Wieso wir Gott Gott nennen - Anmerkungen zur Entwicklung des Gottesbegriffs


Ganz selbstverständlich benutzen Christen den Begriff „Gott“. Auch Menschen, die wenig persönliche Beziehung zum Christentum haben, rutscht das Wort „Gott“ manchmal über die Lippen. Sie sagen: Ach, du mein lieber Gott; Gott sei Dank; Grüß Gott usw. Und in Notsituationen kann „nur noch der liebe Gott helfen“. Obwohl wir Gott ansprechen und beim Namen nennen, können wir dennoch nicht erklären, wer er ist und woher er letztlich kommt. Die Herkunft des Begriffs Gott und seine Synonyme im nichtdeutschen Sprachraum lassen sich, wenn auch nur fragmentarisch, nachvollziehen.  Doch Gott selbst ist und bleibt letztlich ein großes Geheimnis und eine große Herausforderung an unseren Glauben. Unsere Gebete und Lieder, unser Klagen und Bitten, unser Schreien – all das „werfen wir nach oben“, weil wir glauben, dass es „Gott“ gibt, dass er damit was anfangen kann, dass er uns hört und darauf reagiert. Gott – dieses Wort lässt in uns die Vorstellung von einem souveränen, allmächtigen Wesen entstehen und entfacht die große Sehnsucht und Bewegung nach oben. Wir nennen Gott beim Namen und denken dabei an den Ursprung der Schöpfung und des gesamten Universums, den kreativen Denker, der sich Natur-und Sittengesetze ausdenkt, den Gott, der auch unser Leben irgendwie überschaut und im Griff hat.

Woher stammt eigentlich der Begriff Gott? 
Die Herkunft des im Deutschen gebräuchlichen Wortes Gott lässt sich relativ genau nachvollziehen. Im indogermanischen Sprachgebrauch, der für den germanischen und anglophonen Kulturraum prägend wurde, hat der Begriff Gott eine lange Sprachgeschichte hinter sich. Im Indogermanischen gibt es das Partizip ghuto-m[1]. Dieses Wort entstammt der Wortwurzel gheu mit zwei Bedeutungen: anrufen und gießen. Ghuto ist das übergeordnete Wesen, das der Mensch anruft und dem er ein Trankopfer darbringt (im Sinne von: über einen Altar ausgießen bzw. ein Trankopfer genießen[2]. 

Wie kommt es, dass wir heute den Begriff Gott benutzen? 
Im Zuge der arianischen Mission unter den Goten (Wulfila, 311-383) ist der Begriff als Substantiv zunächst in den osteuropäischen und später in den zentraleuropäischen Kulturraum (Franken) vorgedrungen[3]. Aus dem alten indischen Wort ist das gotische guda, das englische god, das schwedische gud, das altdeutsche got und der heute gebräuchliche Begriff Gott entstanden. 

Woher stammt der im Neuen Testament gebräuchliche Gottesbegriff theos? 
In der griech. Sprache wird das Wort theos benutzt. Da das NT in Griechisch verfasst wurde, sind das Wort theos und sein Verständnis von besonderer Bedeutung. Die Herkunft des Wortes ist jedoch relativ schwer nachzuvollziehen[4]. Es liegt dennoch nahe, den Begriff theos in Verbindung mit dem Wort thyein (opfern) zu sehen. Eine andere etymologische Spur führt zum Wortstamm theo (rennen, laufen). Im Zusammenhang mit der Religion wird hier die nach oben gerichtete spirituelle Sehnsucht der Menschen zum Ausdruck gebracht: der Mensch, der zum Altar rennt, um ein Opfer zu bringen (realistisch) oder das Opfer selbst, das das unsichtbare Wesen erreicht (symbolisch). Vorstellbar ist auch, an den Opferrauch zu denken, der sich seinen Weg nach oben in die Atmosphäre zu Gott bahnt.
Das indogermanische Wort dheso oder deiwos (das den Göttern Zugewandte) könnte auch bei der Bildung des griech. Wortes theos Pate gestanden haben. Im europäischen Kulturraum gibt es im Urgermanischen den Begriff teiwaz (Himmelsgott; vgl. Ähnlichkeit mit dem griech. Zeus)[5].
Die Verbindung zwischen Indien und Griechenland würde Sinn machen, da die  Entstehung der klassischen Philosophie der griech. Antike und die indisch-asiatische Religionsgeschichte zeitlich eng zusammen liegen und sich auch inhaltliche Parallelen nachweisen lassen.

