Was unterscheidet Missionare von Pastoren?

Eine Gottesdienstmoderatorin wollte von uns wissen, worin die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem Beruf des Pastors und dem des Missionars bestünden. Bei beiden Aufgaben wird erwartet, dass eine "geistliche Berufung und Motivation" vorliegt. Dennoch sind es zwei Berufsbilder, die in christlichen Kreisen unterschiedlich besetzt sind. Folgende Ansichten sind uns häufig begegnet: Der Pastor arbeitet in Deutschland, der Missionar geht in ein fremdes Land. Ein Pastor hat einen Master in Theologie und versieht seinen Dienst in einer Ortsgemeinde. Der Missionar dagegen ist theologisch weniger interessiert. Er evangelisiert und gründet Gemeinden in einer fremden Kultur.
Bei mir selber ist seit den Tagen meines Theologiestudiums in den 1980er Jahren folgende Aussage hängen geblieben: Ein guter Theologe gehört in eine Gemeinde nach Deutschland. Missionar wird jemand, der eher praktisch orientiert und "theologisch unterbelichtet" ist und in fremden Ländern mit Menschen arbeitet, die mehrheitlich zur unteren Bildungsschicht gehören. Ein guter Theologe verschwendet da nur sein Potential. 
Man könnte erschrecken angesichts der Arroganz, Einfachheit und Undifferenziertheit dieser Standpunkte.
Meine These lautet: Die Arbeit in einer fremden Kultur ist anspruchsvoll. Menschen, egal wie gebildet sie sind, egal in welchem gesellschaftlichen Sektor sie unterwegs sind, verdienen unseren vollen Einsatz. Deshalb muss ein Missionar sich auf seine interkulturelle Arbeit genauso gut und professionell vorbereiten wie ein Pastor auf seinen gemeindlichen Dienst. Dazu gehört solide theologische Aus- und Fortbildung, die die besonderen Herausforderungen des Interkulturellen Dienstes berücksichtigt (Missionswissenschaft).

Folgende Merkmale fallen mir ein, wenn ich den Beruf des Pastors mit dem des Missionars miteinander vergleiche:


Pastor
Missionar
Grundausrichtung
orientiert sich theologisch an der biblischen Funktion des Hirtendienstes (Betreuung, Seelsorge theolog. Lehre) zum Erhalt und Aufbau der Gemeinde vorwiegend nach innen,


Existenzberechtigung des Berufs i.d.R. unumstritten

orientiert sich theologisch am Dienst und der Funktion des Apostels (Sendung,  Mobilisierung, interkulturelle Seelsorge und Lehre) zur Gründung und missionsstrategischen Orientierung von Gemeinden nach innen und außen,
ein Abenteurer, 
Existenzberechtigung des Berufs in und außerhalb kirchlicher Kreise besonders zu rechtfertigen und umstritten
betreut in erster Linie die "Schafe im Stall"
sucht vorwiegend die "Schafe in der freien Wildbahn"
Aus- und Fortbildung
theologische Ausbildung mit generischer Tendenz (alle theologischen und für den Gemeindedienst wichtigen Bereiche)

generische theologische Ausbildung mit Schwerpunkten im Bereich Missionswissenschaft und/oder Zusatzmodule (interkulturelle Missionspraxis), Erlernen von Fremdsprachen
berufsbegleitende Fortbildung durch Seminare, Pastorenschulung usw. parallel zum Pastorendienst
i.d.R. Fortbildung im Rahmen des Heimataufenthaltes nach 3-4 Jahren Dienst im Land seiner Sendung, Fortbildung vor Ort eher selten
Anstellung
absolviert eine theologische Ausbildung und wird nach einem Vorstellungsgespräch direkt von einer Ortsgemeinde berufen und ordiniert

bewirbt sich während oder nach seiner theologischen Ausbildung bei einer Missionsgesellschaft, die in einem „Berufungsverfahren“ (Bewerbungsgespräche, Assessement, Gesundheitscheck, evtl. zusätzliches Praktikum oder spezifische Fortbildung) die Eignung für den interkulturellen Dienst feststellt
wird nach der Anstellung von der Gemeinde bezahlt
baut vor und während seiner Anstellung selber einen Spender- und Freundeskreis auf, der die Finanzierung seiner Arbeit sicherstellt
Arbeit
vertritt die Gemeinde nach außen und ist gesellschaftlich engagiert

überlässt die Vertretung und Verwaltung der Gemeinde einheimischen Verantwortungsträgern
integriert sich in eine schon vorhandene Gemeindestruktur
arbeitet in einem pioniermissionarischen Kontext, schafft Strukturen, die es vorher nicht gab und/oder füllt strategische Lücken in bestehenden Strukturen, integriert sich (zeitlich begrenzt) in einheimische Strukturen
arbeitet vorwiegend als Dienstleister seiner Ortsgemeinde (Predigt, Kasualien, Schulungsarbeit, evangelistische Arbeit und evtl. Gründung einer Tochtergemeinde usw.)
kooperiert integrativ mit einheimischen Partnern zur Durchführung unterschiedlicher Projekte im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes (soziale, pädagogische Projekte, Evangelisation und Gemeindegründung, Mitarbeiterschulung, theolog. Ausbildung)
ist i.d.R. in einem mono-multikulturellen Kontext tätig, der aber von einer ihm bekannten Kultur dominiert wird, natürliche Sprachkompetenz
Ist i.d.R. als Gast und Fremder in einem ihm fremden mono-multikulturellen Kontext  unterwegs, kommuniziert in Fremdsprachen
beginnt und übergibt die Arbeit an seinen Nachfolger
beginnt die Arbeit, um sich langfristig überflüssig zu machen, gestaltet den Übergabeprozess und überträgt die Verantwortung an einen einheimischen Nachfolger
Rechenschaft
ist dem Leitungskreis seiner Gemeinde gegenüber verantwortlich

ist den Gremien der Missionsgesellschaft und seinen Partnergemeinden und Unterstützern gegenüber verantwortlich, Jahresberichte, 
informiert aus dem Ausland regelmäßig durch Infobriefe u.a. und in Deutschland während des Reisedienstes 
Familie
lebt trotz evtl. Umzüge mit seiner Familie in einem kulturellen Umfeld, das dem seiner Herkunft relativ nahe ist

viele Umzüge innerhalb des Gastlandes und nach Deutschland, wo die Familie einem ständigen existentiellen Wechsel (inkl. Schulwechsel) unterzogen ist, 
internationale Schulen für die Kinder, schulische Mehrbelastung der Kinder durch zusätzlichen Fernschulunterricht in der Muttersprache
Kulturwandel
wird durch die wachsende Zahl von Bekannten im Laufe seines Dienstes bereichert, doch die Individualkultur bleibt stabil

je länger ein Missionar im Gastland ist, desto stärker nehmen er und seine Familie bikulturelle Züge an, die Kinder werden zu Third-Culture-Kids

In unserer bisherigen interkulturellen Missionsarbeit sind wir herausgefordert und bereichert worden - praktisch, menschlich, theologisch. Deshalb haben kulturrelevante und selbstkritische Reflexion sowie ständige theologische Fortbildung auf akademischem Niveau immer eine Rolle gespielt. 

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