Kardinal Jorge Mario Bergoglio alias Papst Franziskus | gegen theologischen Narzissmus und für eine Kirche an den Rändern

Vor dem Konklave, der Versammlung aller stimmberechtigen Kardinäle, hatte der jetzige Papst Franziskus und ehemalige Kardinal Jorge Mario Bergoglio den theologischen Narzissmus der katholischen Kirche bemängelt. Die Kirche drehe sich nur um sich selbst, sei auf ihre Macht und eigenes Ansehen bedacht. Sie kümmere sich zu wenig um die Verkündigung des Evangeliums an den Rändern der Gesellschaft. Jorge Mario Bergoglio fordert eine Reform der Kirche, damit sie fähig wird, sich um andere zu kümmern. 
Der folgende Text ist der Wortlaut der kurzen Ansprache, mit der sich Kardinal Jorge Mario Bergoglio dem Konklave vorstellte. Offensichtlich hat er damit den Nerv getroffen und soviel Eindruck hinterlassen, so dass er im fünften Wahlgang von 2/3 der Kardinäle zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wurde.

Ich habe Bezug genommen auf die Evangelisierung. Sie ist der Daseinsgrund der Kirche. Es ist die „süße, tröstende Freude, das Evangelium zu verkünden“ (Paul VI.). Es ist Jesus Christus selbst, der uns von innen her dazu antreibt.
1. Evangelisierung setzt apostolischen Eifer voraus. Sie setzt in der Kirche kühne Redefreiheit voraus, damit sie aus sich selbst herausgeht. Sie ist aufgerufen, aus sich selbst herauszugehen und an die Ränder zu gehen. Nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die des Denkens, die jeglichen Elends.
2. Wenn die Kirche nicht aus sich selbst herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, kreist sie um sich selbst. Dann wird sie krank (vgl. die gekrümmte Frau im Evangelium). Die Übel, die sich im Laufe der Zeit in den kirchlichen Institutionen entwickeln, haben ihre Wurzel in dieser Selbstbezogenheit. Es ist ein Geist des theologischen Narzissmus.
In der Offenbarung sagt Jesus, dass er an der Tür steht und anklopft. In dem Bibeltext geht es offensichtlich darum, dass er von außen klopft, um hereinzukommen. Aber ich denke an die Male, wenn Jesus von innen klopft, damit wir ihn herauskommen lassen. Die egozentrische Kirche beansprucht Jesus für sich drinnen und lässt ihn nicht nach außen treten.
3. Die um sich selbst kreisende Kirche glaubt – ohne dass es ihr bewusst wäre – dass sie eigenes Licht hat. Sie hört auf, das „Geheimnis des Lichts“ zu sein, und dann gibt sie jenem schrecklichen Übel der „geistlichen Mondänität“ Raum (nach Worten de Lubacs das schlimmste Übel, was der Kirche passieren kann). Diese (Kirche) lebt, damit die einen die anderen beweihräuchern.
Vereinfacht gesagt: Es gibt zwei Kirchenbilder: die verkündende Kirche, die aus sich selbst hinausgeht, die das „Wort Gottes ehrfürchtig vernimmt und getreu verkündet“; und die mondäne Kirche, die in sich, von sich und für sich lebt.
Dies muss ein Licht auf die möglichen Veränderungen und Reformen werfen, die  notwendig sind für die Rettung der Seelen.

Kommentare

  1. Wow, hey! Sehr cool. Ich freue mich über das was der neue Papst zur Sprache bringt. Mich würde jedoch noch mal genauer interessieren was er mit dem "apostolischen Eifer" meint? Wer ist damit gemeint? Wer setzt das um, wenn er "apostolisch" verwendet?

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  2. Zum Thema Apostolizität der Kirche könnte man natürlich sehr viel sagen.
    Im traditionellen Sinne versteht die kath. Kirche darunter die durch die apostolische Sukzession tradierte Kontinuität zur urchristlichen d.h. apostolischen Lehre. Das in Apg. 2,42 angesprochene Beständig Sein in der Lehre der Apostel soll durch Bischöfe und Papst (Kurie) garantiert werden. Durch die apostolische Sukzession und die Verwaltung der Sakramente vergewissert sich die Kirche sozusagen selbst, dass sie im Wesentlichen noch die gleiche Lehre vertritt wie die Apostel im Urchristentum. Lt. kath. Verständnis ist nur da Kirche im Vollsinn des Wortes, wo ordinierte Bischöfe die Kontinuität der kirchl. Lehre und die Verwaltung der Sakramente garantieren. Andere christliche Gemeinschaften (und dazu zählen auch die ev. Kirchen und Freikirchen) sind demnach keine „vollwertigen Kirchen“, sondern lediglich „kirchliche Gemeinschaften“.
    In der charismatischen Szene wird der apostolische Dienst (Eph 4,10f) stark betont. Dort wo er fehlt, ist Gemeinde noch nicht das, was sie sein soll.
    In der protestantischen und anglikanischen Tradition wird Apostolizität gar nicht an die Institution Kirche geknüpft, sondern an die geistliche Gemeinschaft der Christen untereinander, die sich der Lehre Jesu verpflichtet wissen.
    Ich interpretiere die Kritik des neuen Papstes Franziskus so, dass er diese einseitige Selbstbezogenheit der Kirche, das Verwalten der eigenen Tradition für reformbedürftig hält.
    Zur Apostolizität der Kirche gehört auch die missionarische Mentalität. Apostel sind in erster Linie Gesandte und keine Verwalter kirchlicher Tradition. Deshalb muss die Kirche raus gehen „an die Ränder“. Beides, das Bewahren der Lehre Jesu und die missionarische Relevanz für die Welt, gehören zur Gemeinde Jesu und genau das haben die urchristlichen Apostel ja auch vorgelebt. Priester und Bischöfe sollen zu Missionaren werden und dafür sorgen, dass die Kirche an missionarischer Ausstrahlung gewinnt. Und dafür braucht man "apostolischen Eifer" und den neuen Blick für die Menschen, die Gott liebt und die der Kirche, zumindest in Europa, scharenweise davon laufen bzw. in anderen Gegenden zu den sozial Benachteiligten gehören. Alan Hirsch spricht von der missionalen DNA der Gemeinde in Anknüpfung an Eph 4. Seine Ausführungen finde ich in diesem Zusammenhang sehr hilfreich.

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  3. Anonym18:47

    "Theologischer Narzissmus" trifft es sehr gut. Viele Theologen und Kirchenmänner verkriechen sich lieber selbstverliebt in ihrer heilen Welt, ähnlich Peter Pan, ohne dabei die Radikalität der Worte Jesu in die Tat umzusetzen. Ein paar Gedanken zur Psychologie des theologischen Narzissmus finden sich hier: http://verdenken.wordpress.com/2013/04/03/ich-bleib-in-meinem-heilgen-nimmerland/ .

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