmöglichen Rückzug des Missionars die Eigenständigkeit junger Kirchen gefördert und lokale Initiativen ermöglicht werden.
Neben dem Engländer Henry Venn (1796 - 1873) waren die Amerikaner
Rufus Anderson (1796-1880) und Roland Allen (1868 - 1947) prägende missionsstrategische Pioniere,
die den Gedanken von unabhängigen sich selbst verwaltenden, selbst
finanzierenden und selbst ausbreitenden Kirchen begründeten. Henry Venn ließ
Worten Taten folgen und setze sich gegen alle Widerstände aus den eigenen
Reihen dafür ein, dass Samuel A. Crowther im Jahre 1861 als erster Afrikaner zum
anglikanischer Bischof in Nigeria ernannt wurde. Von nun an war Crowther für
die weitere evangelistische Erschließung des Landes und die Verwaltung der
jungen Kirche verantwortlich.
Westliche
Missionsarbeit ist wie ein Baugerüst, das solange benötigt wird, bis eine
eigenständige, einheimische Kirche entstanden ist. Missionare initiieren einheimische
Bewegungen und ziehen sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt und aus freien
Stücken zurück, übergeben ihre Aufgaben in einheimische Hände und wenden sich
anderen Aufgaben zu. Da Missionsarbeit nicht nur der Bekehrung und der
Pflanzung von eigenständigen Kirchen dient, sondern der ganzheitlichen
Dimension des Reiches Gottes verpflichtet ist, bestehen genügend Räume, den
pioniermissionarischen Dienst auf andere Bereiche innerhalb der Gesellschaft
des Gastlandes auszudehnen. Die Arbeit von Missionsgesellschaften hat somit immer
einen Vorläufigkeitscharakter. Das Ziel missionsstrategischer Initiativen
fremder Missionare besteht nun darin, sich letztlich überflüssig zu machen und
abgelöst zu werden von einheimischen Frauen und Männern, die von Missionaren
selber für ihre künftigen Aufgaben vorbereitet wurden. Missionare sind Gäste
auf Zeit und nicht Herren in Häusern, die ihnen nicht gehören. Dieser Gedanke
erschien im von Aufbruch und dem Gefühl zivilisatorischer Überlegenheit des
Westens geprägten 19. Jahrhundert eine Zumutung. Leider hat die
kolonialistische Mentalität der Missionsbewegung die fortschrittlichen Gedanken
Venns und anderer für Jahrzehnte überlagert.
Theologische Leitlinien für
nachhaltige christliche Missionsarbeit
Folgende
Überlegungen helfen, nachhaltige Missionsarbeit theologisch zu begründen:
Missionstheologischer Rahmen: Mission ist Teilhabe am Wesen und
weltweiten Wirken des trinitarischen Gottes. Als Initiator der Weltmission ist Gott
verantwortlich für die anhaltende missionarische Durchdringung der Welt.
Schöpfungstheologische Dimension: Menschen gestalten mit Hilfe der von Gott verliehen
kreativen Gaben ihre Umgebung und schaffen Kulturräume. Die Einbeziehung von
gewachsenen kulturellen Strategien (Werte, Wege der Entscheidungsfindung und
Sozialstrukturen) trägt dazu bei, die Würde der einheimischen Partner zu achten
und die Relevanz missionarischer Arbeit zu erhöhen.
Christologisches Modell: Jesus ist der Herr der Mission. Er
beruft und beauftragt seine Nachfolger, bildet sie aus und führt sie behutsam an
ihren Dienst heran. Damit wird sich selbst vervielfältigende Ermächtigung zum
praktischen Prinzip der Mission Jesu (Johannes 20,21) und zur Grundlage für
nachhaltige Weltmission.
Prophetische Motivation: Missionarische Aktionen haben vorläufigen Charakter und
verweisen auf etwas Größeres, das sich erst in der Zukunft entfaltet. Das
Wirken von Johannes dem Täufer, der als Wegbereiter und Prophet auf den
kommenden Jesus Christus hinwies, dient als Analogie für Missionsgesellschaften,
die mit pioniermissionarischen Initiativen den Weg für die Entstehung der
Gemeinde Jesu frei machen.
Ekklesiologische (gemeindliche) Aspekte: Paulus initiierte als apostolischer
Pionier Gemeindegründungen und baute vorläufige Strukturen auf. Danach zog er
sich zurück und begleitete den weiteren Gemeindeaufbauprozess durch die Sendung
von Briefen und Mitarbeiter. Er selbst konzentrierte sich auf neue
pioniermissionarische Projekte. In der engen partnerschaftlichen Verzahnung von
Missionaren und einheimischen Leitern können zukunftsversprechende Visionen
entwickelt und nachhaltig Übergangsprozesse gestaltet werden.
Pneumatologische (durch den Geist
Gottes bewirkte) Dynamik: Nachhaltigkeit setzt Vertrauen voraus, dass Gottes Geist einheimische
Mitarbeiter genauso begabt wie westliche Missionare. Daraus wachsen die
Zuversicht und der Mut zur Übergabe in einheimische Hände.
Apostolisches Selbstverständnis: Missionare sind in erster Linie
eingeladene Mitarbeiter und Gäste und betätigen sich vornehmlich in
„strategischen Lücken“. Sie sind Leiter, die Strukturen aufbauen, diese aber
nicht auf Dauer pastoral und verwaltungstechnisch prägen. Missionare müssen
daher das Ende oder die Übergabe ihrer Arbeit im Blick haben.
Unser
Fazit
Als Allianz-Mission bedeutet das für uns: Wir kommen, um weiterzugehen.
Wir hören, wir sind
integrativ unterwegs und partizipieren. Wir initiieren, wir multiplizieren und delegieren.
All das, damit Menschen in ihrem lokalen Kontext mit lokalen Kompetenzen eigene
Ideen verwirklichen und gemeinsam durchgeführte Projekte nachhaltig und zukunftsverträglich
weiterführen können. So entsteht der nötige Freiraum durchzustarten und weitere
missionarische Akzente zu setzen, die Gott Ehre machen und den Menschen dienen.
Dr. Alfred Meier