Malireise 2012 | Sanankuya - die Kunst der Alltagsdiplomatie


Wie kann man mit Witzen ein Knöllchen vermeiden? Das funktioniert - zumindest in Mali. Gestern überquerten wir eine vielbefahrene Kreuzung in der Innenstadt. Chaos total. Fußgänger, Fahrradfahrer, wildgestikulierende Taxifahrer, lautes Hupen der Durunis (Kleinbusse), dazwischen ein LKW, der allen den Weg versperrt. Am Rande sitzen eine Handvoll Polizisten, die versuchen, dieses verkehrstechnische Chaos zu überblicken. Ein Blick in Richtung unseres Wagens. Ein Pfiff und die Geste, die uns anweist, an den Straßenrand zu fahren. Ein junger Polizeibeamter kommt auf uns zu. Er grüßt förmlich. Ich drehe das Fenster herunter und grüße förmlich zurück – mit Hand an der Stirn. Er will unsere Papiere sehen. Wir fragen: „Was ist vorgefallen?“. „Sie haben die Ampel bei Rot überfahren“, meint er ernst. Ich kontere: „Monsieur, das habe ich total anders gesehen. Ich habe nur auf den Verkehr geachtet; eine rote Ampel habe ich absolut nicht bemerkt.“ Kann schon sein, dass die Ampel dunkelgelb war. Aber heil nach Hause kommen ist wichtiger als Farbenlehre im Verkehr. Ich weiß, wenn ich mit ihm über den Vorfall diskutiere und er erst einmal die Autopapiere in der Hand hat, dann werde ich ein paar tausend CFA los sein. Das möchte ich vermeiden. Bevor er also reagieren kann erkundige ich mich nach seinem Familiennamen. „Touré“, sagt er. „Ach du meine Güte, das auch noch“, sage ich. „Wir sind Coulibaly, und du, Touré, wagst es, uns ein Knöllchen anzuhängen?“ Er fängt an zu schmunzeln und ich weiß: Wir haben gewonnen! Die Coulibaly rangieren in der malischen Familien- und Clanhierarchie am unteren Ende, gelten als Sklaven und Leute mit schlechtem Ruf, mit denen man nicht viel rumdiskutiert. Und vor allem sind das die, die gerne Bohnen essen (shodunna auf Bambara). Wer Bohnen ist, der hat derweilen einen aufgeblähten Magen und gibt sonderbare Töne von sich. Das mögen die anderen nicht. Touré lässt ein paar witzelnde Bemerkungen über die Coulibaly fallen und lacht dabei.
Ich versuche weiter abzulenken und erkundige mich nach der Sicherheitslage in der Stadt. „Alles unter Kontrolle“, versichert er mir. „Ihr macht einen guten Job“, lobe ich ihn. Er grinst und bedankt sich. Sein Blick fällt auf den Rucksack auf der Rückbank unseres Wagens. „Sind da in etwa Bohnen drin“, will er wissen. „Nein, nein“, antworte ich, „wir sind doch im Fastenmonat. Da lässt man die Finger davon“. Wir lachen laut. Von Autopapieren und Kontrolle war schon längst keine Rede mehr. Er lässt uns ziehen.
Ähnliche Geschichten haben wir schon so oft erlebt. Es beginnt todernst und endet mit lautem Lachen. Das sich gegenseitig auf die Schippe nehmen, aufgrund der Familienherkunft (sanankuya; sanankus sind die lachenden Cousins; man bringt sich gegenseitig zum Lachen und wird so zum  Verwandten) hat Tradition in Mali. Wer sich da auskennt, kann Situationen entschärfen und sich aus der Affäre ziehen. Auch diesmal hat es funktioniert.

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