Warum es für die missionarische Arbeit wichtig ist, an die Jungfrauengeburt zu glauben

Für die missionarische Begegnung mit Menschen ist es elementar, aufzeigen zu können, dass sich Jesus Christus als der wahre Gott von Anfang bis Ende und in allen Lebenssituationen als wahrer Mensch mit den Menschen solidarisiert.
Bei der Verkündigung dessen wer Jesus Christus ist und was er für die Menschen bedeutet, ist es daher von entscheidender Bedeutung, Anfang und Ende seines Lebens christologisch zu verankern. In der Christologie lassen sich die menschliche und göttliche Seite des Lebens und Wirkens Jesu nicht voneinander trennen.
Kurz: Wer im Kreuzesgeschehen und in der Auferstehung die ...

göttliche und menschliche Natur am Werke sieht, der muss dies konsequenterweise auch für die Empfängnis und die Geburt Jesu so annehmen.

Eine Zumutung
Es ist schon ein hartes Stück Brot, was uns Lukas im ersten Kapitel seines Evangeliums zumutet (Lukas 1,26-35), wenn er wie selbstverständlich über die geheimnisvolle Begegnung Marias mit dem Engel und dem Geist Gottes berichtet und so die Geburt und das spätere Wirken Jesu einläutet. Es ist wahrlich kein niederschwelliger Einstieg, sondern einer mit Hürden.
Doch auch das, was Jahre später am Kreuz geschieht und drei Tage später am Tag der Auferstehung, ist eine Zumutung für feingeistige, leidensscheue Gemüter und logisch denkende Zeitgenossen. Es ist ein Skandal für die frommen Juden, und ein großes Geheimnis für alle, die es miterleben und sich der Botschaft von Kreuz und Auferstehung aussetzen. Gott bietet uns beim Einstieg und Höhepunkt der irdischen Existenz seines Sohnes keine niederschwellige Bahnen, sondern knorrige Wege, die unser Hirn und Herz beschreiten müssen. Die von Bestechung unterwanderte Festnahme im Garten Gethsemane, der fragwürdige und auf Scheinargumenten aufbauende Prozess vor dem jüdischen Tribunal, die halbherzige Haltung der römischen Verwaltungsbehörde, der qualvolle Weg zum Kreuz, der Stich in die Seite und der Schrei nach dem Vater kurz vor dem Tod. Dies alles als heilsnotwendig anzusehen und in den großen Rahmen der aktiv gewollten liebevollen Zuwendung Gottes zur Welt einzuordnen, bleibt schlicht und ergreifend eine Zumutung. Da, wo der Allmächtige die absolute Ohnmacht aktiv erleidet, und dies als göttliche Machtdemonstration im menschlich geschundenen Körper kommuniziert wird, da werden unsere Konzepte religiöser Logik arg strapaziert.

Christologie vom Ende her


Die Evangelien denken überlieferungsgeschichtlich vom Ende her. Die Passion Jesu, sein Leiden am Kreuz, der Tag der Auferstehung und der Abschied stehen im Mittelpunkt und am Anfang der Evangelienüberlieferung. Die Evangelien denken von der theologischen Mitte her, denn das, was da am Ende des Lebens Jesu geschieht ist der Angelpunkt, an dem sich die Geister scheiden.
Ein römischer Hauptmann beobachtete als Nichtjude und Urteilsvollstrecker das Geschehen auf dem Hügel der Hinrichtung. Spätestens zum Zeitpunkt des Erdbebens kommt er zu dem Schluss: „Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn!“ - Mt 27,54. Unser Bekenntnis zu Jesus lebt entscheidend von dem Glauben daran, dass uns in Christus der Mensch Jesus von Nazareth und gleichzeitig der Sohn Gottes begegnet.
Das Geschehen am Kreuz ist nur deshalb ein vollkommenes Erlösungsgeschehen, weil die ganze göttliche und die ganze menschliche Natur agieren. Nur Gott kann eine absolut perfekte und unüberbietbare Erlösung bewirken, deshalb „muss“ der ganze Gott in Jesus und im Geschehen am Kreuz präsent sein. Das gleiche gilt für die Auferstehung. Es ist der Jesus von Nazareth, der Rabbi, der von den Frauen und später auch von den Männern erkannt wird und von Gott aufgrund der Wirkung der göttlichen Natur vom Tod ins Leben zurückgeholt wurde – in ein Leben, das von nun an eine andere körperliche und geistige Qualität hat.
Wenn wir in der missionarischen Arbeit die vom wahren Gott und wahren Menschen Jesus Christus erlebte Passion und seine Auferstehung berechtigterweise in den Mittelpunkt unseres Lebens, Handelns und Verkündigens stellen, dann ist es nur logisch, dass auch der Eintritt in sein irdisches Leben als ein Zusammenwirken von göttlicher und menschlicher Natur dargestellt und geglaubt wird.

