Hoffnung – die stille Kunst des Unterwegsseins



Hoffnung ist mehr als ein optimistisches Gefühl. Sie ist der Ausdruck einer geheimnisvollen Unzufriedenheit mit dem Status quo – eine leise, unbeirrbare Ahnung, dass unser wahres Zuhause anders ist als das, was wir heute bewohnen. Selbst dort, wo die Realität auf Hochglanz poliert erscheint, entdecken wir Risse in der Wand des Vertrauten. Ein heimliches Heimweh erwacht – ein Heimweh, das in Wahrheit nicht den Verlust eines irdischen Ortes, sondern die Nähe Gottes selbst widerspiegelt.

Das biblische Zeugnis zeichnet uns eine Art Landkarte, einen Fahrplan voller Verheißungen – und doch bleibt dieser Weg im Leben oft fragmentarisch, unerreicht, wie eine von Licht und Schatten unterbrochene Linie am Horizont. In überraschenden Momenten, im Kairos, wird die Dominanz des Gewöhnlichen und Tragischen durchbrochen: Zeltwände reißen auf, die vertraute Welt löst sich auf, und das, was selbstverständlich schien, verliert seine Macht. Gerade im Schmerz und im Leid liegen prophetische Vorboten einer neuen Welt verborgen. Hoffnung wächst nicht aus der Kontrolle – sondern aus der Wunde. In der Erfahrung der Hoffnungslosigkeit offenbart sich eine paradoxe Gnade und die Einladung, die Vorstellung von Beherrschbarkeit aufzugeben, den Machtverzicht zu üben und Raum zu schaffen für Möglichkeiten, die jenseits unserer Vorstellungswelt liegen. Die lauten Stimmen der Protestierenden und Aktivisten, die nach Gerechtigkeit und einer lebensfreundlichen Ordnung rufen, sind letztlich Ausdruck derselben Hoffnung – einer Hoffnung auf eine Welt, in der Würde, Leben und Zukunft wieder möglich werden.
Hoffnung wird dann zur Gefahr, wenn sie zum Fetisch wird – wenn sie dem Druck schneller Lösungen nachgibt, die Stimmen ignoriert, die wir hören sollten, wenn sie Täler ignoriert, die wir durchqueren müssen, wenn sie Flüsse überbrückt, statt sie zu durchwaten und uns der Strömung auszusetzen.

Hoffnung, die sich selbst absolut setzt, lehnt das Geschenk der Hoffnungslosigkeit (Bayo Akomolafe) ab – jene heilige Phase der Hingabe und Demut, in der wir auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt werden. Wird Hoffnung zur fixierten Erwartung, klammern wir uns an alte Sicherheiten und verschließen uns gegenüber dem Neuen, das jenseits unseres bisherigen Horizonts heranreift. Wenn das Gebet, von der Hoffnungslosigkeit getrieben, nur noch dazu dient, eine schnelle Lösung herbeizusehnen und sich dabei auf vorgefertigte Erwartungen stützt, verliert es seine Tiefe und Offenheit.