Fazit: 
Sowohl im zentraleuropäischen als auch im griechischen Kulturraum der Antike gehen die für Gott verwendeten Begriffe auf einen heidnischen Ursprung zurück. Er entstammt aus der religiösen Praxis, wo dem höchsten Wesen Opfer dargebracht und Respekt gezollt werden. Der Gottesbegriff ist gewissermaßen aus „Schall und Rauch“ entstanden, aus der Anrufung eines höheren Wesens und dem Opfer, das man ihm in Form von Getränken und Brandopfer dargebracht hat. Der Begriff, den wir verwenden, ist aber letztlich nicht entscheidend, sondern wie wir ihn füllen.

Paulus und die anderen neutestamentlichen Autoren haben ganz selbstverständlich das gebräuchliche Wort für Gott theos benutzt und ihn im Sinne der jüdisch-christlichen Tradition gefüllt. Wenn Christen das Wort theos in den Mund nahmen, dann verwiesen sie damit auf den biblischen Schöpfergott, den Herrn der Welt, den Bundesgott Israels und auf den Vater Jesu Christi.
Gott ist viel mehr als die Bezeichnung, die wir benutzen, um ihn anzurufen. Gottes Souveränität erlaubt es sogar, heidnische Ursprünge bei der Bildung des Gottesbegriffs in Kauf zu nehmen. Sichergestellt werden muss allerdings, dass der Interpretation im biblischen Sinne nichts im Wege steht.  
Die Spurensuche nach dem Gottesbegriff ist nicht nur spannend. Sie ist auch beispielhaft dafür, wie in der missionarischen Arbeit die Bezeichnungen für „fremde Götter“ benutzt und umgedeutet werden können, ohne dass Gottes Macht und Größe darunter leidet. Dies war, wie wir gesehen haben, im germanischen Kontext und in der Theologiegeschichte Europas der Fall.
Bei der Volksgruppe der Dogon in Mali wird Gott Ama genannt. Dieser Begriff hat auch in die Bibelübersetzung der Dogon Eingang gefunden. Der Gottesname Ama (Hauptgott, Himmelsgott) wird hier benutzt, um den alleinigen Schöpfergott zu bezeichnen. Dieser Name hat ursprünglich einen animistischen Hintergrund. Ama unterscheidet sich von Nomo (Wassergott) und Lewe (Gott der Dinge auf der Erde), die jeweils eine eingeschränkte und untergeordnete Bedeutung haben[6].
In Kulturen, wo der Islam eine dominante Rolle spielt, wird in biblischen Texten auch der Gottesbegriff Allah verwendet. Auch in der Bibelübersetzung der malischen Ethnie der Bambara ist dieses Phänomen zu beobachten, wo der Begriff Allah den Vorzug erhält gegenüber den traditionellen, animistischen Bezeichnungen für Gott.
Beim Gebrauch solcher nichtbiblischer Gottesbezeichnungen ist jedoch immer darauf zu achten, dass sie den biblischen Vorstellungen und Eigenschaften Gottes nicht grundsätzlich widersprechen.


[1] Vgl. dazu den umfangreichen und aufschlussreichen Art.: GOTT in: Jacob Grimm u.  Wilhelm Grimm. 1854-1860.: Deutsches Wörterbuch. Leipzig: Hirzel, (woerterbuchnetz.de, Universität Trier). Allgemeine Informationen zu Herkunft und Gebrauch des Begriffes „Gott“ im indogermanischen Kulturraum finden sich u.a. bei Karl Helm. 1953. Altgermanische Religionsgeschichte, Bd. 2, Heidelberg: Winter, Heidelberg. 215 
[2] Vgl. dazu bei Wolfgang Meid. 1992. Germanische Religion im Zeugnis der Sprache. In Heinrich Beck (Hrsg.): Germanische Religionsgeschichte – Quellen und Quellenprobleme, Ergänzungsband 5 zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Berlin: De Gruyter.  494 
[3] Vgl. bei Karl Helm. 1953:36 
[4] Vgl. umfassend den Art. Theós, Kleinknecht. 1990. Theologisches Wörterbuch zum NT (G. Kittel Hrsg.), Bd. 3 (Studienausgabe), Stuttgart: Kohlhammer. 65-79. 95-123 
[5] Leopold von Schroeder. 1923. Arische Religion, Bd. 1, Leipzig.  568 
[6] Vgl. dazu http://www.necep.net/articles.php?id_soc=12&id_article=1 (24.4.14). Die Aussagen dieses Artikels beziehen sich auf renommierte Forschungen von Kulturantrhopologien wie die französischen Strukturalisten Marcel Griaule und Germaine Dieterlien

Kommentare

  1. Gott kommt aus dem Wort gut.
    Theos kann man ungarisch deuten t(h)e-ös = dein Ahn

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