Christologie vom Anfang her
Das Alte Testament berichtet uns von Frauen, die lange Zeit kinderlos geblieben waren und nach intensivem Bitten auf natürliche Art und Weise schwanger wurden (Hanna z.B., die Mutter Samuels, 1Sam 1,1-27). Doch bei Maria geht es noch einen Schritt weiter. Sie ist eine junge Frau und noch Jungfrau. Sie ist mit Joseph verlobt, aber beide hatten die sich anbahnende Eheschließung noch nicht vollzogen. Dass Gott einem Menschen in Visionen und durch Engel begegnet, das mag den „durchrationalisierten Menschen“ der westlichen Welt schon seltsam vorkommen. Menschen aus asiatischen oder afrikanischen Kulturkreisen haben damit keine Probleme. Sie wissen um die umfassende und unberechenbare Präsenz geistlicher Mächte, Geister und Götter.
Maria ist erstaunt, sie überkommt Furcht, weil sie solche Begegnungen in ihrem jungen Leben noch nicht erlebt hat. Die Ansage des Engels, dass "der Heillige Geist über sie kommen wird" (griech. epeleusetai; hier: unberechenbar von oben her kommend; dem, was da kommt ausgeliefert sein) ist verständlicherweise zumindest ehrfurchterregend.
In der Ansage des Engels Gabriels werden zwei natürliche Ebenen miteinander verbunden. Die göttliche Natur trifft auf die menschliche Natur. Dass die Kraft Gottes einen Menschen ergreift und schöpferisch tätig wird, das ist Bestandteil der Natur (physis) Gottes. Es mag ungewöhnlich und für uns Menschen unbegreiflich sein, doch unnatürlich ist es nicht. Das Physische und das Metaphysische, das Biologische und das Mystische, das verständlich Nachvollziehbare und das unbegreiflich Wunderbare sind im Erfahrungs- und Denkhorizont keine Gegensätze. Von daher bedarf es auch keiner Entscheidung zwischen Erkenntnis und Glauben. Lukas spricht davon, dass der Heilige Geist (das Göttliche) über Maria (das Menschliche) kommen wird „und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden.“ (Luk 1,35). Das ist logisches Zusammenwirken von göttlicher und menschlicher Natur. Hier geschieht das eigentliche Wunder: Gott und Mensch werden eins. Himmel und Erde kommen zusammen.
Ob nun am Ende des Verses das Verb "genannt werden" (griech. kaleoo, mit Namen nennen, oder auch: das Wesen einer Person benennen) einer Adoptivformel gleicht oder nicht, ist nicht entscheidend. Auch wenn Joseph und Maria die Adoptiveltern Jesu sind, tut das seiner Gottessohnschaft keinen Abbruch. 
