Südafrika | Bleibt die Versöhnung ein Traum?
Der Besuch im Freedom-Park in Südafrika während eines
einwöchigen Arbeitsbesuchs an der Universität von Südafrika (UNISA) im
September hat mich tief beeindruckt. Auf einer Anhöhe am Stadtrand
Pretorias gelegen, befinden sich Monumente und Gedenkstätten, die an die
kritischsten Ereignisse der südafrikanischen Geschichte erinnern. In Nico
Botha, meinem Kollegen an der UNISA, hatte ich einen kundigen Führer. Wenige
Meter hinter dem Eingang erwarten den Besucher Mauern, die mit Klinkern
versehen sind. Jede Mauer erinnert jeweils an eine markante Phase der
südafrikanischen Geschichte. Auf den Klinkern sind Namen vermerkt, u.a. auch
solche, die im Kampf gegen das Apartheidsystem ihr Leben gelassen haben oder
von den Sicherheitskräften verfolgt wurden.
Ich bin betroffen. Vor meinen Augen steigen Bilder aus
den 1970er Jahren auf, Bilder von den Unruhen in Soweto, die damals um die Welt
gingen und mich als Jugendlichen sehr beeindruckt haben. Freedom-Park
verwandelt sich plötzlich von einem Ort der Erinnerung in einen Raum der
Meditation, der Hoffnung und des Gebets – des Gebets für Versöhnung.
Die Apartheid ist in Südafrika Vergangenheit,
zumindest offiziell. Doch im täglichen Miteinander zeigt sich die
Rassentrennung bis auf wenige Ausnahmen nach wie vor sehr deutlich. Weiße
bleiben meist unter sich – Schwarze tun desgleichen. Dieses Bild zeigt sich in
getrennten Wohngebieten, in den Cafés und Restaurants, aber auch in den
Kirchen. Hinzukommt, dass sie südafrikanische Gesellschaft in unterschiedliche
soziale Klassen zerfällt – reiche Weiße und reiche Schwarze und die Masse der
Unterprivilegierten in den Townships und auf dem Land. Hier verbirgt sich eine
Menge sozialen Sprengstoffs, der irgendwann hochgehen kann.
Mir kommt die Stelle aus Eph 2,14ff in den Sinn, wo
Paulus deutlich darauf hinweist, dass es beim Kreuz Jesu nicht nur um
persönliche Sündenvergebung und die Wiederherstellung der individuellen
zerbrochenen Gemeinschaft mit Gott geht. Jesus hat durch seinen Tod Mauern
eingerissen, die Juden und Heiden voneinander trennten. Hier geht es nicht nur
um die Privatsphäre der Religion. Es geht um getrennte Lebensräume, um soziale
Strukturen, die aufgebrochen werden. Jesus hat durch seinen Tod die Grundlagen
gelegt für eine Versöhnung zwischen Rassen und sozialen Klassen. Das ist unser
Auftrag als Christen: verkündigen, dass Christus Mauern eingerissen hat, und
dafür beten und arbeiten, dass Mauern zwischen Menschen in und außerhalb der
Gemeinde eingerissen werden. Christus hat Frieden gestiftet. Er hat die Grundlagen
für eine neue Qualität des menschlichen Miteinanders gelegt. Versöhnung war
sein Lebensthema und dafür hat er sein Leben gegeben.
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