Al Qaida | Richtungskämpfe und neue Strategien
Seit
dem Tod von Ousama bin Laden vor 12 Monaten ist innerhalb des islamistisch
terroristischen Netzwerkes ein Streit ausgebrochen. Das Gerangel betrifft
folgende Ebenen:
Wer
ist nach bin Ladens Tod der Kopf der Bewegung?
Welche
islamistische Doktrin setzt sich durch?
Welche
Strategien sollen zur Durchsetzung der Ziele angewandt werden?
Die
Bewegung, die 1988 im pakistanischen Peschawar als al-Qaida al-Askarija
("die militärische Basis") gegründet wurde, scheint geschwächt. Die
Bewegung war ursprünglich angetreten, die Muschahidin in Afghanistan im Kampf
gegen die sowjetischen Besatzer zu unterstützen. Aus diesem Kampf ist ein
ideologisch-militärischer Kampf gegen die Fremden, die Ungläubigen, vorwiegend
aus dem Westen entstanden. Nach der Übernahme der Macht durch die Taliban und
dem Eingreifen der Westmächte in Afghanistan hat sich das Feindbild gewandelt
und richtet sich vorwiegend gegen den Westen und insbesondere die USA. Der
traurige Höhepunkt dieses Kulturkampfes waren die Attentate auf das
World-Trade-Center am 9. September 2001.
Die
Bewegung hat in der letzten Zeit erhebliche Rückschläge hinnehmen müssen und
wichtige Führungspersönlichkeiten verloren. Doch Schwächung bedeutet längst
nicht, dass Al-Qaida nicht immer noch gefährlich und zu militärischen
Anschlägen fähig wäre.
Der
Richtungsstreit innerhalb der Bewegung ist entbrannt. Dies bedeutet einerseits
eine Chance und andererseits eine Gefahr. Sollten sich die radikalen Kräfte
durchsetzen und gleichzeitig die Führung der Bewegung entgleiten, so wäre
Al-Qaida mit seinen Aktionen weltweit kaum mehr berechenbar.
Zzt.
besetzt Aiman al-Sawahiri als Nachfolger Bin Ladens den Chefsessel der
Bewegung. Er gilt als dogmatisch streng und radikal, hat aber unter den
Kämpfern der Bewegung weniger Rückhalt als der Vize Abu Jahja al-Libi.
Letzterer gilt als charismatischer und hat mehr Einfluss. Gleichzeitig
ist er weniger radikal. So lehnt er z.B. die strenge Takfir-Doktrin ab. Diese
besagt: Wer nicht der strengen Auslegung des Islam anhänge, sei Ungläubiger und
damit zu bekämpfen. – Somit sind auch moderatere Muslime nicht vor Angriffen
der Islamisten gefeit.
Den
gemäßigten Kräften innerhalb der Bewegung wird vorgeworfen, sie würden den
Koran und islamistische Ideologie nicht ernst genug nehmen und seien geneigt
durch Verhandlungen mit den Ungläubigen möglicherweise zu viele Kompromisse
einzugehen.
Unterdessen
hat sich die Bewegung längst dezentralisiert und ist damit unkontrollierbarer
und unberechenbarer geworden.
Einzeltäter
wie der im französischen Toulouse getötete Mohamed Merah stellen ebenso eine
terroristische Bedrohung dar, wie die vorwiegend im Nord-Westafrikanischen Raum
agierenden regionalen Terrorverbände.
Jahr
der Entstehung
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Name/
Doktrin
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Sitz/
Operationsradius
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Organe/
Strategien
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2007
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"Al-Qaida
des islamischen Maghreb" (Aqim)
Radikale
Salafisten
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Algerien,
Mauretanien, Tschad, Mali
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Verstärkt
durch bewaffnete Söldner der Arme Gaddafis
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2009
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"Al-Qaida
auf der Arabischen Halbinsel" (Aqap)
Dschihadisten
("Ansar al-Scharia")
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Jemen
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Rekrutierung
durch Internet und Magazin „Inspire“
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2010
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Boko
Haram, Sekte und Terrormiliz
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Nigeria
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Kooperation
mit Aqim, greift vorwiegend christl Minderheiten in Nigeria an
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2012
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Schabab-Bewegung
Loyal.
Ggb. Sawahiri (radikal)
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Somalia,
Kenia
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Videobotschaften,
terroristische Milizen, Kooperation mit Aqap
|
Mittlerweile
haben sich westliche Geheimdienste auf die neuen Machenschaften von Al-Qaida
eingestellt. New York hat ein neues "höchstes Gebäude der Welt" und
damit demonstriert, dass sich die Supermacht von terroristischen Netzwerken
nicht unterkriegen lässt. Das tut der amerikanischen Seele gut. Und Al-Qaida - die Bewegung hat sich mittlerweile in den Maghreb und nach
Schwarzafrika verlagert. Die Gefahr scheint für den Westen gebannt. Scheinbar.
Es ist zu befürchten, dass der Westen den islamischen Terror in Afrika nur noch
verbal bekämpft. Zwar bekämpfen europäische Sondereinheiten gegen die Piraterie in
Somalia. Aber warum? Weil es um wirtschaftliche Interessen und piratenfreie Wasserstraßen geht. Der Kampf des
Westens gegen den ideologisch unterwanderten Islamismus geschieht nur
halbherzig. Mit ganzem Herzen geht der Westen dann zur Sache, wenn es um die
Wirtschaft geht, auch wenn es offiziell heißt, man wolle Demokratie und
Freiheit verteidigen.
Die
Welt leidet nicht nur am Terror, sondern auch an der Eigennützigkeit westlicher
Länder.
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