Das biblische Wort redet so, dass wir zumindest mit unserer Sprache begrifflich nachvollziehen können, was Gott tut. Maria und Joseph wird die Ehre zuteil, den göttlich gezeugten Sohn als ihren eigenen Sohn anzuerkennen und ihn Jesus zu nennen (Luk 1,31). Das ist die menschliche Seite. Darüberhinaus kündigt der Engel an, dass dieser Jesus gleichzeitig "Sohn des Höchsten" (V. 32) und "Sohn Gottes" (V. 35) genannt werden wird (griech. kläthäsetai: Futur Passiv in der 3. Person). Hier wird deutlich, dass Jesus als Sohn Gottes erst später als der erkannt und benannt werden wird, der er von Anfang an schon ist (griech. to hagion: das vom Geist Gottes gezeugte Heilige, V. 35). Der Engel erklärt die behutsame Pädagogik, die der Menschwerdung des Göttlichen zugrunde liegt. Menschen müssen nicht von Anfang an vollends erfassen, was an sich schon längst real ist. Die Evangelienberichte belegen, dass Maria selber die Gottessohnschaft ihres Sohnes erst nach und nach erfasst hat. Das Magnifikat (Lobpreis der Maira, Luk 1,46-54) ist eher ein prophetisches Herantasten an die göttliche Mission ihres Sohnes. Joseph hat sich sicherlich auch seine Gedanken gemacht, obwohl davon nichts berichtet wird. Die Tatsache, dass er trotz der Anrüchigkeit der nichtgeplanten Schwangerschaft zu Maria gehalten hat, zeigt, dass er zumindest das Großartige geahnt hat. Er ging seiner Arbeit als Zimmermann nach, brachte Jesus das Hobeln bei und verdiente das nötige Kleingeld für die Familie. Für die Zeitgenossen jedenfalls war Jesus zuunächst der Sohn von Jospeh und Maria, geboren in Bethlehem und aufgewachsen in Nazareth. Gott mutet uns nicht zuviel auf einmal zu. Das Heilige, das Besondere der Person Jesu, seine göttliche Salbung und sein Einssein mit dem göttlichen Vater wurde erst nach und nach erfasst und bezeugt. Fest steht: Gott handelt an Maria, ungewöhnlich, voller Gnade und dennoch pädagogisch behutsam. Erkenntnis steht nicht am Anfang, sondern vollzieht sich prozesshaft. 
In der Arbeit mit Menschen in Afrika warten wir auf solche Momente, darauf, dass Gott ungewöhnlich und kraftvoll seinem göttlichen Wesen entsprechend in das Leben von Menschen eingreift, es würdigt, berührt und umwandelt. Solches Eingreifen Gottes nennen wir mit Stolz und Ehrfurcht "Handeln Gottes" in unserem Leben. Wir warten darauf, dass wir „Gnade bei Gott finden“ (V. 28-30). Zum Glauben finden im afrikanischen Kontext hat zunächst wenig mit einem statischen Bekenntnis zu tun, oder mit logischer Erkenntnis. Am Anfang steht das vertrauensvolle Eintauchen des Glaubenden in das Kraftfeld Gottes. Er setzt sein Vertrauen auf den mächtigen Schöpfer, der Natur und Übernatur, Leben und Tod, Schwachheit und Stärke, Armut und Reichtum, soziale Marginalität und Königswürde, sowie Krankheit und Heilung zusammenbringt.
Wenn der jungen, noch unverheirateten Frau, mit einem schwachen sozialen Standing in der damaligen jüdischen Gesellschaft ein Engel Gottes begegnet und ihr die Gnade der Erwählung zugesagt wird (Luk 1,30), dann geschieht hier schon Menschwerdung Gottes. Die Schwachen dieser Welt werden wertgeschätzt. Sie bekommen neue Hoffnung. Sie erkennen, dass Gott nicht nur mit Königen und Priestern kooperiert.

