Mission | lange Seile und weite Räume

Starke Worte aus dem Jesajabuch erregen meine Aufmerksamkeit. Nach der scheinbar verlorenen Zeit im Exil, richtet Gott durch den Propheten zukunftsweisende Worte an seine Leute. In Jesaja 54, 2-3 heißt es: „Mach dein Zelt größer! Spanne deine Zeltdecken aus, ohne zu sparen! Verlängere die Seile und schlag die Zeltpflöcke fest ein! Denn nach Süden und Norden wirst du dich ausbreiten. Deine Kinder werden das Gebiet fremder Völker in Besitz nehmen und die verwüsteten Städte besiedeln.“
Worte die vor Optimismus strotzen.  Nach der Enge im babylonischen Exil erfolgt die Horizonterweiterung. Die Rückkehr nach Judäa, ins Land der Väter, steht auf der Agenda. Die Worte sind aber nicht nur zeitgeschichtlich zu interpretieren. Sie haben auch missionarischen Charakter. Sie weisen über die damalige Zeit und über das Schicksal des Volkes Israel hinaus. 
Gott denkt groß. Und nur wer Großes denkt, kann Großes tun. Mach dein Zelt größer! Ein größeres Zelt benötigen wir, wenn wir mehr Leute unterbringen müssen. Spare nicht, sei großzügig im Umgang mit deinen Möglichkeiten, lässt Gott ausrichten. Mehr Platz und mehr Zeltdecken werden gebraucht, weil immer mehr Menschen einen Schlafplatz benötigen. Denke nicht nur lokal, sondern auch global. Von dir aus gesehen gibt es einen Norden und Süden. Weite Räume und größere Zelte - und die brauchen mehr Stabilität und längere Seile. Das sind Bilder, die darauf hindeuten, dass Gott seine Herrschaft ausbauen und erweitern möchte. Expansive Strategie eines großen Gottes. Es wird die Zeit kommen, wo die frommen Leute ihre Blicke weiten müssen. Auch ihre Theologie muss sich den neuen Perspektiven Gottes anpassen. Die nachexilischen Propheten haben den Blick geweitet. Sie haben die alte Theologie nicht abgeschafft, aber sie haben sie gehörig erweitert. Sie nahmen die Welt ins Visier, sie schauten nach den fernen Inseln und erwarteten den Gesalbten Gottes, der auf seine Weise den Startschuss in ein neues Zeitalter geben wird.
William Carey, einer der Wegbereiter der modernen Missionsbewegung, hat die Verse aus Jesaja 54 im Jahre 1792 seiner schottischen Baptistengemeinde vorgelesen, als es darum ging, eine Missionsgesellschaft zu gründen, die sich um die nichtchristlichen Völkern kümmern sollte.  Die damalige calvinistische Theologie war eng, sehr eng. Sie ließ keinen Spielraum zu für weltmissionarische Experimente. Wenn Gott wollte, dass die „Heiden“ zu Christen werden, dann hat er bestimmt geheimnisvolle, schon vorher festgelegte Pläne, mit denen er zum Ziel kommt, so die gängige Meinung. Gemeinden und abenteuerlustige Leute braucht er dazu nicht.
Und heute? Mission ist hier und da in Misskredit geraten. Viele Zeitgenossen haben Vorbehalte gegenüber diesem „kulturzerstörenden Unternehmen“. Sie scheuen zurück vor dem komplexen globalen Unterfangen der Weltmission. Viel zu kompliziert diese eine Welt mit ihren politischen, wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen, religiösen und  ethnischen Konflikten und Herausforderungen. Leute aus den Gemeinden machen Sicherheitsfragen geltend, zittern ängstlich mit und zögern. Man ist froh, wenn es Missionsgesellschaften gibt, an die man die „Sache der Weltmission“ delegieren kann und zum Glück „nur beten und Geld geben“ soll. Und dann gibt es ja vor der eigenen Haustüre schließlich auch noch genug zu fegen. Vergessen wird, dass es eben nicht um eine numerische Rangfolge geht: erst in der Heimat die Arbeit machen, und dann schauen, was es darüber hinaus noch zu tun gibt (Apg 1,8). Erst den eigenen Kleingarten bewirtschaften und dann in den sandigen Prärien der Welt Wiederaufforstung betreiben. Von wegen. Gott denkt in „Sowohl-als-auch-Kategorien“. Da draußen gibt es eine Welt, Nähe und Ferne, Heimat und Fremde zugleich.
Carey, der schottische Schuhmacher, hat damals Lunte gerochen und sich hartnäckig durchgesetzt und seine „missionarischen Schuhe besohlt“. Er hat Weite getankt, inspiriert durch das biblische Worte und die Lektüre der Reiseberichte von James Cook (1728-1779), dem Abenteurer und Weltensegler.
Am 2. Oktober 1792 wurde die Missionsgesellschaft gegen den Widerstand der Mehrheit gegründet. Weltmission braucht hartnäckige Burschen. Carey ist als einer der ersten Missionare der neuen Gesellschaft mit einigen Weggefährten nach Indien ausgewandert und dort 40 Jahre geblieben. Als Evangelist, Gemeindegründer, Linguist, Gärtner und Lehrer hat er agiert.
Missionare brauchen lange Leinen, weiten Raum für eine großzügige an Gottes Absichten orientierte Theologie. Wenn sie das Gefühl haben, in engen Zelten hausen zu müssen, dann entsteht in ihnen der Wunsch, das Lager zu verlassen und die Gemeinschaft mit fremden Völkern zu suchen. Enge Räume sind Theologien, die zu kurz greifen, weil sie Gottes Mission nicht genügend berücksichtigen. Enge Räume sind auch Strategien, die dazu führen, dass fromme Organisationen zu wenig kooperieren und stattdessen versuchen, sich zu profilieren und auch Gemeinden, die sich nach innen konsolidieren, statt nach außen Gas zu geben. Enge Räume sind auch da, wo das Gefühl entsteht, von „Lassowerfern“ umgeben zu sein, die zu verstehen geben, dass es Grenzen gibt. Traditionen und die Angst um die gute Reputation und vor Veränderungen machen Räume oftmals eng und die Chefs versuchen so, ihre Leute auf der Koppel an kurzen Seilen zu halten. Zuviel Leute, die nach Sicherheit und wohligen Räumen Ausschau halten und zu wenige Leute, die danach fragen, wo ihr Einsatz wirklich notwendig ist.
Das Motto aus Jesaja 54 wirkt beflügelnd: „Mache dein Zelt größer und verlängere deine Seile! Und vergiss nicht, dein Leben bei Gott anzubinden!“

Bildnachweis: http://www.careyfamilynetwork.co.uk

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