Wahre Hoffnung erfordert, innezuhalten, das „Nichtwissen“ auszuhalten und still zu werden für Gottes Gegenwart – gerade im Moment scheinbarer Aussichtslosigkeit. Besonders aus christlicher Perspektive wirkt diese Haltung zunächst provozierend. Haben wir nicht gelernt, dass unsere Hoffnung auf Gottes Verheißungen gegründet ist? Sprechen die apokalyptischen Bilder der Bibel nicht von einer sicheren Zukunft? Und doch: Vielleicht geht es um ein tieferes Verstehen. Hoffnung im Hier und Jetzt ist kein Anspruch auf ein baldiges, sinnerfülltes Ende aller Probleme und Schmerzen, sondern eine Einladung, die Gottesbegegnung und den Sinn im Schmerz zu suchen, Geduld zu lernen und auf ungeahnte Wege zu vertrauen. Nicht hektisch nach Antworten zu greifen, sondern offenzubleiben für das, was jenseits der eigenen Erfahrung und Vorstellung zu wachsen beginnt. Diese Haltung betrifft nicht nur das Jetzt, sondern auch die ferne Zukunft in Gottes neuer Welt.
Wahre Hoffnung verlangt den Abschied von unseren selbstgemalten Bildern einer besseren Welt. Sie lädt uns ein, einzutauchen in die göttliche Apokalyptik, voller Geheimnisse und Andeutungen, die uns von einer ungeahnten Herrlichkeit träumen lassen. Wir lesen von den göttlichen Widersachern, die endlich und unwiederbringlich in die tiefsten Tiefen gestürzt werden. Wir sehen die goldenen Straßen, die Pforten, die aus wertvollen Perlen gefertigt sind. Wie groß muss dieses neue Jerusalem sein, das vom Himmel herabsteigen wird, damit alle Platz finden? Was verbirgt sich ganz real hinter der Symbolik, die der Seher Johannes uns hinterlassen hat? Wir sagen: Unsere Lieben, die uns vorausgegangen sind, befinden sich in Gottes Hand, an einem sicheren Ort. Wir sagen, dass dieser Ort von Wärme und Licht durchflutet ist. Es sind Bilder, die uns zutiefst trösten. Wir erahnen so viel und wissen doch so wenig.
Ich möchte lernen, offenzubleiben und zu entdecken, wie diese Hand Gottes konkret aussehen wird, wie sich die wohltuende göttliche Wärme anfühlt und wie das helle, das ewige Licht Gottes wirklich ist. Wie sieht die himmlische Landschaft aus? Was gibt es dort zu sehen, was zu tun? Wie hört sich die Musik an, zu der wir tanzen werden? Wie sieht das Wiedersehen aus mit all den Menschen, die wir gekannt haben und die wir neu kennenlernen werden? Woran wird sich meine Frau erinnern, wenn ihre generative Fähigkeit wieder vollkommen hergestellt sein wird? Ja, die biblischen Berichte über die neue, perfekte Welt geben mir Sicherheit, aber in Wirklichkeit wissen wir nicht, wie sie genau aussehen wird. Hoffen heißt, Leichtigkeit zu erlernen, Gelassenheit einzuüben und darauf zu vertrauen, dass Gottes Zukunft immer noch besser sein wird, als ich es mir je vorstellen mag – eingetaucht in Farben, die kein Maler dieser Welt je zu mischen imstande war.
Gottes Wesen trägt die Handschrift des Flüchtigen, des Unterwegsseins. Er verweigert sich der Wiederholung des bereits Bekannten und öffnet den Raum für eine neue, unberührte Weite – für eine neue Wildnis. Hoffnung entspringt nicht aus der Erinnerung an ein verlorenes Paradies, sondern aus dem unbegreiflichen Stillstand zwischen den Zeiten, aus dem Spalt zwischen Erlebtem und Verheißenem. In der Tiefe der Hoffnung lernen wir, den Druck der linearen Zeit auszublenden. Am Kreuz, im Moment des Todes, stand die Welt still. Alles Unumkehrbare schien sich durchzusetzen – und gerade in diesem Stillstand begann sich die Zeit zu wenden. Das neue Leben begann den Tod zu verschlingen und in Sieg zu verwandeln. Vielleicht begegnen wir gerade dort, wo alle Wege in die Niederlage zu führen scheinen, etwas Tieferem als Lösungen, etwas, das zu heilig ist, um es in Worte zu fassen: eine Hoffnung, die nicht aus Erwartung geboren wird, sondern aus Begegnung – mit Gott, der im Dunkel, im Bruch und in der stillen Weite der Zukunft auf uns wartet.

Kommentare

Unser Partner

Schule in Sabalibougou

SPENDENFORMULAR

Spendenkonto

Spar- und Kreditbank Witten

IBAN: DE86452604750009110900
BIC: GENODEM1BFG

Zweck: Meier - Mali