Kranke werden geheilt und ihnen werden ihre Sünden vergeben. Das Gleiche gilt für Prosituierte, die Jesus wertschätzt und ihnen Vergebung anbietet. Aus der Gesellschaft gebannten Aussätzigen begegnet Jesus, er heilt sie und vergibt Sünde. Bei Zöllnern kehrt der Sohn Gottes ein und spricht über Geld und Schuld. In all diesen Geschichten geschieht Menschwerdung Gottes; sie alle bezeugen das Wunder der effektiven Kooperation der beiden Naturen Jesu - der göttlichen und der menschlichen.
Für Gott, den Schöpfer, ist menschliche Natur nichts Fremdes. Das Menschliche gehört zu seinem „Repertoire“. Nur deshalb können wir Menschen uns als Gottes Ebenbilder oder Abbilder begreifen. Aus diesem Grunde ist es auch logisch und nicht ungewöhnlich, dass bei der Empfängnis Jesu das Göttliche zum Menschlichen kommt, weil das Menschliche für Gott nichts Neues oder Fremdes ist, sondern eine ihm längst bekannte Natur.


Christologie als Geheimnis
Bei der jungfräulichen Empfängnis wird deutlich, was das Bekenntnis von Nicäa (325) formuliert:
„Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“
Im Jahre 451 haben sich die Kirchenväter beim Konzil in Chalcedon auf eine weitere Formulierung geeinigt, die den Versuch unternimmt, das Verhältnis der beiden Naturen zueinander zu erfassen: 
„Wir folgen also den heiligen Vätern und lehren alle einmütig, einen und denselben Sohn zu bekennen, unseren Herrn Jesus Christus. Derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe vollkommen in der Menschheit, derselbe wirklich Gott und wirklich Mensch aus einer vernünftigen Seele und einem Körper. Er ist dem Vater wesensgleich nach der Gottheit und derselbe uns wesensgleich nach der Menschheit, in jeder Hinsicht uns ähnlich, ausgenommen die Sünde. Vor aller Zeit wurde er aus dem Vater der Gottheit nach gezeugt, in den letzten Tagen aber wurde derselbe um unsert- und unseres Heiles willen aus der Jungfrau und Gottesgebärerin Maria der Menschheit nach geboren. … Ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in einer Person und einer Hypostase (Seinsstufe) vereinigt.“

Das Bekenntnis von Chalcedon hat das Geheimnis des Zusammenwirkens der göttlichen und menschlichen Natur zwar im Blick, kann es aber nicht zufriedenstellend erklären. Deshalb wird in Negationen formuliert. „Unvermischt, unveränderlich“ – das sind die beiden Attribute, die die Gottheit Jesu bezeichnen. „Ungetrennt, unteilbar“ besagen, dass die beiden Naturen dennoch zusammengehören – aber nicht wie ein Radler (Gemisch aus Sprudel und Bier), sondern eher wie Öl und Wasser, die zwar in einem Gefäß aufbewahrt, aber nicht vermischt werden können.
Von den ersten Anfängen des christologischen Bekennens und Zweifelns im ersten Jahrhundert (Bist du der Sohn Gottes? – Luk 22,69ff; oder die antidoketische Formulierung der frühen Logoschristologie: Das Wort wurde Fleisch. - Joh 1,1ff) bis zum Bekenntnis von Chalcedon sind vier Jahrhunderte kontroverser und die Einheit der Kirche gefährdender Debatten ins Land gegangen. Dies zeigt die elementare Bedeutung des Bekenntnisses, aber auch das Unvermögen der Theologen und Philosophen, das Geheimnis zufriedenstellend zu lüften. 
So wie die Kraft Gottes Maria geheimnisvoll überschattete (griech. episkiazoo: einen Schatten werfen, bedecken wie die Wolke bei der Begegnung zwischen Gott und Mose in Ex 40,35), so bleibt auch die letzte Erkenntnis rund um die Empfängis Jesu im Schatten des göttlichen Geheimnisses verborgen. 
Das Überschatten des Menschlichen durch das Göttliche bleibt ein geheimnisvoller Vorgang, der jedes Offenbarwerden Gottes in Raum und Zeit kennzeichnet. Wundersame Heilungen, Bekehrungsgeschichten, Gottes Antworten auf Gebete, die Tatsache, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist – all das sind Geheimnisse. Wir tun gut daran, sie zu wahren und an unserem Unvermögen, sie zufriedenstellend zu erklären, nicht zu verzweifeln.

Und zum Schluss
Die Menschwerdung Jesu darf nicht auf eine punktuelle Aktion beim Eintritt Jesu in sein Menschsein reduziert werden. Die Inkarnation lebt davon, dass Gott Menschen fortdauernd und dynamisch begegnet und in diesen Begegnungen das solidarische Zusammenwirken von göttlicher und menschlicher Natur erfahren wird. Menschen kommen nicht zum Glauben, weil sie das Geheimnis der Jungfrauengeburt lüften und sich bekenntnistheoretisch damit identifizieren. Sie kommen zum Glauben, weil Jesus Christus als wahrer Mensch und wahrer Gott in ihrem Leben heilsstiftend auftaucht und seine gottmenschliche Kraft im konkreten Lebensumfeld entfaltet.

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